24.11.2001 | Teil II – Erinnerungen an eine andere Lebensform

(vf) Der aus Altbierlingen stammende Benediktinerpater und Pfarrer Michael Braig war im 19. Jahrhundert einer der letzten, die nach der Aufhebung des Klosters Wiblingen noch lebten. Er verfasste kurz vor seinem Tod eine Geschichte des siebenhundert Jahre bestehenden Klosters. Gestern veröffentlichte die Ehinger SZ den ersten Teil einer Besprechung, heute folgt Teil II. Erinnert wird hier an einige bemerkenswerte Klostermänner aus unserem Raum, die zur Zeit der Klosteraufhebung Anfang des 19. Jahrhunderts lebten. Und ein bisschen Kritik wird angefügt.

Pater Modest Häufele war als Mitglied des Klosters Professor an der Universität Freiburg und am Ehinger Gymnasium Lehrer der Physik. – Ein weiterer Wiblinger Mönch war zunächst Lehrer der Rede- und Dichtkunst am Ehinger Gymnasium und ab 1812 Kaplan in Unterstadion, „woselbst er 1817 vom Schlagflusse getroffen und in Oberstadion begraben wurde“.

Sebastian Henle aus Rißtissen war der letzte Novizenmeister des Klosters. Ebenfalls aus Rißtissen stammte Pater Pius Rieger (geb. 1780). In seinem vergleichsweise kurzen Leben unterrichtete er am Ehinger Gymnasium, an der Universität Salzburg und dann an der Universität Krakau. In der polnischen Stadt Bochnia gründete er ein Gymnasium, war dort Stadtpfarrer und Dekan und starb „vom Schlage getroffen“ 1830.

Pater Heinrich Enderle stammte aus Donaurieden, flüchtete wie zahlreiche seiner Ordensbrüder nach der Klosterauflösung zunächst in den damals habsburgischen Teil Polens, wurde später Novizenmeister des Schottenstifts in Wien und starb 46-jährig als Pfarrer, von St. Ulrich in Wien.

Pater Cölestin Keppler, geboren 1784 in Munderkingen, wurde nach der Vertreibung aus Wiblingen und einer Zwischenstation in Polen Theologie-Professor im österreichischen Benediktinerkloster Admont und dann an der Universität Wien.

Das Ortsregister

Die Wichtigkeit der Neuerscheinung für das Erscheinungsgebiet der Ehinger Schwäbischen Zeitung ergibt sich auch aus dem Aufweis von Orten unseres Raums im Register der Buchs: Da werden folgende Orte aufgeführt: Altbierlingen, Donaurieden, Ehingen (26x), Kirchbierlingen (3x), Laupheim (9x), Munderkingen (3x), Oberdischingen, Obermarchtal (7x), Oberstadion, Öpfingen, Pfraunstetten, Rißtissen (3x), Schelklingen, Steußlingen, Unterstadion, Urspring (6x),

