DETTINGEN (vf) – Reinhard Preisler von hier ist kürzlich aus Santiago de Compostela zurückgekommen. Er hat den Pilgerweg dorthin in mehreren Etappen, über vier Jahre verteilt, zu Fuß zurückgelegt. Der praktizierende Katholik: Es tut gut, so von allem Alltag entfernt zu sein, es macht freier.
Eigentlich hat der seit kurzem Sechzigjährige sich selbst bis vor einigen Jahren so etwas noch gar nicht vorstellen können. Aber ein Altersgenosse, der selbst schon kleinere Strecken des Pilgerwegs zu Fuß und per Rad hinter sich gebracht hat, zeigte sich begeistert und steckte den Dettinger mit seiner Begeisterung an.
Reinhard Preisler ist in Ehingen aufgewachsen und leitete bis zum Vorruhestand vor drei Jahren die Instandhaltungswerkstatt der „Zellstoff“ (Sappi). Im Jahr 2000 unternahm er gewissermaßen einen Testlauf: Er wanderte von hier aus auf dem oberschwäbischen Jakobsweg bis nach Meersburg, eine eher gemütliche Fünf-Tage-Tour. Dann stand für ihn fest: Ich mache nächstes Jahr weiter.
Im folgenden Jahr absolvierte er an 25 Tagen ab Konstanz die Route durch die Schweiz bis nach Genf. Die Schweizer Jakobusgesellschaft hat die Strecke gut „ausgeschildert“, erzählt uns Preisler: Die verschiedensten Übernachtungsmöglichkeiten sind angeboten, auf Bauernhöfen, in Offizierskasinos, im Atomschutzbunker. Pro Nach werden fünf, sechs Franken verlangt, die zum Teil von den Empfängern weitergespendet werden.
In Genf bestieg Preisler den Zug zurück und blieb drei Wochen lang zu Hause; außerdem ist unserer Wanderer ja auch verheiratet. Dann packte er eine weitere Strecke unter die Füße, von Genf bis nach Le Puy im französischen Zentralmassiv. Im vergangenen Jahr folgte dann der Weg von Le Puy bis zu einem südfranzösischen St. Jean nahe Lourdes; dorthin führte den Dettinger Katholiken ein Abstecher. In diesem Jahr machte sich unser Gesprächspartner dann kurz nach Pfingsten auf den Weg, vom oben genannten St. Jean am Fuß der Pyrenäen aus, und benötigte dreißig Tage bis nach Santiago in Nordwestspanien. Nach zwei Tagen Rast dort marschierte er nochmals weiter bis zum westlichsten Punkt des Kontinents, am Atlantik, und reiste dann per Bus zurück. Am 23. Juli war er wohlbehalten wieder zuhause.
Den größten Teil des Weges legte Preisler allein zurück; es gibt auch Paare und kleine Gruppen auf dem „Camino“, dem „Weg“, aber Preisler zieht den SoloGang vor; er muss sich nach niemand richten.
Zur Vorbereitung gehört, dass man einiges zum Thema liest und mit anderen Jakobspilgern redet. Preisler hat einiges über den Jakobsweg gelesen. Was empfiehlt er? – Für den Gesamtweg den „Outdoor“-Wanderführer; „der ist handlich und kann in die Hosentasche gesteckt werden;“ „hervorragend für die französischen Wege“ ist „Via Podensis“ von Heinrich Wipper. Es gibt nicht nur Schönes auf der Tour: Ein früheres Knie-Leiden meldete sich wieder, „jeder hat so seine Bresten“, aber damit kam R. Preisler klar. – Es gibt auch sonst Unschönes: Einer Wanderergruppe wurden ausgerechnet bei der Rast in einem spanischen Kloster alle Rucksäcke gestohlen. Preisler hat gelernt: Wenn er sich in einer Herberge befindet, schütte er gleich den ganzen Rucksack-Inhalt auf seinem Bett aus; das ist dann kein Anreiz mehr zum Klauen. Das Wandern auf dem Jakobsweg ist nicht mehr so ungewöhnlich wie vielleicht vor zwanzig Jahren. Die Ehinger SZ hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren über Pilger aus Rißtissen und Obermarchtal und über Jakobsweg-Reiter aus Munderkingen berichtet. R. Preisler hat mitgekriegt, dass die Ehinger Dieter Siebert und Rösle Gräter, das Ehepaar Seifert aus Dettingen, die Ehepaare Mattenschlager und Rühle aus Ehingen bereits Teile des Wegs (oder den ganzen?) zurückgelegt haben. Wir fragten: Wenn man die ganze Strecke abgegangen ist, bleibt dann noch was? – Reinhard Preisler: Es gibt ja mehrere Touren, beispielsweise in Südfrankreich / Spanien die „Via tolosana“ (Toulouse-Weg, benannt nach einem Hauptort auf der Route, der Stadt Toulouse). „Da hätte ich schon noch Lust drauf.“ Ein Foto, das R. Preisler als Wanderer zeigt, hat unser Gesprächspartner nicht; fotografieren lassen wollte er sich auch nicht^ wir haben den Wunsch respektiert.