EHINGEN (vf) – Seit kurzem gibt es auch in Ehingen eine Zeitarbeitsfirma, eine Filiale der Münchner „H&R-Service Reichlmeier“ mit Räumen im Haus Marktplatz 9. Die SZ unterhielt sich mit Firmenchef Hans Jürgen Reichlmeier, München.
Die erste Frage, die man an einen solche Firma stellt, ist natürlich: Warum eröffnet eine Münchner Zeitarbeitsfirma eine Filiale in Ehingen? – Die Antwort: H&R vermittelt schon seit Anfang der 80er Jahre und in den letzten Jahren zunehmend Arbeitskräfte an Firmen in Oberschwaben, vor allem auch in Ehingen. Für die Betreuung der Arbeitnehmer auf der Lohnliste von H&R ist es von Vorteil, wenn sie eine Anlaufadresse in Arbeitsplatznähe haben, sich also nicht an die Zentrale in München wenden müssen, sondern eben an einen Zuständigen in Ehingen, in diesem Fall an Büroleiter Ingo Radloff. Die Firma H&R vermittelt viele Arbeitskräfte im Bereich Metallbearbeitung. Und Oberschwaben, so Hans Jürgen Reichlmeier, ist eben ein fast klassisches Land metallbearbeitender Betriebe, die bei Produktionsengpässen auf geleaste Arbeitskräfte zurückgreifen wollen oder müssen.
In Oberschwaben vermittelt die Firma H&R vorwiegend Facharbeiter aus den neuen Bundesländern. Insgesamt stehen 120 Personen auf der Lohnliste der Firma; dazu kommen zehn Personen in der Verwaltung, verteilt auf die Zentrale in München, mehrere Regionalbüros in den neuen Bundesländern, auf Nürnberg und auf Ehingen.
Im Durchschnitt wird ein „Leiharbeiter“ etwa ein Dreivierteljahr lang von H&R vermittelt. Dann findet er häufig eine Anstellung an seinem Wohnort, muss dann nicht mehr wie zuvor große Fahrstrecken zwischen Wohn- und Arbeitsort
zurücklegen; oder er findet eine Anstellung im Westen und verlegt auch das „Privatleben“ hierher. Dann verschwindet er im allgemeinen aus der „Pay list“ von H&R, auch wenn die ihn gerne länger beschäftigen würde.
H. Reichlmeier stellt fest, dass für einen Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern die Chance, in seiner Heimat oder in deren Nähe einen (Dauer-)Arbeitsplatz zu finden, deutlich steigt, wenn er eine zeitweilige Tätigkeit in einem Wessi-Betrieb vorweisen kann.
Im Übrigen stellt der Firmenchef seinen Mitarbeitern aus dem „Osten“ der Republik ein gutes Zeugnis aus: Die Lern- und Leistungsbereitschaft sei hoch, höher als bei zahlreichen Wessis. Und Reichlmeier meint auch, dass viele West-Betriebe sehr von diesen „Ost“-Mitarbeitern profitieren. Die deutsche Wirtschaft, so unser Gesprächspartner, hätte sehr große Probleme, wenn sie nicht auf diese deutschsprechenden Fachkräfte aus den neuen Ländern zurückgreifen könnte.
Für arbeitslos gewordene „Ossis“ sei eine vorübergehende Tätigkeit im „Westen“ auch deshalb sinnvoll, weil sie so im Beruf „drinbleiben“. Auch für die Metallbearbeiter gelte, dass der technische Wandel rasch ist und dass längere Phasen der Arbeitslosigkeit die Chance, erneut einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden, mindern. – Ausländische Arbeitskräfte sind unter den Beschäftigten der Firma in verschwindend geringer Zahl, weil die Hürde, eine deutsche Arbeitserlaubnis zu erhalten, hoch ist.
Vor der „Wende“ suchte Reichlmeier seine zu vermittelnden Facharbeiter vor allem im Fränkischen; in Nürnberg war deshalb früher auch der Firmensitz. In Franken gab es einen „Überschuss“ an qualifizierten Kräften, die H&R dann in andere Regionen der Republik, auch damals schon unter anderem nach Oberschwaben, vermittelte. H. Reichlmeier, 59 Jahre, stammt aus München, dort ist er in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen. Er lernte selbst den Beruf des Maschinenschlossers und bildete sich dann zum Techniker und zum Meister (1972) weiter. Nach einer kurzen Tätigkeit in einer Zeitarbeitsfirma machte er sich mit einem Compagnon 1978 selbstständig. Bedingt durch den beruflichen Werdegang Reichlmeiers spezialisierte sich die Firma auf Metallbearbeiter. In begrenzten Umfang werden auch andere Berufe vermittelt, aber kaum Führungskräfte. Das ist dem Firmenchef eine Nummer zu groß.

Bild: H. Reichlmeier Foto: op