EHINGEN (vf) – In diesem Sommer wurden in Deutschland die Biergärten wiederentdeckt, scherzt man derzeit. Tatsächlich wurde die Möglichkeit, vor oder hinter einem Gasthaus im Freien zu sitzen, wenn irgendwo möglich, gern genützt. – „Biergarten“ – das klingt bei uns nach Gemütsruhe, Bequemlichkeit, nach „uralt“ – ist es aber strenggenommen nicht. Der Vorsitzende der Ehinger Museumsgesellschaft, Ulrich Köpf, kombinierte einen stadtgeschichtlichen Rundgang und eine nette Biergarten Einkehr dieser Tage mit interessanten Darlegungen zur Ehinger Gaststättengeschichte. Das war die Grundlage für diesen Zeitungsbericht; Fazit: Biergärten haben Geschichte, sie sind „Entdeckungen“ oder „Entwicklungen“ des 19. Jahrhunderts, Zeichen eines zunehmenden Reichtums der Menschen, verglichen mit vorausgegangenen Jahrhunderten, bedingt durch das Fallen der Stadtmauern, die Erweiterung der Siedlungen über ihre bisherigen Grenzen, Biergärten haben zu tun mit der Bereitschaft, Reichtum zu zeigen und nicht nur im vor vielen Augen abgeschirmten Innenraum eines Gasthauses Speise und Trank zu genießen. – In Ehingen wie anderswo entstanden Biergärten vor allem in der wirtschaftlich aufstrebenden Zeit nach dem Siebzigerkrieg des 19. Jahrhunderts (Reichseinigung und damit größere Märkte mit gleicher Währung, zunehmend bessere und billigere Verkehrsverbindungen durch die Eisenbahn, Zunahme wissenschaftlicher und technischer Entdeckungen und Neuerungen). Bei dem Rundgang durch Ehingen zeigte Ulrich Köpf, wo sich früher Biergärten (auch Kegelbahnen und Tanzsäle als weitere Gastro-Vergnügungsorte) befanden – und wo in den letzten Jahren neue entstanden sind. Die meisten früheren Biergärten bestehen heute nicht mehr. – Zum guten Schluss kehrte die Runde heimatgeschichtlich Interessierter in einem Biergarten ein. Schauen wir uns nun ein bisschen in der Geschichte und Gegenwart der Biergärten um. Da war der Biergarten des einstigen Gasthauses „Blumenschein“. Die Wirtschaft entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts, außerhalb der Stadtmauer, als Schankstätte, ohne Brauerei: Zu Zeiten, als die meisten Gastwirte brauten, ist das hervorzuheben. An das Gasthaus schlossen sich eine Kegelbahn und Hopfengärten an. Da war beispielsweise der Biergarten des Gasthauses „Blaufeld“ (heute Landmaschinen und Gartengeräte Radi; „Blaufeld“ genannt nach seinem einstigen Besitzer Blau). Das Gasthaus befand sich auf der Nordseite der Spitalstraße, der Biergarten auf der Südseite, beides ebenfalls außerhalb der Stadtmauer. In den Fünfziger Jahren war der Blaufeld-Garten noch gern besucht; die Stadtkapelle gab hier Konzerte, wie sich der Verfasser dieser Zeilen erinnert. Zum „Blaufeld“ gehörte ebenfalls eine Kegelbahn (heute Grundstück Dr. Rödl). Auch der „Württemberger Hof“ am Eck Bahnhofstraße/Hindenburgstraße (1870 -1918, danach Wohnhaus- und Vereinsheimgebäude) hatte einen schönen Biergarten, auf der Südseite des Gasthofs, zur Schmiech zu. Das nahe „Amadeus“ hat inzwischen die Biergarten-Tradition in dieser Ecke der Stadt wieder aufgegriffen. Auch das Gasthaus „Harmonie“, 1865 am Stadtrand erbaut (um 1900 aufgegeben, später Gärtnerei Zeller, heute [2014] Altenheim) besaß wohl einen Biergarten. Ein früher einmal bestehender, inzwischen großzügig neugebauter Biergarten befindet sich beim Gasthaus „Paradies“. Auch dieses Wirtshaus war außerhalb der Stadtmauer Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden. Bekanntester Biergarten: beim Gasthaus „Linde“. Der wohl berühmteste Biergarten war der beim Gasthaus „Linde“. Auch hier befand sich das Gasthaus auf der Nordseite der nach dem Gasthaus benannten Straße, der Biergarten auf der Südseite. Süden – das war außerhalb der Stadtmauer, wo es Platz gab. Der Biergarten war wie der des „Blaufelds“ durch seine schönen hohen Bäume gekennzeichnet und besaß einen eigenen Pavillon für musizierende Ensembles. Ältere Ehinger erinnern sich noch an die Konzerte der Stadtkapelle. Gastwirte, die in der engen Innenstadt in eine Ausweitung ihres Angebots investieren wollten, taten das am ehesten in Säle (für Feiern und Tänze); es gab früher vergleichsweise weit mehr Gasthaussäle als heute (im einstigen „Hirsch“, ab 1823, im einstigen „Kreuz“, ab 1810, im „Schwanen“, im „Ochsen“, in der einstigen „Traube“ (1823), in der einstigen „Krone“). Heute kann man sich unter anderem bei folgenden Gaststätten im Freien niederlassen: Highlander, Dionisos, Alte Molke, Schwanen, Villa Max, Amadeus, KuBa, Wolfert, Ambiente, Büchele, Saurücken, Ernsthof, dazu bei weiteren Bistros und Eisdielen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).