20.11.2000 | Begegnung mit einem Clown

OBERDISCHINGEN (vf) – Der Historiker, Schriftsteller und Clown Hellmuth Haasis trat am Mittwoch in der Oberdischinger Halle als Clown auf und las am Abend im Rathaus aus selbstverfassten Texten. In die Halle kamen immerhin achtzig Kinder und Erwachsene, zur Lesung weit weniger.

Veranstalter der beiden Termine war die neue Alb-Donau-VHS; die Initiative zur Einladung Haasis‘ ging von Schulleiter Kicherer aus, der Haasis auch schon zu einer Lesung und einem Gespräch mit seinen Schülern eingeladen hatte.

Auch wenn Haasis inzwischen ein angesehener Autor ist, so ist sein Lebenszuschnitt doch bescheiden (und sagt etwas aus über die Geldmenge, die sich mit Büchern verdienen lässt, selbst wenn – oder manchmal: gerade wenn  – diese Bücher hervorragend geschrieben sind):

Zwanzig Mal pro Jahr tritt Haasis immer noch als Clown auf – und wie in Oberdischingen hat er da wohl – gottseidank, muss man sagen – mehr Zuhörer als bei Lesungen. Dabei ist er ein Typ, der sich ganz und gar nicht professoral gibt, sondern zwischendurch auch gern schwäbisch schwätzt.

Wenn es unser Gesprächspartner auch noch nicht -bis zum eigenen Auto gebracht hat, man merkt dem Pfarrerssohn aus Mühlacker und studierten evangelischen Theologen keine Bitterkeit an; der Nachmittag machte dem  Historiker und Dichter Spaß, wie er uns erzählte: Die Kinder waren  interessiert und machten mit; die Fragen, die nach der abendlichen Lesung an ihn gestellt wurden, beantwortete Haasis  freundlich und sachlich.

Einer seiner Zuhörer wollte wissen, warum er sich als Historiker mit zwei Männern befasste, die beide hingerichtet wurden, der eine, der württembergische Finanzier „Jud Süß“, vor 260 Jahren, der andere, Hitler-Attentäter G. Elser, vor 55 Jahren. – Haasis, etwas amüsiert: Ich hatte immer Sympathie für die Unterlegenen; schließlich war ich in der Familie immer der jüngste und der kleinste, und für meine älteren Geschwister werd ich noch mit 80 „dr Kloi“, der Kleine, sein.

Natürlich nannte der Autor auch noch andere Gründe für seine (sieben Jahre währende) Untersuchung der Süß-Akten und der weiteren geschichtlichen und literarischen Zeugnisse. Man erfuhr an diesem Abend, dass Haasis für seinen schwäbisch verfassten Roman „Em Chrischdian sei Leich“ Befragungsergebnisse aus dem Familienkreis verwendet – 18 Jahre nach Erscheinen darf der Autor das eingestehen. – Haasis trug am Mittwoch unter anderem einen Text aus seinem im Piper-Verlag erschienen Prag-Buch vor: einen Text der  1941 im amerikanischen Exil gestorbenen tschechoslowakischen Jüdin von Kahler über den Messias, der seinen Auftritt verschlafen hat.