
Bild: Oben das Titelblatt einer berühmten Flugschrift von Martin Luther: „Wider die Mordischen und reubischen Rotten der Bawren“ von 1525. Der Bauer wird auf dem beigefügten Holzschnitt dargestellt mit einem umwickelten (also nicht kampfbereiten) Schwert, mit Eiern im Sack und einer Martinsgans unterm Arm, wie sie ein ordentlicher Bauer als Zins an den Grundeigentümer abzuliefern hatte, dazu auf einem Spruchband die Aufforderung „Hab Gott lieb!“. – Unter dem Holzschnitt wird ein Psalmvers zitiert: „Seyne Tück werden ihn selbst treffen…“ – Der Bauernkrieg 1525 wurde auch von den religiösen Auseinandersetzungen der Zeit beeinflusst. Die eigentumskritischen Bauern beriefen sich auf „Freiheiten“, die ihnen das Evangelium Christi zugestehe. Die Reformatoren waren teils so oder so obrigkeitlich orientiert oder hatten Sorge, ihr kirchenkritisches Anliegen könne mit dem der Bauern in den selben schlimmen Topf geworfen werden. (vf)
MUNDERKINGEN (wh) Die Munderkinger verdienten sich 1525 ein Lob des obrigkeitsorientierten Chronisten, als sie einen von Truchsess Jörg von Waldburg bedrängten Bauernhaufen vor ihrem Oberen Tor stehen ließen. Später wurden die Bauern dieses Teils des Baltringer Haufens zusammen mit anderen Aufständischen erschlagen und die Leichen in die Donau geworfen. Der Munderkinger Historiker Dr. Winfried Nuber skizzierte am Sonntag den Weg, der diese Bauern über Erbach und Oberstadion nach Munderkingen geführt hatte; er sprach im Rahmen eines VHS-Vortrags auch über die Rolle, die der Munderkinger (lutherische) Prediger Paul Beck in dieser blutigen Geschichte spielte.
Im 16. Jahrhundert teilten sich mehrere Priester die Seelsorge in der Stadt. Bis 1524 waren es die Brüder Jakob und Matthias Hug. Nach dem Tod des einen wurde der Munderkinger Konrad Färber vom Rat der Stadt zum Prediger bestellt. Er gehörte zu den „Sturmtruppen der Reformation“ und wurde auf Verlangen des Stadtherrn Truchsess von Waldburg bald aus dem Amt gejagt. Sein Nachfolger, der gebürtige Munderkinger Paul Beck, hatte in Heidelberg studiert und dort, so Nuber, vermutlich Luthers Theologie kennen gelernt. Er folgte Luthers politischer Haltung, als dieser sich auf die Seite der Fürsten schlug und gegen die aufrührerischen Bauern in einer Streitschrift zu Felde zog und die Herrschenden aufforderte, die Bauern zu stechen und zu würgen.
Beck befand sich mit den anderen Munderkinger Spieß-Bürgern auf den Mauern, als die Bauern, aus Oberstadion kommend, vor dem Oberen Tor standen. Am Unteren Tor befand sich derweil im Auftrag des Truchsessen Jörg der Untermarchtaler Schlossherr Dietrich Speth, der die Bewohner des Landstädtchens aufforderte, die Bauern nicht einzulassen.
Die Bauern zogen weiter nach Marchtal und später mit den aufständischen Bauern aus der Region um den Teutschbuch (bei Riedlingen) nach Zwiefalten. Im Kloster wurden von ihnen die Urkunden und Lehensverzeichnisse vernichtet, die den Mönchen dazu gedient hatten, ihre leibeigenen Bauern auszupressen.
Dann begann das große Bauernschlachten. Die blutige Spur zieht sich über Zweifalten, Tigerfeld nach Leipheim und Bad Wurzach. Als der Bauernjörg am 17. April bei Weingarten auf den sogenannten Seehaufen traf, aufständische Bauern aus der Bodenseegegend, denen weitere Bauern aus dem Allgäu zueilten, setzte der Feldherr des Schwäbischen Bundes nicht alles auf eine kriegerische Karte, sondern schloss den Weingartener Vertrag, der den dortigen Bauern das Leben ließ und einer weiteren Verschlechterung der Lebensverhältnisse der von Adel und Klerus gleichermaßen ausgebeuteten Leibeigenen Einhalt gebot.
In Munderkingen wird der lutherische Prediger Beck aus der Stadt gedrängt. Er selbst schreibt später von einer Intrige der Pfaffen. Der neue Pfarrherr, Johannes Gudin, war angeblich gegen Beck „losgezogen“.
Beck kam über Ulm als Prediger nach Geislingen. Dort wurde er von einem Mitbruder beim „Schwäbischen Bund“, dem Polizeiorgan der Städte und Regionalfürsten, angeschwärzt, er habe in Munderkingen die Sache der Bauern unterstützt. Beck setzt sich zur Wehr. Er sei um des Wortes Gottes willen, das er gepredigt habe, von Munderkingen vertrieben worden. Mit dem Aufruhr der Bauern habe er nichts zu tun. Vielmehr habe er sich gegen den Aufruhr gewandt und als Bürger „das Vaterland Munderkingen“ bewacht. Die siegreiche Obrigkeit rechnet ab: Der Rottenacker Kaplan Hieronymus Rösch sitzt in Munderkingen ein und beteuert, er habe „stets dem Adel gedient“. Dabei war er es, der vermutlich die Rottenacker Beschwerdeschrift verfasste, in der die Rottenacker Bauern wie die Bewohner hunderter anderer Siedlungen in Deutschland ihre auf das „göttliche Recht“ gestützten Forderungen nach „christlicher Freiheit“ gegenüber der jeweiligen Obrigkeit begründeten. – In Ehingen werden führende Aufständische hingerichtet, und in Oberstadion werden dem Schwiegersohn des Ulrich Schmied, des ersten Anführers des Baltringer Haufens, unter der Folter die Arme ruiniert. Anderen aufständischen Bauern, unter ihnen Ulrich Schmied, gelingt die Flucht in die Schweiz.