Ein bisschen Kritik: So verdienstvoll die Herausgabe des Buchs ist, so schön der „Satz“ und die Seitengestaltung, so schön die Bebilderung, so klug die Entscheidung, eine heute lesbare Type zu verwenden und die Orthographie der heutigen Rechtschreibung {vor der sogenannten Reform) anzupassen, so hätte doch (gerade angesichts des Aufwands an geistiger und technischer Arbeit und Geld) etwas zur leichteren Lesbarkeit des Buchs auch für N i c h t-Lateiner und N i c h t-Historiker getan werden können: durch die Übersetzung von lateinischen Sätzen und die Erläuterung von Fachausdrücken historischer, religiöser und kirchengeschichtlicher Art. Welcher heutige Leser weiß schon, was das Wort „Vorsicht“ in folgendem Satz bedeutet: „Die Mönche mussten sich von den Almosen der durch die Vorsicht zugeführten gutherzigen Menschen ernähren“ (S. 242). Vorsicht“ bedeutet hier Vorsehung. Und selbst dieser Ausdruck wird vielen Jüngeren heute nicht mehr verständlich sein („Vorsehung“ ist, was Gott für uns vorsieht). Der Verfasser dieser Zeilen kann sich vorstellen, dass aufmerksame Zeitgenossen weitere Erkenntnisse bei der Lektüre gewinnen und weitergeben, damit ein im Jahre 2201 erfolgender Nachdruck diese Erläuterungen den d a n n zu erhoffenden Leser vorweist. Vf beispielsweise nimmt an, dass Braigs Ortsangabe „Haignen“ unser „Hayingen“ meint. Dabei ist bereits bewundernswert viel bei der Lösung der Aufgabe geleistet, Ortsnamen, die vor 160 Jahren ziemlich anders geschrieben oder genannt wurden, zu übersetzen (Kostpröbchen: „Ydelhausen“ bei Braig ist heute  Jedelhausen“, Edungsheim ist Hüttisheim, Aindirnen ist Eintürnen, Alschhausen ist Altshausen, Altdorf ist Weingarten, Brenzenhausen ist Anhausen an der. Brenz, Ay ist Senden, Fredenegg ist ein Stadtteil von Senden).

Zum Foto: Etwas besonders Schönes in dem Neudruck sind die siebzig wenig bekannten Kupferstiche in Schabkunstmanier, aus dem Jahr 1702, entnommen einem damals erschienen Geschichtsbuch des Klosters, in Augsburg durch Pater Meinrad Heuchlinger veröffentlicht. Zu sehen sind hier idealisierte Köpfe und Körper (nie Beine und Füße) von Mönchen des Klosters. Diese. Männer sind nach einem einheitlichen Ideal gezeichnet: lauter freundliche, bescheidene, in Gebet, Lektüre oder Schreiben vertiefte, lehrende, segnende oder der von oben kommenden Inspiration zuhörende Männer, einige zu zweit: gesprächsweise einander freundlich zugewandt. Die lateinischen Unterzeilen der Erstveröffentlichung sind jeweils von Verleger Konrad, Weißenhorn, übersetzt. Zur Illustration des Zeitungstextes haben wir die beiden Klosterbrüder Bartholomäus Stör und Simon Geiger ausgewählt

23.11.2001 | Teil I – Erinnerungen an eine andere Lebensform

(vf) – Gefördert von der Sparkasse, der OEW und dem Alb-Donau-Kreis wurde jetzt erstmals seit 167 Jahren ein Buch über die Geschieht« des einstigen Klosters Wiblingen verfasst von einem Ex-Mönch aus Altbierlingen nochmals aufgelegt Zuvor gab es nur noch wenig« Exemplare des Buchs. – Die Ehinger SZ hat auf die Neuerscheinung und auf den Autor dieser Klostergeschichte bereits hingewiesen, hier nun einiges zum Inhalt und „Geist’ des Buchs und zu Bezügen in der Raum. Ehingen.

Dass die Existenz des Klosters Anfang des 19. Jahrhunderts mit organisierter (staatlicher) Gewalt nach über sieben hundert Jahren Bestehen beendet wurde und dass die bisher wichtigste Darstellung der Klostergeschichte kaum zugänglich war, hatte beispielsweise zur Folge, dass eine ganze Reihe bedeutender Ordensmänner und Theologen aus Dörfern und Städten des Raums Ehingen aus dem öffentlichen Gedächtnis schwanden. So ist ein feiner Nebeneffekt der Neuauflage, dass wir jetzt wieder auf einige bemerkenswerte Leute aufmerksam werden. Ihre Hauptthemen waren freilich die Theologie und Erkenntnisse über ein christlich geführtes Leben {die sogenannte As2etik), ihre Bücher werden also heute kaum noch jemanden interessieren, trotzdem wissen wir jetzt endlich wieder, dass noch ein paar mehr ‘gscheide Leit’ aus unserer Ecke stammen. Der Nachdruck ist aber aus anderem Grund wichtiger. Er schildert uns in einem freundlichen, liebenswürdigen (zu seiner Entstehungszeit, dem Biedermeier) passenden Ton die Geschichte einer für die Region wirtschaftlich, künstlerisch, karitativ und ethisch   bedeutenden Einrichtung.

