21.10.2003 | Josef Hoben und Peter Blickle

EHINGEN (vf) – Wie an dieser Stelle notiert, kann man am Mittwochabend im Ehinger Kulturzentrum zwei Schriftsteller sehen und hören; einer der beiden, der zweite Vorsitzende des baden-württembergischen Schriftstellerverbandes, wohnt seit einigen Monaten in Ehingen.
Hier seien einige Angaben zu den Lebensläufen der beiden nachgereicht. Man erkennt: Nur selten wird man „planmäßig“ Schriftsteller; beide Lebensläufe sind durch Sprünge, gar Risse, gekennzeichnet.
Josef Hoben wohnt seit einiger Zeit in Ehingen, im Konvikt, wo ihm Konviktsdirektor Kaspar Baumgärtner, sein früherer Ehinger Klassenkamerad, das „Überwintern“ erleichtert; Hoben hat in seinem autobiographischen Roman „Die Lossprechung“ (Tübingen, Klopfer & Meyer, 1998) einige Erlebnisse seiner einstigen Ehinger Konvikts Zeit vor fast 35 Jahren erzählt. Nachdem er die ersten Gymnasialjahre in einem diözesanen Internat in Leutkirch (ähnlich dem Ehinger Josefinum) gewohnt hatte, lebte Hoben zwei Jahre in Ehingen als Konviktor. In Ehingen zeigte sich aber auch: Aus dem Lebensplan (oder. Elternwunsch?) „Priester“ wird nichts. Der Roman „Lossprechung“ erschien in einer Auflage von 5000 Exemplaren, die inzwischen vergriffen sind. Hoben hofft, dass das Buch nochmals eine Auflage erfährt, vielleicht auch als Taschenbuch.

Josef Hoben Foto: Oppermann

Hoben wurde 1954 in Unterraderach bei Friedrichshafen geboren. 1969 kam er für zwei Jahre nach Ehingen ans Gymnasium; das Konvikt war damals noch bei der Konviktskirche, der Direktor hieß damals Betzler, er wird auch in dem Roman genannt. -Hoben brach die Gymmi-Zeit ab und durchlief eine Lehre als Industriekaufmann bei der Zahnradfabrik Friedrichshafen, absolvierte zwei Jahre Bundeswehr, holte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte Germanistik und Geschichte in Konstanz, war dort vier Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am germanistischen Seminar und lebt nun schon lange als selbstständiger Literaturkritiker und Autor. Auf diese Art leben – das ist kein ,Schleckhafen’. Hoben ist froh, wenn er im Ehinger Konvikt wohnen und – als Mietzahlung – mithelfen kann, oder wenn er, wie derzeit, einen Forschungsauftrag des Friedrichshafener Stadtarchivs über die Kriegszeit in der Bodenseestadt abarbeiten darf; der Leiter dieses Archivs hat übrigens ebenfalls das Ehinger Gymnasium besucht; oder wenn er ein Schriftsteller-Stipendium kriegt oder wenn er ‘mal ein halbes Jahr in einer Wohnung des Schweizer Schriftstellerverbandes in Paris wohnen darf (ausgerechnet in Räumen, in denen der bedeutende französische Schriftsteller Paul Nizon früher wohnte)oder wenn er zu einer Lesung gebeten wird. – Unter dem Aspekt „Lesungen“ war der bisher einzige Roman Hobens‘ wenigstens zeitweilig ein Erfolg: Im Jahr nach dem Erscheinen des Ronans wurde Hoben zu immerhin siebzig Lesungen gebeten; derzeit sind es loch zwei Lesungen pro Monat. Als Vorstandsmitglied des Schriftsteller-Verbandes kann Hoben auch selber Berufskollegen zu solchen (Lesungs-) Schnäppchen verhelfen – (Schnappten sind solche Lesungen für viele sedier Kollegen). Mit dem Verfassen von literarisch anspruchsvollen Texten begann Hoben Anfang der 90er Jahre, als Enddreißiger. Derzeit arbeitet er an einem zweiten Roman. Nicht unähnlich seinem ersten geht es auch in dem neuen Roman um Selbsterkenntnis, Selbstfindung, um Heimat und um Fremdheit.-Außer seinem Roman „Lossprechung“ hat Hoben vier Bände Kurzgeschichten veröffentlicht, den ersten 1995, den vierten im Jahr 2000. Er hat in einem eigenen Kleinverlag namens „de scriptum“ seit Anfang der 90er Jahre etwa zwei Dutzend Büchlein anderer Autoren in geringer Auflagenhöhe veröffentlicht. Sehr glücklich ist unser Gesprächspartner darüber, dass er zum 70. Geburtstag des von ihm verehrten und ja ebenfalls vom Bodensee stammenden Autors Martin Walser einen Glückwunsch-Band („He, Patron“) mit zahlreichen Beiträgen sammeln und herausgeben durfte. – Befragt nach literarischen Vorbildern nennt Hoben die Autoren Stadler, Walser, Genazino, Grass.

vf zu Autor und Roman: Der Mensch Josef Hoben ist ein höchst angenehmer Zeitgenosse, absolut uneitel, höchst umgänglich, ohne alle Umstände; da tut es vf umso mehr leid, dass er sich für den Stil des Romans, „Lossprechung“ nicht erwärmen kann.

Der Autor Peter Blickle

Peter Blickle / Foto privat

Eigentlich könnte die Ehinger VHS den Autor Hoben auch mal zu einer Lesung bitten; nun aber wird das Schriftstellerverbandsmitglied Josef Hoben am Mittwochabend in Ehingen einen anderen Autor als Vorleser vorstellen, einen Autor, der ebenfalls eine bunte Lebensgeschichte aufzuweisen hat: Dr. Peter Blickle (nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem ebenfalls aus Oberschwaben stammenden Historiker Blickle). Blickle wurde 1961 in Ravensburg geboren, wuchs im ländlichen Wilhelmsdorf auf, legte dort 1982 sein Abitur ab, schlug sich dann ein, zwei Jahre in zahlreichen Jobs durch, als Übersetzer bei der Firma Glas-Sprinz, als Praktikant im Elisabethenkrankenhaus Ravensburg, als Arbeiter auf dem Bauhof Wilhelmsdorf, als Autolacke-Mischer und als Fahrer. 1983 begann er an einer Universität in Michigan / USA Medizin zu studieren, wechselte dann aber bereits 85 zu einem anderen Studiengang: Altgriechisch, Latein, Englisch, erwarb 1987 in Michigan den ersten Uni-Grad („Bachelor“, lateinisch „Baccalaureus“) und 1989 den zweiten Uni-Grad (Master of Arts, lateinisch „Magister Artium“) in vergleichender Literaturwissenschaft. Er ließ sich in den Jahren 1989 / 1990 zum Notfallrettungshelfer ausbilden, studierte dann weiter und verfasste in den USA eine Doktorarbeit über die oberschwäbische Schriftstellerin Maria Beig. 95/96 war er Lecturer für Deutsch und ist seit 1996 an der „Western Michigan University“ Professor für deutsche Literatur und Sprache. Zusammen mit einer Amerikanerin übersetzte er mehrere Romane von Maria Beig ins Amerikanische, außerdem amerikanische Autoren ins Deutsche. Seit den 80er Jahre schreibt Blickle Kurzgeschichten. 2002 nun erschien sein erster Roman „Blaulicht im Nebel“. Zum Inhalt heißt es unter anderem: „Rettungseinsätze, Ärzte und eine in Oberschwaben ansässige Adelsfamilie bilden den Hintergrund.“