ZWIEFALTENDORF / RAUM EHINGEN – Reiche Leute vergangener Zeiten leisteten sich ab und zu großzügige Grabmale. Der Pofel und auch die eigenen Nachfahren sollten sehen, was die Errichter für tolle Leute waren und wie weit sie es gebracht haben (heute ist es auch nicht völlig anders). „Eindruck schinden“ nennt man dieses Verhalten, wenn es auch nicht dem entspricht, was die einstigen Grabmal-Erbauer gern über sich und ihr Grabmal gehört und gelesen hätten. Andererseits gibt uns die Prunksucht vergangener Zeiten heute die Gelegenheit, etwas über jene vergangenen Zeiten zu erfahren und das auf bequemere Art, als blätterte man in dicken Folianten. In einer Reihe Kirchen des Raums Ehingen stehen schöne Grabmale vergangener Zehen, aber in kaum einer Kirche wohl so viele wie in Zwiefaltendorf. Die hierherum einst einflussreiche und begüterte Adelsfamilie von Speth (oder Späth) hatte die Dorfkirche von Zwiefalten zu ihrer Familiengrablege erwahrt. Wichtig an fast allen solchen Grabmalen: Sie weisen die Wappen der Herkunftsfamilien von Adels-Männlein und -Weiblein auf, salopp formuliert: gewissermaßen den Arier-Nachweis früherer Zeiten – alles von bester Abkunft, alles paletti. Aber ganz ernst: So was wie ein jüdischer Gen-Geber unter den Vorfahren, das wäre die absolute Katastrophe in dieser Standes- und abkunfts-hysterischen Gesellschaft gewesen. – Der Untermarchtaler Heimatgeschichtsfreund Wolfgang Rieger hat einiges über die Zwiefaltendorfer Grabmale und ihre Errichter aus der veröffentlichten Literatur notiert, woraus wir nun wiederum das Amüsanteste oder Interessanteste auswählen. (vf)
Die Speth‘schen Grabdenkmale in dieser spätgotischen Pfarrkirche stammen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert
Grabmale sind Sinnbild-Speicher
Da ist beispielsweise das schöne Denkmal an der rechten Seitenschiffwand mit einer Höhe von immerhin dreieinhalb Metern und einer Breite von 1,80 Metern. Es zeigt ein kniendes Ritterehepaar und Jesus Christus in der Gestalt des Schmerzensmannes, der die Arme über das Ehepaar breitet, darüber Gottvater, eine Taube (als Sinnbild der dritten göttlichen Person), Engelsköpfe, ein Kreuz (Hinweis auf das Schicksal von Gott Sohn auf dieser Erde) und Marterwerkzeuge (mit denen man dem Gottessohn vor seinem Tod zugesetzt hatte). Ein sauberer Stammbaum muss sein – wie fast immer bei diesen Grabmalen: Die gute Herkunft wird durch die Wappen der adeligen Herkunftsfamilien bezeugt: Hier sind es die Wappen der Familien Speth, Stain (oder Stein – in unserer Gegend mit den zahlreichen Ausformungen Reichenstein, Rechtenstein, Klingenstein etc.), Gissa, Berg, Neipperg, Massenbach, Helmstatt, Rüdt von Collenberg. Das auf dem Grabstein dargestellte Paar ist dort nicht näher bezeichnet; Untersuchungen und Überlegungen haben dazu geführt, dieses Ehepaar als Dietrich von Speth und seine Frau Agatha geb. von Neipperg zu deuten, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts starben (Nachweis in: „Archiv für christliche Kunst“ 1897). –
Dass Dietrich ein Kavalier alter Schule war, musste er schwer büßen und er wurde vor allem dadurch eine „Person der Geschichte“. – Dietrich war ein hoher, vertrauter Beamter des einstigen Herzogs Ulrich von Württemberg (1498 – 1550). Ulrich hatte Streit mit seiner Frau Sabina, einer geborenen von Wittelsbach aus Bayern. Diese hatte ihren Ehemann absolut, über’ und flüchtete unter wesentlicher Mithilfe Dietrichs von Speth vor ihres Ehemanns Unfreundlichkeit im Jahr 1515 ins vorderösterreichische Ehingen (mit Übernachtung im damaligen ,Renner‘schen Hof) und dann weiter zu ihrer Herkunftsfamilie in München. Herzog Ulrich war stocksauer, dass sein Vertrauter und Angestellter gegenüber der Ehefrau Sabina mehr Loyalität (oder Ritterlichkeit) gezeigt hatte als ihm selbst gegenüber und revanchierte sich auf ganz unritterliche Art, indem er die auf seinem Herrschaftsgebiet oder nahe dabei liegenden Schlösser des Dietrich in Untermarchtal, Zwiefaltendorf, Ehestetten und Neidlingen niederbrennen und die zugehörigen Dörfer plündern ließ. Diese Rache scheint ihm noch nicht gereicht zu haben. Zu einem späteren Zeitpunkt, nach einem „Durchhänger“, als Ulrich dann wieder so richtig im (württembergischen) Sattel saß, ließ er gar den Besitz des einstigen Freundes Dietrich einziehen. Erst die Kinder von Dietrich und Agathe erhielten nach dem Tod des Landesherrn Ulrich 1550 wieder das elterliche Erbe.