Dieser T o n vor allem lässt das Kloster auch einem von solchen Einrichtungen distanzierten Zeitgenossen sympathisch erscheinen. Der Verfasser dieser Klostergeschichte, Pater und Pfarrer Michael Braig, hat uns ein • für ihn wohl charakteristisches – Selbstbildnis in Form eines Schattenrisses mit Umgebungszeichnung hinterlassen, ein Bildchen, das den Geist, in dem das Buch geschrieben wurde, nachempfinden lässt: Da sitzt der Autor in einem einfachst eingerichteten Zimmer an einem Schreibtisch, in einfacher Kleidung, mit einem reservierten Stolz allenfalls auf eigene Bildung, ein Buch auf dem Tisch, eins in der Hand, ein Wappenbild an der Wand. – Diesen hier nachempfindbaren Geist atmet eigentlich das ganze Buch. Immer wieder liest man von Unrecht, das dem Kloster und seinen Mönchen angetan wurde, von Krankheiten, an denen die Mönche und die Menschen der Umgebung, die zum Kloster gehörten, starben, an vielfachen Besteuerungen, bis zur Hungersnot, aber das alles wird in einem Geist der Mäßigung dargestellt, in einem ruhigen Ton, den man wohl dem klösterlichen Charakter-Ideal zuschreiben darf, einer Lebensform, die man heute bei uns kaum noch als stilbildend erlebt (wir schauen uns Videos aus tibetanischen Klöstern an).

Ein feierlicher Nachruf

Braig zeigt sich in der Einleitung und im Schlusskapitel seines Buchs von dem Geist des Klosters gerührt und drückt das in folgenden Worten in spürbar feierlichem Ton aus: So erlosch „das uralte Stift Wiblingen, welches beinahe siebenhundertunddreizehn Jahre bestanden und während dieses Zeitraumes getreuest das seinige zum Wachstume der Religion und der guten Sitten beigetragen, sich jedem Irrtume und Sittenverderbnisse nach Kräften widersetzt.

gegen Monarchen und Vaterland seine obhabende Pflichten nach Möglichkeit erfüllt, die Wissenschaften, Verstandes- und Landeskultur befördert, der Jugend wissenschaftlichen und religiösen Unterricht mit großen Aufopferungen und Anstrengungen erteilet, die Künste geschätzet, den Handwerkern und Taglöhnern stets Brot verschafft, für die Armen durch Austeilung eines wöchentlichen Brotes und Geldes so hinlänglich gesorget, dass sie sich nebst einiger Handarbeit leicht hätten ernähren können, und zum Betteln nie wären gezwungen worden, wenn nicht Mutwillen sie hierzu angetrieben hätte und dann auch die fremden Hilfsbedürftigen von der Unterstützung nicht ausgeschlossen hat; so, sage ich, so erlosch mit dem uralten Stifte nach seiner Auflösung allmählich auch noch alles das, was Klösterliches an ihm zu erblicken war und entfernt werden konnte; womit der Nachwelt alles das entzogen wurde, was ein Kloster stets zum Besten der Religion und des Vaterlandes getan und beim ferneren Fortbestehen noch weiter hätte tun und
leisten können.“

