ALLMENDINGEN (vf) – Eine künstlerische Steinmetzarbeit aus dem 16. Jahrhundert, gut hundert Jahre lang an der Außenseite des Schlosses gewissermaßen als Supraporte (als künstlerischer Schmuck eines Eingangs) verwendet, wurde in den letzten Jahren restauriert und im Inneren des Gebäudes aufgestellt. Jetzt ist der Kaminstein nicht mehr der Witterung ausgesetzt. Die Kaminumrandung erinnert mit 25 Versen auch an die religiöse Gesinnung der damaligen Familie von Freyberg und den von ihr geförderten Reformator C von Schwenckfeld.
Der bearbeitete Stein besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einerseits aus den Wappen der Freiherrn-Familie Freyberg und der adeligen Familie Landschad von Steinach, dazu aus mehreren Strophen, die möglicherweise von dem genannten Reformator herrühren und in denen der adelige Auftraggeber des Bildwerks wohl seine religiöse Überzeugung ausdrückte.
Die Steinmetzarbeit befand sich ursprünglich im einstigen Schloss Justingen. Dieses wurde nach dem Wegzug der Adelsfamilie Mitte des 18. Jahrhunderts an den damals in Talsteußlingen und auf den Lutherischen Bergen regierenden Herzog von Württemberg verkauft. Das Schloss verfiel, zumal für obrigkeitliche Aufgaben das nahe Schloss Talsteußlingen diente, das zuvor schon Verwaltungssitz für die württembergischen Besitzungen auf den “Bergen” war.
1834 verkaufte die württembergische Finanzverwaltung das Schloss an die unterhalb des Schlossbergs im Schmiechtal gelegene Gemeinde Hütten. Die Gebäude wurden in der Folge abgebrochen und das Material teilweise weiterverkauft; so erlöste ein Maurermeister aus dem Verkauf der eisernen Öfen und kupfernen Dachrinnen den größten Teil der Kaufsumme (entnommen aus A. Schilling, Die Reichsherrschaft Justingen).
Freiherr Ernst von Freyberg war einer der Großväter des jetzt in Allmendingen im Ruhestand lebenden Freiherrn Ulrich von Freyberg. Ernst sah sich als junger Mann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Gelände der Justinger Schlossruine um, fand jene hier beschriebene Steinmetzarbeit, an der bis dahin allem nach niemand Interesse gezeigt hatte, ließ sie nach Allmendingen transportieren und dort als Türschmuck aufstellen. Ulrich von Freyberg ließ sie in den letzten Monaten restaurieren und im Inneren des Gebäudes aufstellen.
Die Verse auf dem einst wohl als Kamin-Schmuck dienenden Steinbild werden dem Reformator Schwenckfeld zugeschrieben, der von der freiherrlichen Familie in den damaligen Gütern Justingen und Öpfingen beherbergt und gefördert wurde. Schwenckfeld stammte aus Schlesien, wo er Ende des 15. Jahrhunderts geboren wurde. In der Person Schwenckfelds und in seinem Denken verbinden sich verschiedene reformatorische Anliegen. Wichtig war ihm (und das mag wohl den geringeren Erfolg, verglichen mit Luther, erklären) die Betonung der innerlichen Einstellung und seine Distanz zu aller kirchlichen Bürokratie.
Auf Anregung des früheren evangelischen Pfarrers von Ersingen, Fritz Streitberger, jetzt im Ruhestand in Lichtenstein lebend, bemühte sich vor über einem Jahrzehnt der in Öpfingen wohnende Religionslehrer Teetzen um die Anbringung einer Gedenktafel in Öpfingen zur Erinnerung an den verfolgten und im Öpfinger und Justinger Freyberg-Schloss beschützten Reformator. Der Text auf dem Kaminstein ist in “Die Reichsherrschaft Justingen” von A. Schilling (Stuttgart 1881, Nachdruck Antiquariat Feucht Allmendingen 1983) vollständig wiedergegeben. Er drückt wichtige christliche Glaubensinhalte in Versen aus. Reformatorisch gesinnt ist sicher folgender Vers: “Die Menschheit ist durchs Wort genesen.”


Bild: Der Kamin im Schloss Allmendingen ist aus dem leicht zu bearbeitenden Stubensandstein gefertigt, einer Gesteinsart, wie sie vor allem bei Tübingen-Dettenhausen abgebaut wurde und wird. Im oberen Teil zeigt er die Wappen der Familien Freyberg und Landschad, unten religiös gesinnte Verse, möglicherweise von Schwenckfeld stammend.