Tapferer Kämpfer – gegen die Osmanen
Als Herzog Ulrich seinen Durchhänger überwunden,“ in seinem Land Württemberg wieder das Sagen hatte und wohl noch immer auf Dietrich von Speth sauer war, flüchtete sich dieser 1534 nach Wien, zum Kaiser. Schon zuvor hatte er seine Brötchen als hoher Soldat verdient: Er war Oberst, beim Kurfürst der Pfalz, der seinen Hauptwohnsitz in Heidelberg hatte, später war er einer der ranghöchsten Offiziere der damaligen Reichstruppen, die das Deutsche Reich römischer Nation und insbesondere Wien im Jahr 1529 gegen die vordrängenden osmanischen Truppen verteidigten. Der Oberschwabe Dietrich machte seine Sache so gut, dass er damals den Beinamen „deutscher Mars“ (Mars – römischer Kriegsgott) erhielt. 1536, also bald, nachdem Ulrich wieder Chef in seinem Land Württemberg geworden war, kam Dietrich Speth bei Marseille ums Leben; auch dort war er als Soldat unterwegs gewesen. Immerhin ging es ihm oder seinen Kindern finanziell so gut, dass sie ein so teures Grabmal wie das in der Zwiefaltendorfer Kirche errichten lassen und zahlen konnten.
Ein Vorrecht: verurteilen und henken lassen
Dietrich muss in jungen Jahren recht gut ‘rausgekommen sein: So könnte er Anfang des 16. Jahrhunderts vor! der damaligen Reichsregierung (Kaisen Maximilian) das Recht des sogenannten Blutbanns erwerben; das heißt: Er durfte in seinem Herrschaftsbereich! Todesurteile verhängen und ausführen lassen. Überliefert sind wenigsten zwei Hinrichtungen: 1511 wurde ein Mann aus Weitingen und 1531 einen aus Pflummern hinter Zwiefalten im Herrschaftsbereich Dietrichs von Speth „vom Leben zum. Tode gebracht“ (wie das früher so schön hieß); einer den beiden wird als „Totschläger“ bei zeichnet.
Diese verdammten Söhne.
Auch das Grabrelief von Wilhelm Dietrich Speth von und zu Zwiefalten in der Zwiefaltendorfer Kirche ist recht stattlich: 2,25 Meter hoch, 1,60 Meter breit. Das Grabmal ist ein Schmuck im gotischen Chor der Kirche. Es zeig! einen auf einem Löwen knienden Ritter in betender Haltung, vor den! gekreuzigten Gottessohn, dahinter Gott Vater. Wilhelm D. Speth wurde 1546 geboren und starb 1615. Mit ihm verbindet sich ein Gschichtle übel den Streit mit seiner von ihm geschiedenen Frau Susanna, die ihren Ehemann, anno 1599 verlassen hatte. Der Verlassene enterbte daraufhin sein Frau und seine Söhne (die wohl zur Mutter gehalten hatten). Die Söhn wollten das nicht hinnehmen, klagten und hatten teilweise Erfolg.
WD scheint ein harter Knochen gewesen zu sein: Die ihm untertaner Bauern in Zwiefaltendorf und Ehestetten auf der Zwiefalter Alb probten 1600 den Aufstand. Einer seiner beiden Söhne lebte lange Zeit im Benediktinerkloster Zwiefalten und vermachte dem Kloster nach seinem Tod einiges vor seinem Speth’schen Erbe. Ein besonders schönes Grabmal wurde für Hans Eyttel (heute: „Eitel“ Speth von und zu Sulzburg Ende des16. Jahrhunderts oder zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet. Auch hier steht Jesus Christus im Mittelpunkt, e wird als vom Tod Auferstandene, gezeigt, mit einer Siegesfahne (Sich über den Tod) in der Hand, darüber der Himmel mit vielen Heiligen, Aposteln, Gottvater auf einer Weltkugel stehend, darunter als Szene de: Jüngsten Gerichts auferstehende Tot« und für immer verdammte Seelen. Der adelige Herr zeigt sich auf einen Löwen kniend, seine Frau auf einem Lamm (dies sind natürlich jeweils sinnbildhaft zu verstehende Bilder). Zu den Füßen der beiden Eheleute liegen Helm und Ritterrüstungs-Handschuhe – ein dezenter Hinweis auf die hauptsächliche Berufstätigkeit des Adelsherrn.
Natürlich sind wieder die (von vf flippig so genannten) Arier-Nachweise vorhanden, in Form der Ahnenwappen Lützelburg, Bissenberg, Milen (heute: Mühlen), Catzberg, Bock, Ladenberg, Ottenheim, Scheinen, Gemmingen, Angeloch, Reichenstein, Brenestein, Andlaw (Andlau), Wernaw (Wernau) und Bulach. Hans Eyttel war vermutlich kein so harter Knochen wie andere Angehörige der Familie: So errichtete er 1586 eine Stiftung, deren jährlicher Zins am Allerseelentag den Armen im Dorf auszuzahlen war. Wie viele andere Stiftungen ist auch diese wohl inzwischen längst „da Bach naa“. Die Speth zu Sulzburg tragen ihren Beinamen nach einem gleichnamigen Ort in der Nähe von Kirchheim / Teck, wo sie ein Gut besaßen. Es gab mehrere Zweige der Großfamilie Speth, deshalb führte man solche geographischen Unterscheidungsmerkmale ein.