Jubiläum „Säkularisation“

Dem Landrat des Alb-Donau-Kreises, Dr. Wolfgang Schürle, einem geschichtlich gebildeten Mann, kommt das Verdienst zu, für einen Neudruck des bisher sehr seltenen Buchs gesorgt zu haben. Bei der Lektüre von Schürles Nachworts gewinnt man den Eindruck, er sehe das jetzt vorliegende Buch als einen Beitrag zu dem heranstehenden eigenartigen Jubiläum „200 Jahre Säkularisation“ an; Schürle: „An diese Zeit des Umbruchs wird in den kommenden Jahren 2002/03 vielerorts mit Ausstellungen, Vorträgen und Publikationen erinnert werden. Vor allem die große Ausstellung des Landes Baden-Württemberg im ehemaligen Prämonstratenserstift in Schussenried wird das Interesse vieler Menschen wecken.’ – Was war die „Säkularisation“? – ein Unrecht, das massenhaft von deutschen Regierungen   begangen   wurde, staatlich durchgeführter Raub so gut wie die sogenannte Arisierung, von der in Deutschland ja ebenfalls noch immer wenig (und wenn, dann ungenau und unter Verwendung des verschleiernden NS-Ausdrucks geredet und geschrieben wird (Die Änderung der Besitzverhältnisse war übrigens beide Male mit einer geistigen Verarmung verknüpft).

Der Verfasser meint, dass das Wichtigste an diesem Neudruck nicht die Erinnerung an ein eigenartiges Jubiläum ist, sondern die Gelegenheit, uns erneut mit einer geistigen und Lebenshaltung vertraut zu machen, die zwar um den Wert des Materiellen wusste, aber dieses Materielle nur als Bedingung sah für caritatives Handeln, für geistige Arbeit, für das Erzeugen von Schönem, für die Pflege der Erinnerung an vergangene Leistungen, auch dafür, andere „ins Brot zu setzen“ (heute heißt das ‘Arbeitsbeschaffung“).

Wenn man die Geschichte des Klosters Wiblingen und seiner zugehörigen Besitztümer liest, gewinnt man immer wieder den Eindruck, dass der Staat und andere, auch kleinere Ausbeuter) Das Geld nur dort holen können (und holten), wo eines ist („Ma hollet’s bei de Leabige,“ sagte die Mutter des Zeitungsmachers vi Und Klöster waren keine international tätigen Konzerne, die ihre Gewinne in anderen Ländern vervespern konnten, um nicht im Staat oder wem auch sonst zur Kasse gebeten zu werden). Dieses Holen, wo etwas ist“, geschah in Form von Steuern („Kontributionen“) ebenso wie von Brandschatzungen und zum Schluss und am effektivsten durch die sogenannte Säkularisation, in mehreren Schritten seitens badischer, bayerischer und zum Schluss Württembergs scher Landesherren. – Zur Enteignung gehörte auch die entsprechende „Sprachregelung“: So durfte nach dem Ende des Klosters Wiblingen und seiner Umwandlung in ein Schloss der Württembergischen Königsfamilie niemand hierherum bei Strafe das Wort „Kloster Wiblingen“ in den Mund nehmen; man durfte nur noch vom „Schloss Wiblingen“ reden. – Es verwundert daher, dass Braigs Geschichtsbuch bereits drei Jahrzehnte nach Klosterende in einem Verlag in Württemberg erschien, „mit König! Würtemb. Censur-Bewilligung“. Vermutlich gab es damals bereits kaum mehr jemanden, der die Interessen der Mönche vertrat. Die hatten ja auch keine leiblichen Erben.

„Die erste Geschichte eines oberschwäbischen Klosters nach der Säkularisation“, so Archivar Dr. Stefan J. Dietrich in dem Neudruck, erschien 1829 anonym und im bayerischen Ottobeuren, es handelte sich um eine Geschichte des Reichsstifts Ochsenhausen. Sie war wie die kurz darauf erscheinenden Historien der Klöster Wiblingen und Marchtal durch Geistliche verfasst, die noch die letzten Jahre der Klöster als Mönche miterlebt hatten und die bald nach der Drucklegung ihrer Bücher (oder sogar, wie Braig, kurz davor) starben. „Wiblingen“ erschien 1834, „Marchtal“, aus der Feder des letzten Abts und damaligen Kirchbierlinger Pfarrers Friedrich Walter im Jahr 1835 (im Verlag Feger in Ehingen). Die Klostergeschichte von 1834 enthalt auch ein „Verzeichnis der zur Zeit der Verweltlichung (27. März 1806) des Stiftes Wiblingen zu demselben! gehörenden   lebenden Religiösen] nebst ihrer kurzen Biographie“. Wir verweisen hier auf einige dieser Mönche, die mit dem Raum Ehingen zu tun hatten oder aus ihm stammten: Ulrich Keck war Direktor des von Zwiefalter Benediktinern gegründeten und zuletzt von Wiblinger Benediktinern geführten Ehinger Gymnasiums. Er war zugleich letzter Abt von Wiblingen. Keck war auch zeitweilig Präses der damaligen Benediktineruniversität Salzburg. Er starb – nach zwei überstandenen Vertreibungen – als Kanonikus der Kathedralkirche im ungarischen Großwardein (heute Varadin).

