13.12.2002 | Ein Deutschlehrer erinnert

EHINGEN Die Ehinger SZ berichtete am 6. Dezember über die literarischen Erfolge des aus Öpfingen stammenden Autors Andreas Eschbach. In den Angaben zur Person war eine Erinnerung Eschbachs an seine Ehinger Gymnasialzeit wiedergegeben. Der Steppke und Aufsatzschreiber Andreas fühlte sich damals als Schüler nicht genügend gefördert durch seinen damaligen Deutschlehrer. Einer seiner Deutschlehrer, Hermann Schmid, las jetzt in der Ehinger SZ diesen Erinnerungstext und schrieb einen Brief an den Ehinger SZ-Mitarbeiter vf, der diesem beim Lesen echt Spaß machte und den abzudrucken ihm der Verfasser H. Schmid auf Nachfrage erlaubte. Das geschieht hiermit.

Prolog (sinngemäß aus Max Frischs „Tagebuch 1946- 1949“): Eine Lehrerin sagte zu meiner Mutter, sie werde nie stricken lernen. Meine Mutter erzählte uns jenen Ausspruch oft; sie hat ihn nie vergessen, nie verziehen; aber sie ist eine leidenschaftliche Strickerin geworden. Ich sage heute: Alle Strümpfe und Mützen, die Handschuhe, die Pullover, die ich je bekommen habe, am Ende verdanke ich sie allein jenem ärgerlichen Orakel!…“

Zitat aus: Veit Feger, „Andreas Eschbach veröffentlicht seinen ersten Roman – weitere folgen“, Schwäbische Zeitung, 7.9.1995: „Als 13-jähriger schrieb er am Ehinger Gymmi Science-Fiction-Geschichten für die Kumpels, zum Missfallen des Deutschlehrers, […] mit 13 begann er, selber erste Science-Fiction-Geschichten zu schreiben. Die kursierten dann in der Schulklasse. Einmal wurden sie dort vom Deutschlehrer beschlagnahmt, der sie ihm anderntags wortlos, ohne jeden Kommentar, zurückgab.“

Aus: Anne Hagenmeyer, „Vom Ehinger Gymmi zum Erfolgsautor“, Schwäbische Zeitung, 6. 12. 2002:

„Auf Eschbachs Internet-,Seite‘ findet sich die Rubrik , Erinnerungen’. Dort beschreibt er, wie ein Deutschlehrer ihm eines Tages ein Manuskript abnahm und Tage später mit einem verächtlichen ,Na ja’ wieder auf den Tisch legte. – Eschbach schreibt seit seinem zwölften Lebensjahr Geschichten; heute meint er rückblickend, es wäre die Aufgabe des Deutschlehrers gewesen, ihm beim Schreiben zu helfen. […] Trotz der mangelnden Unterstützung in der Schule ist Andreas Eschbach ich an einen potentiellen Schüler ist Eschbach beim Schreiben geblieben.“

Ein Ehinger Deutschlehrer bekommt heute, wie damals der Schüler Andreas Eschbach, ein mulmiges Gefühl – dieser Deutschlehrer könnte doch nicht etwa er selbst gewesen sein? Er weiß, dass er dereinst Andreas Eschbach als Schüler hatte. Er eilt in sein Arbeitszimmer und sucht unter inzwischen über 30 Lehrerkalendern mit den Noten die entsprechenden Bände heraus – und tatsächlich: Andreas Eschbach musste von Klasse 11 bis zum Abitur seinen Deutschunterricht ertragen!

Der Deutschlehrer erinnert sich, einmal von Andreas Eschbach einen Text gelesen zu haben, und erinnert sich auch, dass er diesen damals tatsächlich nicht besonders gut fand, was natürlich auch eine Geschmacksache ist – Science-Fiction allgemein muss nicht jedermanns Geschmack sein! Wenn Andreas Eschbach diesen Text noch hat, findet er ihn vielleicht inzwischen auch nicht mehr so genial.

Was dem Deutschlehrer nun Sorgen macht, ist seine mangelnde Erinnerung, auf welche Art er den Text zurückgegeben hat – „wortlos“ oder mit einem „verächtlichen ,Na ja’ „ (siehe oben)!? Wenn tatsächlich die neuere Version, die zweite, stimmen sollte, möchte ich um Entschuldigung bitten – und auf Max Frisch verweisen: Wenn meine Handlungsweise bei Andreas Eschbach die Reaktion hervorrief: „Dem zeig ich‘s aber!“, dann ist dies ja ein Ansporn zum Schreiben gewesen – und ein effektiver!

Ich weiß aus eigener Schülererfahrung, dass Lehrerworte verletzen können (wobei Ironie auch die verzweifelte Waffe eines Lehrers gegen Schülerverhalten sein kann!), aber vielleicht sollte man nach mehr als 24 Jahren eine frustrierende Erfahrung verarbeitet haben.

Vielleicht sollte sich Andreas Eschbach klar machen, dass Science-Fiction-Literatur im Deutschunterricht der Oberstufe – zumindest damals – keinen großen Stellenwert hatte und der Deutschlehrer insofern nicht unbedingt zuständig war für die Schreibversuche eines Schülers. Ich kann mich auch, nicht erinnern, dass Andreas Eschbach zu erkennen gab, dass er zum Schreiben seiner Texte der Hilfe des Deutschlehrers bedurfte. Es ist mir deshalb nicht ganz klar, weshalb diese Klage heute noch im Internet und in der Zeitung verbreitet werden muss.                      

Bei der Beurteilung der schriftstellerischen Versuche von Andreas Eschbach mag ich mich getäuscht haben – er kann sich aber nicht beklagen, in seinen Schülerleistungen von mir ungerecht behandelt worden zu sein! In meinen Notenbüchlein steht für die Jahre 1976 bis 1978 jeweils die Note 2, der Abitursaufsatz wurde mit 1,5 bewertet – kein Grund also, Vorurteile über Lehrer zu verbreiten!

Epilog I Vielleicht wird Andreas Eschbach versöhnlich gestimmt, wenn er weiß, dass sein früherer Deutschlehrer inzwischen seine Bücher kauft und liest und sein Jesus-Video“ im Fernsehen anschaut. – Und: Ich besitze heute noch eines der 30 Exemplare seines Erstlings „Die Adler sind gelandet“ – von ihm handsigniert! – Ist das nicht ein Grund, die unselige „Ehinger Deutschstunde“ endlich in etwas gnädigere Gefilde der Erinnerung aufgehen zu lassen? – Ich lade Andreas Eschbach ein, zu einer Lesung in seine frühere Schule zu kommen – dann gibt es hoffentlich einen verzeihenden und versöhnlichen Handschlag!                                 Hermann Schmid