
Eine aus Munderkingen stammende Gastwirtin, heute in San Diego / Kalifornien (zweite von rechts), flankiert von ihren zwei Schwestern, die in Deutschland blieben (ganz links die „Griesingerin“ und ganz rechts die „Waldseerin“), dazu eine Freundin, beim Plausch in einem Munderkinger Gasthaus. Foto: privat
MUNDERKINGEN (vf) – Gastwirt Kaspar hatte kürzlich weitgereisten Besuch, aus San Diego in Kalifornien. Es ergab sich ein Geschwistertreffen, von drei Schwestern, zwei in der schwäbischen Heimat lebend, eine in den USA. Ein Erinnerungsbild entstand; schließlich freut sich der Melber-Wirt über solchen besonderen Besuch. SZ-Mitarbeiter vf fragte nach und erfuhr: Von den sechs Kindern der Eltern Alvine und Raffael Edel (1902 – 1985 beziehungsweise 1902 – 1994) leben heute vier in den USA, die anderen in Griesingen beziehungsweise Waldsee. – Die Schwester aus San Diego war gerade zu Besuch bei ihren Schwestern, und da traf man sich dann auch in der einstigen Heimatstadt an der Donau. – Übrigens wird es dieses Jahr nochmals Edel-Besuch aus den USA in Munderkingen geben, bei einem Sippentreffen der Familien Edel. Alvine und Raffael Edel zogen sechs Kinder groß, Hedwig, Ernst, Maria, Frieda, Paula, Raffaela: Die sind heute zwischen 72 und 63., Jahren alt.
Dass vier dieser Kinder in die USA auswanderten, ist ein für Munderkingen fast typisch zu nennender Vorgang. Über das ganze 19. Jahrhundert und noch in den ersten sechzig Jahren des 20. Jahrhunderts versuchten junge, rührige Leute, der kleinstädtischen Enge und Not durch Auswanderung zu entgehen. Vor Jahrzehnten, als J. Traub den Örtlichen „Donauboten“ in Zusammenarbeit mit der Ehinger SZ herausgab, waren Berichte über Ausgewanderte und ihre Besuche in der alten Heimat ein wiederkehrendes Thema. Diese „Saite“ einer vorübergegangenen Zeit klingt hier nochmals an.
Vater Raffael verdiente sein kärgliches Brot in der Munderkinger Bürsten-,, Industrie“; er hatte seinen Beruf bei der Firma Locher gelernt, arbeitete lange in der Bürstenfabrik Selg und dann zum Schluss, vor dem Ruhestand mit 70, bei der Firma Mesch – alle Firmen existieren schon lange nicht mehr. Die Bürsten Tradition der Stadt hat sich auf eine sehr moderne Art in einer einzigen Firma erhalten, bei Hahl.
Tochter Raffaela hat ein gutes Gedächtnis. Sie erinnert sich: Ihr Vater war nicht einfach „Bürstenbinder“, eine Berufsbezeichnung, die Älteren heute vielleicht einfällt; nein, ihr Vater war „Bürstenholzzurichter“.
Vier von den sechs Kindern versuchten nach dem zweiten Weltkrieg ihr Glück jenseits des Großen Teichs. Erste Anlaufstation war jeweils New York. Von dort aus zogen zwei im Lauf von Jahrzehnten weiter bis in den tausende Kilometer entfernten Westen, eine bis San Diego in Kalifornien, wo sie heute mit Ehemann (aus Ehingen stammend) und Sohn ein stattliches Gasthaus mit dem stattlichen Namen „Kaiserhof“ führt. Drei der vier Ausgewanderten heirateten: Da taten sie sich mit ebenfalls aus Süddeutschland ausgewanderten Partnern zusammen. Ernst, der älteste der Auswanderer, lebt nach wie vor in New York. Er hatte bei Schuhmacher Laut in Munderkingen seinen Beruf erlernt und dann kurz vor der Auswanderung die Meisterprüfung abgelegt. In den USA arbeitete er in verschiedenen Jobs, leistete bei der US-Army den Militärdienst ab, was ihm erleichterte, Bürger zu werden, und arbeitete dann lange für eine staatliche Stelle zur Versorgung von Veteranen mit orthopädischen Schuhen. Maria, heute in Vati bei Denver / Colorado, war zuerst Dienstmädchen wie ihre anderen auswandernden Schwestern auch („m Amerikanisch zu lernen“), blieb dann weiter im Hotelfach und führte später ein Café; ihr Mann stammt aus Stuttgart. – Frieda lebt in New Jersey, nahe bei New York, und arbeitete jahrzehntelang in einem Haushalt. Ein in Nalbach lebender Abkömmling der Edel-Sippe, Anton Edel, gelernter Schneidermeister, Jahrgang 1937, bereitet für den Oktober ein Familientreffen vor. Er hat auch eine Website über die Edels ins Internet gestellt, mit einem familiengeschichtlichen Abriss und über tausend Namen, die mit den Munderkinger und Riedlinger Edel der letzten drei Jahrhunderte zu tun
haben.