Zum Foto: Dieser Schattenriss des Mönchs, späteren lllerrieder Dorfpfarrers und Autors Michael Braig wurde von diesem selbst in seiner Pfarrerzeit angefertigt. Braig trägt ein Käppchen, wie es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gern ältere Herrn, vor allem Geistliche, trugen und wie wir es auch von Darstellungen seines Zeitgenossen Christoph von Schmid, vormals Pfarrer in Oberstadion, kennen. Das Wappen an der Wand wurde von Braig selbst spielerisch erfunden, es weist eine Schere auf, als Hinweis darauf, dass sein Vater in Altbierlingen Schneider war, und einen Kolben als Hinweis darauf, dass seine Mutter eine geborene Kolb war. Zum „Geist“ dieses Schattenrisses siehe nebenstehenden!

12.11.2001 | Fragen an die Buchverkäufer

ALLMENDINGEN (vf) – Die Mehrzweckhalle der Gemeinde war am Samstag für Büchernarren jeder Art (und so auch für den Verfasser dieser Zeilen) das wahre Mekka, vf befragte für diesmal einige Anbieter direkt zur Person. Die Lebensläufe sind sehr verschieden.

 A. B. ist Buchhändlerin aus dem Raum Ehingen, die dringend einer Aufbesserung ihrer Kasse bedarf und sich deshalb von einigem ihr Liebgewordenen trennt. – C. D. aus München war früher Bürokaufmann, dann drei Jahre selbständig als Händler für Kindergartenbedarf; seine Firma in München ging pleite, weil es weit größere und billigere Anbieter gab. Einen Job in seinem Beruf findet er nicht mehr; dazu ist er zu alt. Nun vertreibt er Nachlässe oder. Bücher, die altgewordene Büchernarren nicht mehr lesen können; er teilt sich den Gewinn mit seinen Lieferanten. – Wenn er die vielen Bananenkisten voller Bücher in die Halle geschleppt hat und nachmittags wieder ‘raus, tun ihm alle Knochen weh. Da hilft dann erst abends nach der Rückfahrt ein warmes Bad.  – E. F. führt in Tübingen ein Antiquariat, verlängert seine reguläre Arbeit also aus dem Alltag auf den Samstag; das oberschwäbische Ummendorf ist seine Heimat. – G. H. aus Pforzheim ist ebenfalls im Alltag Antiquar, hat aber schon eine bewegte Berufsvergangenheit.

Bücher, Bücher, Bücher – für Büchernarren am Samstag ein Vorgeschmack aufs Paradies – oder dieses selbst? Foto: vf

G.H. war fünfzehn Jahre lang Heilerzieher und Lehrer schwererziehbarer Kinder und ging zum Schluss „auf dem Zahnfleisch“. Er konnte sich das nicht mehr zumuten und machte sein Hobby zum Beruf, auch wenn er jetzt nicht mehr so gut sozial abgesichert ist wie früher.  – E. F. stammt ebenfalls aus Pforzheim. Er stellt im bürgerlichen Beruf Schmuck her. Früher sammelte er in der Freizeit Bücher. Inzwischen hat er sich auf ein neues Sammelgebiet verlegt, er sammelt Pressendrucke, das heißt bibliophile, schön hergestellte Bücher (meist in kleiner Auflage) aus den 50er und 60er Jahren. – Vielleicht wird er diese ein andermal in Allmendingen anbieten; er war schon mehrfach hier.

