RISSTISSEN / EHINGEN (vf) – Uns Schwaben wird manchmal mangelnde Weitläufigkeit vorgehalten; von der neuen VHS-Mitarbeiterin Benedicta Walser lässt sich das schlecht behaupten. Auf Nachfrage erfuhren wir von ihr, dass sie ein Dreivierteljahr das Auf-und-Ab an der New Yorker „Met“ (Metropolitan Opera) beobachtet hat, dass sie zwei Jahre in Buenos Aires bei einer Zeitung arbeitete-als Rißtissener Landwirtstochter, die in ihrer Kindheit und Jugend beim Misten und Heuen geholfen hat.
Als biederer Schwabe fragt man aber auch: Woher kommt das Geld für einen solch langen New-York-Aufenthalt? Schließlich wird man an der Met nicht gleich Geld verdienen, zumal, „wenn man weder Sänger noch Instrumentalist ist. – Die bescheidene Antwort: „Ich habe an meinem Studienort München fest auf dem Oktoberfest gejobbt, dann konnte ich solch eine Reise wagen.“
Benedicta Walser wurde im September 67 geboren und wuchs als eines von sieben Kindern auf einem Rißtissener Bauernhof auf, der heute wie viele andere nicht mehr besteht; der Vater starb, als Benedicta 13 Jahre alt war. In Ehingen besuchte sie das Gymnasium und legte 1987 das Abitur ab. Wer selbst früher mal das Ehinger Gymmi besuchte, kannte nachempfinden, dass B. Walser auf die Frage nach einem beeindruckenden Lehrer Xaver Maichle nennt. Der äußerte im (Latein-, Geschichte-, Griechisch-oder Deutsch-)Unterricht auch philosophische und theologische Überlegungen; man spürte, dass ihm solche Fragen und Probleme nahe gehen. – Auch Benedicta Walser fühlte und dachte nach dem Abi, es sei angebracht, über unser Dasein grundsätzlich nachzudenken: Sie entschied sich tapfer zu dem in langfristiger Perspektive ja eher brotlosen Studium der Philosophie; Neigung war neben Psychologie ihr drittes Studienfach: Theaterwissenschaft; in Ehingen hatte sie schon mal bei einer Theater-AG mitgemacht. In Sachen „Theater“ unterbrach sie ihr Studium in München für zwei längere „Hospitanzen“: für eine viermonatige Regieassistenz am Berliner „Theater der Altstadt“ und für ein Dreivierteljahr an der „Met“ in New York. Sie konnte dort Tag und Nacht das Auf-und-Ab in einem der größten Opernhäuser der Welt miterleben. Weil sie bei der Organisation von Besuchergruppen half, erhielt sie die fürstliche Gage von hundert Dollar im Monat.

1997 schloss sie ihr Philosophiestudium mit der Magister- Arbeit und -Prüfung ab. In ihrer Magisterarbeit befasste sie sich mit Fragen des richtigen Handelns („Ethik“) und der Frage, ob Ethik-Erkenntnisse in einer so verschiedenförmigen Welt wie der unseren verallgemeinerbar sind; sie basierte ihre Überlegungen auf dem damals recht frisch erschienenen Buch eines Philosophen und Weltanschauungshistorikers: Charles Taylor, „Quelle des Selbst – Die Entstehung der neuzeitlichen Identität“ (1994). Mit Philosophieren können nur wenige Leute Geld verdienen. B. Walser gehörte nicht dazu. Nach der Prüfung war also erst mal Jobben angesagt: Ein Jahr lang arbeitete B. Walser in einer Münchner Firma für den Vertrieb von Filmrechten. – So schnell ins reguläre bürgerliche Erwerbsleben wollte unsere Gesprächspartnerin dann – doch nicht abdriften. Sie flog für zwei Jahre nach Argentinien. Bei einer deutschsprachigen Zeitung der Hauptstadt, dem „Argentinischen Tageblatt“, konnte sie ihre Brötchen verdienen und nebenbei ihren Interessen nachgehen: Spanisch lernen und richtigen (argentinischen) Tango tanzen lernen. Man sieht: Philosophinnen müssen nicht nur hinter Büchern kleben. Sport aller Art habe sie schon immer gern gemacht, meint unsere Gesprächspartnerin, und insbesondere habe sie gern getanzt und ganz besonders Tango. – „Was ist da so Tolles dran?“ – Die Antwort: Der Tango in seinem Ursprungsland ist ein ständiges Improvisieren; der Rhythmus dabei, der Moment des gemeinsamen Tanzens (vermutlich mit einem Mann; hier fragten wir nicht nach) und das ständige Entwickeln anderer Figuren, Schritte, Bewegungen – das macht großen Spaß.
Wenn’s um Tango geht, kommt unsere Gesprächspartnerin richtig in Fahrt; sie nehme gern an auf Tango spezialisierten Tanzveranstaltungen teil, soweit ihr der Beruf und ihr zweijähriger Sohn Zeit lassen; Tango-Tänzerinnen und -Tänzer bildeten geradezu eine „Szene“, erzählt sie, eine wachsende zudem. Im beginnenden VHS-Programm erteilt sie einen Kurs im improvisationsintensiven (eben dem „argentinischen“) Tango (vf meint: wohl nix für den durchschnittlichen Disco-Tänzer). Neben dem Tango-Tanzen begeistert sich B. Walser in der Freizeit fürs Theater, vor allem für die Oper. Was meint sie zum Opern-Betrieb an der Met: „Leider wenig Neues, es gibt Inszenierungen, die über Jahrzehnte hin gleich bleiben. Und es wird wenig moderne Oper geboten.“