(vf) – Vor kurzem ist im Gerhard-Hess-Verlag, Ulm, ein Nachdruck des Romans „Die Mammutjäger vom Lonetal“ erschienen. Die Verantwortlichen im Hess-Verlag sind Antiquare und bringen gern Reprints heraus von Büchern, die immer wieder antiquarisch nachgefragt werden, weil sie nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind.- So hat Hess für den Raum Ehingen bereits einige geschichtlich interessante Veröffentlichungen nachgedruckt.
Die „Mammutjäger“ aus der Feder des Frühgeschichtlers Gustav Riek, in den 30er Jahren erstmals bei Thienemann Stuttgart erschienen, wurden in unserem Raum früher gern geschenkt und – vielleicht – gern gelesen. Ein Grund war: Die Funde in den Lonetal-Höhlen zwischen Ulm und Heidenheim in den 20/30er Jahren wurden damals als spektakulär empfunden (Leider hatten ja die Franzosen in ihren Höhlen viel tollere Funde gemacht).
Das Interesse an romanhafter Schilderung der einstigen Bewohner unserer engeren und weiteren Heimat hatte schon im 19. Jahrhundert beim Erscheinen von J. D. Weinlands Roman „Rulaman“ geboomt. Der fellbekleidete Rulaman lebte – in der Phantasie seines Autors – im Raum Reutlingen; die aufgrund von viel weiter reichenden Frühgeschichtskenntnissen verfassten „Mammutjäger“ lebten eben im Lonetal, deren Höhlen Gustav Riek als einer der ersten auf ihre frühgeschichtliche Besiedlung hin erforschte und wo er erstaunliche plastische Tierdarstellungen und Höhlenmalereien entdeckte. Die „Mammutjäger“ waren in den ersten Jahrzehnten nach Erscheinen ein Hit der Kinder- und Jugendliteratur. Man darf annehmen, dass die Nachfrager heute vor allem Bücherfreunde sind, die das Buch einst zur Erstkommunion, zur Konfirmation, zu Weihnachten erhalten hatten und deren erstes Exemplar inzwischen verschlissen ist. Während wir als junge Leser an einer spannenden Story interessiert waren und die beiläufig einfließenden Informationen zur Frühgeschichte eben „mitnahmen“, weil es nicht anders ging, kann man als Erwachsener das Buch heute anders lesen.
Beim Anders-Lesen stieß der Verfasser dieser Zeilen auf einen Abschnitt, in dem der Autor sich vorstellt, wie vor etwa dreißigtausend Jahren auf der Alb männliche und weibliche Jugendliche sich begegnen, in unserem Fall der junge „Flinkfuß“ und die junge „Weißfeder“, vf hat im Folgenden einige Abschnitte aus dem Reprint ausgewählt, bei denen er den Eindruck hatte, dass hier eine geläufige Kritik an historischen Romanen sticht: Der Autor versetze Personen aus seiner Gegenwart in die beschriebene Vergangenheit; diese Figuren hatten Empfindungen, die zur Zeit des Autors üblich waren. Bildhaft gesprochen: Ein Roman-Römer sollte statt der Toga und des Purpurs eher ein Jackett tragen, und der beschriebene Roman-Hurone sollte nicht im Kanu über die Großen Seen fahren, sondern im Cadillac über einen Highway des 20. Jahrhunderts.
Nun die von Riek erfundene Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Leuten der frühen Steinzeit.
Die junge Weißfeder „hatte stets gejubelt, wenn Flinkfuß ihr eine neu geschnitzte Rundfigur zeigte. Ja, sie konnte aus Freude und Bewunderung in die Hände klatschen. Weißfeder wusste nicht, dass Flinkfuß um ihretwillen manche Nacht voll Harm am Höhlenfeuer durchwacht hatte. Aber oft leuchtete es in ihren Augen geheimnisvoll, als wüsste sie doch um all die Gedanken, mit denen der schweigsame Flinkfuß umging. Bei manchem Besuche sprachen sie nur wenig miteinander. Aber ihre Blicke begegneten sich, sobald der Alte unaufmerksam war oder sich mit der Glättung von Pfeilschäften und der Schärfung von Beinspitzen beschäftigte… Aus tiefster Seele begehrte er nach einem Leben mit Weißfeder.“
Und nun eine Stelle, die für die 30er Jahre fast als obszön gelten konnte. Flinkfuß beobachtet aus einem Versteck, wie sich Weißfeder auszieht:
„Die schöne Weißfeder kam aus der Höhle, reckte und streckte sich einige Male und eilte flink an das flache Ufer des hier ziemlich breiten Flusses. Da warf sie sich behende auf den Bauch, spülte sich den Mund und trank, trank in vollsten Zügen aus dem klaren Fluss. Dann schlüpfte sie aus ihrem Lendenumhang, warf sich ins Wasser, prustete und plätscherte, versuchte, an der tiefsten Stelle zu tauchen, watete auf und ab und legte sich nah dem seichten Ufer lange still in das gleichmäßig strömende Wasser. Sie erhob sich, ließ das Wasser von ihrem Körper abtropfen, sprang ans Ufer und tanzte nackt auf den bemoosten und begrasten Wiesengrund umher, bis sie völlig trocken war. Sie knüpfte ihren Umhang um, der nur aus vielen schmalen, weißen und ganz weichen Renntierfellstreifen bestand, richtete ihre langer braunen Haare zurecht und kauerte sich noch ein wenig in die Morgensonne. Schließlich erhob sie sich.
Leise richtete sich Flinkfuß empor und setzte in jagenden Sprüngen durch den Fluss. Sein Herz klopfte, als er vor Weißfeder stand. Mit langem Blick und weit geöffneten Blauaugen sah Weißfeder auf Flinkfuß, und plötzlich war sie sich schuldbewusst. Rot und heiß schoss ihr das Blut zu den Schläfen.“
„Ahnen“ – „streitbare Jugend“
Braune Zeit kommt ins Blickfeld, wenn Riek einige Absätze später schreibt: „Wortlos schritten zwei Menschen vom Stamme der Mammutjäger mit leuchtenden Augen in die Wildnis, damit sie das Gesetz ihrer Ahnen erfüllten.“ Oder wenn der Häuptling sich freut, dass die männliche „Jugend so streitbar war“.

Bild: Das Titelbild des Reprints, mit einer Kalkfelsenpartie im Hintergrund, wie sie fürs Lonetal typisch ist. Davor ein wackerer Krieger vom Stamm der Mammutjäger.