EHINGEN (vf)-Kaum jemand weiß das noch: In Ehingen gibt es eine „Kaufmannszunft“. Sie hat einen kleinen Besitz in Form eines Sparbuchs. Was soll damit geschehen? fragt der Ehinger Kaufmannssohn und Steuerberater Gerhard Bechler. – Er lädt zu einer Versammlung zu diesem Thema Mitte Januar ein. Gerhard Bechler erhielt Ende der Siebziger Jahre von Friseurmeister Franz Rederer nach dessen Umzug nach München einen Leitzordner mit den Unterlagen der „Zunft der Kaufleute“, dazu ein Sparbuch, von dessen Zinsen jährlich ein Gottesdienst, der „Zunftjahrtag“ der Kaufleute am Samstag nach Fronleichnam bezahlt wurde. Das Bankguthaben existiert noch, es existiert auch noch eine Liste der einstigen Beitragszahler, 45 Personen: eine kleine Handelsgeschichte von Ehingen. Da zahlte damals der Sattler Ege in der Unteren Stadt seine zwei Mark Jahresbeitrag so gut wie Molkereifachmann Peter Albers, Bettenreiniger Gudden, Modekaufmann Theo Hohenadel, Elektro-Fachmann Pfeifer, etc. etc. Gerhard Bechler, dessen Eltern einst einen Lebensmittel- und Kolonialwarenhandel neben der inzwischen auch verschwundenen Löwenapotheke betrieben, kennt zwanzig Personen dieser Inkassoliste heute in Ehingen.
Für Bechler (und für alle, die sich noch sonst der alten Kaufmannszunft annehmen wollen) stellt sich beispielsweise die Frage: „Was geschieht mit den 415 Euro auf dem Voba-Sparbuch?“. Bechler kann sich vorstellen, dass jemand erneut den Zunft-Leichnam zum Leben erweckt oder aber, so seine Empfehlung: das Sparbuch der kath. Kirchengemeinde übergibt zur Finanzierung von Messen am Zunftjahr – Aber, so gibt G. Bechler gleich zu bedenken: „Wenn niemand hingeht,
warum dann ein Mess-Stipendium? Heuer war eine einzige Familie beim Gottesdienst.“ – Wenn man die 415 Euro der Kirchengemeinde spendet, so könnte man auch, so Bechlers Empfehlung, die Zunft-Akten dem Stadtarchiv übergeben.
Beraten und beschließen soll nun eine „Zunftversammlung“ am 14. Januar im „Schwanen“, zu der Bechler hiermit einlädt. 1954 war noch etwas mehr los in der Zunft: Damals lud Kaufmann Weinmann seine „lieben Kollegen“ ein, an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen („7 Uhr levitiertes Hochamt auf dem Marktplatz“, dann Frühschoppen in der Krone.“) An einem der benachbarten Samstage war bereits morgens um 6.30 (!) Uhr Zunftjahrtag in der Liebfrauenkirche. – Aus der Liste von 1964 seien noch einige weitere Mitglieder genannt. Buchbinder und Schreibwarenhändler Röttgers, Sonnengasse; Zeitungsverleger Ludwig Feger (für ihn unterschrieb seine Frau), Haushaltwaren Greiner (Winnemöller), Bekleidung Siessegger, Zeitschriften und Zigaretten Zeiller, Weinhaus Denkinger, Lebensmittel Jakob, Raumausstatter Merkle, Lederwaren Baum, Friseur Schaupp, Raumausstatter Horn, Buchhändler König, Mode Kaim, Reformhaus Jakob, Schuh-Schlecker.