G. H. und I. K. sind Lehrer, der eine in Urspring, der andere in Ehingen. Beide haben einfach keinen Platz mehr in der Wohnung für Bücher; I. K. meint: „Meine Bücher sind unwürdig untergebracht.“ – vf erwirbt bei ihm für zehn Märker eine Selberlebensbeschreibung des französischen Komponisten Hector Berlioz. – G. H. bietet für zehn Mark drei dicke Bände Karl Kraus an. Warum? – Er besitzt ein Reprint der gesamten Kraus-Zeitschrift „Die Fackel“.

L. M. ist eine ältliche, streng dreinblickende Frau, die von ihr selbst gesammelte Kinderbücher anbietet, vor allem Bücher für Jungens; die sind ihr nicht so wichtig wie die für Mädchen. Hier handelt es sich vielleicht um eine Feministin. Wer suchte, konnte finden, und zwar billig,

vf flippte schier aus, als er die früher für ihn viel zu teuren Bände der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft das Stück für 10 Mark entdeckte. Natürlich gab es auch andere Raritäten, zum Beispiel einen „hand­gemachten“ Porno aus den 50er Jahren (dessen Einzigartigkeit dem Verkäufer gar nicht klar war) oder großformatige, farbige japanische Holzschnitte etc.  –  Mitglieder des Allmendinger Gewerbevereins sorgten dafür, dass keiner hungern musste. Auch hier waren die Preise „zivil“.

Anne Hagenmeyer aus Ehingen erweiterte das Buchangebot in Allmendingen am Samstag auf besondere Art: Sie stellte sich als Repräsentantin eines Berliner Verlags vor, der – wohl vor allem älteren – Menschen anbietet, ihre Erinnerungen in eine passende Form, am besten als Buch, zu bringen und dann zu veröffentlichen. Wer sich beim Verfassen seiner Lebenserinnerungen also helfen lassen möchte, kann dies ab sofort bei A. Hagenmeyer tun. Foto: vf

02.11.2001 | Ehinger freuen sich mit Albin Beck über sein neues Buch

EHINGEN (vf) – Dass „normale Leit en Ehgna da Albin meget“, sah man am Mittwochabend in der Schalterhalle der Raiffeisenbank: Gegen zweihundert Personen fanden sich zur Vorstellung eines weiteren Mundartbuchs aus der Feder des früheren Raiba-Chefs Albin Beck ein.

Dass „normale Leit“ den Ruheständler aus der Jahnstraße „meget“, wird seinen Grund wohl darin haben, dass er trotz Erfolgen als Bänker und inzwischen auch als Schriftsteller keinen Grattl entwickelt hat, dass er weder durch Trendsport, noch Auto-Typ noch Wohnhaus-Form oder Gestik seine Besonderheit zeigen will.

Ein Teil des literarischen Erfolgs von Albin Beck verdankt sich wohl auch dem Umstand, dass er in seinen Texten gern den Grattl seiner Zeitgenossen, den der gebüldeten wie den der Wenigergebüldeten, aufs Korn nimmt. Das tat er auch am Mittwoch mit von ihm vorgetragenen Texten: Er amüsierte sich da über die neue Wertschätzung des Mosts, eine Wertschätzung, die früher, als jeder Bauer mostete, noch nicht üblich war.

Bankvorstand Fritz Lehmann leitete den Buchpräsentations-Abend ein und betonte die Weitläufigkeit der Ehinger Raiba: Sie werbe nicht nur für schwäbische Texte ihres früheren Chefs; sie lasse auch, wie an diesem Abend, chinesische Musiker spielen (das Trio HuangDi interpretierte drei Sätze aus Beethoven-Kompositionen). Lehmann schloss sein Grußwort mit dem schönen Goethe-Satz, die Welt biete uns viel Zerstreuung; wir aber sollten lesen, um uns zu sammeln (vf meint: 0 Maale, wenn‘s no oft so wär‘).

