23.11.2003 | Drei Jahre Zahnarzt im westlichsten Brasilien

EHINGEN (vf) – Wer Manager werden will, von dem erwartet man heute eine zeitweise Auslandtätigkeit. Es schadet sicher auch nicht, wenn man als angehender Zahnarzt seinen Beruf zeitweilig unter anderen Umständen als den unseren ausgeübt hat. Der Ehinger Guido Stiehle, bald dreißig Jahre alt, hat einige Jahre als Zahnarzt in einer Stadt im äußersten Westen Brasiliens gearbeitet. Seit Sommer ist er zurück und arbeitet in der väterlichen Praxis in Ehingen mit. Auf gewissermaßen persönliche Art hat Guido Stiehle den Kontakt zu seinem Auslandsaufenthalt beibehalten: In Brasilien lernte er seine spätere Frau kennen; sie kam im Sommer mit ihm nach Deutschland und nach Ehingen. Guido Stiehles Arbeitsort in Brasilien hatte sich eher zufällig ergeben. Nach dem Abitur 1993 in Ehingen, nach Bundeswehrzeit und Studium unterbrach G. Stiehle die eher beschauliche Ausbildung zum Zahnarzt mit einem mehrmonatigen Praktikum in einer kleinen Klinik des Spiritaner-Ordens in Cruzeiro do Sul im westlichsten Brasilien, nahe der Grenze zu Kolumbien – viertausenddreihundert Autokilometer von der brasilianischen Metropole Sao Paulo entfernt. – Die Betonung liegt auf „Auto(! J-Kilometer“: In der Regenzeit geht „mit Auto“ nichts mehr, weil die letzten fünfhundert Kilometer der Strecke nur noch Lehmweg sind; da bleibt dann nur der Flieger oder aber – wesentlich langsamer – das Schiff, das von der Millionenstadt Manaus am Amazonas bis nach Cruzeiro zwanzig Tage benötigt.

Der Orden der Spiritaner (bei uns herum kaum bekannt, mit deutschem Sitz in Dormagen / Rheinland) unterhält in Cruzeiro eine kleine Klinik. Befreundete Ärzte warben bei bundesdeutschen Studenten für eine zeitweise Hilfstätigkeit in dieser Klinik. Für einige Monate des Jahres 1999 mitzuhelfen, dazu war Guido Stiehle gegen Unterkunft, Verpflegung und ein Mini-Salär bereit. Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik schloss er im Jahr 2000sein Studium ab-und nichts wie zurück nach Cruzeiro, bis Sommer 2003 – aus privaten Gründen. – Das Ambulatorium in Cruzeiro wurde Anfang der 90er Jahre von deutschen Zahn- und Augenärzten, Unterstützern des Spiritaner-Ordens, gegründet. Immer wieder kommen deutsche Ärzte für einige Wochen nach Cruzeiro und helfen in der medizinischen Station, teils auch in abgelegenen Außenstellen. Ein Kollege Stiehles, aus den neuen Ländern, hat sich jetzt dort sogar heimisch niedergelassen.

Der Vater von Guidos Freundin und späterer Frau arbeitete im Urwald als Kautschuk-Gummizapfer (bis großflächige Kautschuk-Plantagen in Indonesien die schwere Arbeit im brasilianischen Urwald unrentabel machten). Der Vater von Josette Stiehle hatte – obwohl aus dem Nordosten Brasiliens stammend – schon frühzeitig Kontakt mit den Ureinwohnern des Amazonaswaldes gewonnen, er hat sich das Vertrauen dieser Menschen erworben und von ihnen Medizin-Kenntnisse mitgeteilt bekommen; er hat einiges an seinen deutschen Schwiegersohn weitergegeben, der sich daraufhin selbst mit solchen alternativen Heilverfahren befasste, einiges interessant, ja wirksam findet und an sich selbst anwendet: Wenn man ihn davon erzählen hört, gewinnt man den Eindruck, dass er das aus Interesse tut und dass er kein fanatischer Adept einer Geheimlehre ist. Die Welt kann bekanntlich klein und rund sein: die Ehinger Krankengymnastin Brigitte Scheins arbeitete vor Jahrzehnten als ganz junge Frau einige Zeit in Cruzeiro do Sul. Damals war das noch ein kleines Nest; heute hat es 60.000 Einwohner – und heute hilft Brigitte Scheins in Ehingen Frau Josette Stiehle beim Deutsch-Lernen.