 Marlies Grötzinger, Pressereferentin bei der Biberacher Landkreisverwaltung und selbst literarisch interessiert, war von Beck um eine Ansprache gebeten worden, so erzählte sie jetzt, und sie habe sich, entsprechend dem Titel der Neuerscheinung („Ma muss au Ja saga könna“), dieser Bitte nicht versagt. Sie äußerte dann nur Lobendes über Becks Texte. Die Zuhörer erfuhren, dass Beck nicht nur schwäbischeGeschichten, sondern auch hochdeutsche Gedichte verfasst (die bisher nicht veröffentlicht sind) und dass die literarische Laufbahn des 66-Jährigen vor zehn Jahren mit einem schwäbischen Text in der Wochenendbeilage der Schwäbischen Zeitung begann.

Albin Beck selbst erzählte, er habe eigentlich gar keine weiteren Bücher veröffentlichen wollen, sei aber nun doch froh über das Erscheinen eines dritten Bandes, weil die gerade genannte Wochenendbeilage keine schwäbischen Texte mehr veröffentliche. Er trug dann drei von den dreißig neuen Gschichtla seines dritten Buchs vor. Alle drei Bücher enthalten  kuriose Alltagsgeschichten, alle neunzig, so der Autor, beruhten auf wahren Begebenheiten.

In den drei vorgetragenen Texten ging es ums Mosten, dann um Silikon, das manche Frauenkörper schöner macht, aber die Frage aufwirft, ob das Silikon nun ein Teil des Körpers oder nur ein technisches Hilfsmittel ist, und dann eine Geschichte über die angebliche Gefährlichkeit von Mikrowellenherden. Da ‘Nochbers Katz’ 17 Jahre lang das Garen des Familienbratens vor dem Herd-Fenster sitzend beobachtet habe, könne es mit der Gefahr nicht so weit her sein. In der Most-Geschichte bekamen auch Zeitungsschreiber ihr Fett ab, als „Rumschmierer“. „Merke!“ (würde Johann Peter Hebel jetzt sagen): Wenn’s nicht gefällt, ist’s ‘rumgeschmiert. Wenn’s der jeweiligen Eitelkeit gefällt, nicht.

Noch ein augenzwinkerndes Bekenntnis aus dem Nähkörbchen Becks: Es sei ihm bisher nicht gelungen, eine heitere Geschichte über die Fasnet zu finden, die Fasnet sei einfach zu ernst.

Der Chef des Tübinger Silberburg-Verlages, Titus Häussermann, nannte die ersten beiden Beck-Bücher die erfolgreichsten Mundartbücher überhaupt; sie erreichten jeweils Auflagen von  über zehntausend Exemplaren; das sei für Mundarttexte mit ihrem begrenzten Verbreitungsgebiet verblüffend viel.

Launig nannte Häussermann als wichtigstes Handwerkszeug eines Verlegers die Peitsche: Mit ihr treibe er gute Autoren zur weiteren Produktion an. Albin Beck habe seiner, Häussermanns, Forderung nach einem weiteren Büchle nachgegeben mit dem Satz „Ma muss au Ja saga könna“. Der Satz lieferte auch gleich den Titel für Beck-Band Nummer 3. –  Häussermann war so souverän, seine wirtschaftliche Situation als Verleger wie ein richtiger kleiner Selbständiger darzustellen, und warb heftig für den Kauf der Neuerscheinung; man solle sich gleich mit zwanzig, dreißig Stück für Weihnachten und etwelche Geschäftsfreunde eindecken. Abschließend servierte die Bank Schmalzbrote und Getränke – leider nicht, wie Fritz Lehmann bedauerte, auch das neue Modegetränk Most.