26.04.2003 | Die Landesausstellung und der Raum Ehingen

SCHUSSENRIED / RAUM EHINGEN (vf) – Seit kurzem ist die große Landesausstellung zum Thema “Säkularisation” im einstigen Kloster Schussenried eröffnet: die größte nicht-technische Ausstellung, die es wohl jemals in Oberschwaben gab; dazu erschienen drei dicke Bände Objekte-Katalog und Aufsätze. – Gibt es auch Bezüge zum Raum Ehingen? – Ja.
Wir weisen auf einige erkennbare und einen nicht leicht erkennbaren Bezug hin. Die erkennbaren: Da sind natürlich die Hinweise auf die große Abtei im Raum Ehingen, deren Existenz, wie die zahlreicher anderer in Ober-Schwaben, gewaltsam beendet wurde: das Prämonstratenserstift Marchtal, Weil die Ausstellungsmacher den Akzent auf die Klöster selbst legen und nicht auf deren Außenstellen (bei der Fülle des Themas verständlich) gerät das Ende des ersten Ehinger Gymnasiums nicht in den Blick, einer über 150 Jahre bestehender Einrichtung des Klosters Zwiefalten.

Das Kloster Obermarchtal und sein Ende sind durch verschiedene Gegenstände in Erinnerung gebracht. Da ist beispielsweise das Berichtsbuch von Pater Sebastian Sauer über seine Tätigkeit in der vom Kloster betreuten Pfarrei Reutlingendorf („ovile Reutlinganum“), das im Rottenburger Diözesanarchiv aufbewahrt wird; da sind Zeugnisse über die schriftstellerische Tätigkeit von Marchtaler Ordensleuten und ist die in Ehingen gedruckte Geschichte des aufgehobenen Klosters aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, vor allem aber das am wenigsten leicht übersehbare, einen Quadratmeter große, pompige Wappen der Regensburger Adelsfamilie Thum und Taxis; mit diesem geschnitzten Wappen tat die Familie nach der Klosterenteignung am einstigen Klostertor jedermann kund, dass sie die neuen Eigentümer des Gebäudekomplexes sind; der jetzt Schloss genannt wurde, um die früheren Eigentümer vergessen zu machen.

Wer reich war, hinterlässt meist mehr Dokumente als Arme, also beispielsweise Portraits, Pläne von Gebäuden, Kunstwerke, Bücher etc. etc.. Dass die großen Kloster mehr solche präsentablen Dinge hinterließen als die “kleinen” (zugehörig zu Bettelorden und meist auch Frauenorden), das lässt sich erkennen, wenn man in der Ausstellung nach weiteren Klöstern im Raum Ehingen fragt, die an der Wende zum 19. Jahrhundert enteignet und aufgelöst wurden. Vom einstigen Franziskanerkloster in Ehingen finden sich, wenn wir recht gesehen haben, kein einziges Zeugnis in der Ausstellung. Und das Anna-Kloster in Munderkingen, das bereits unter Kaiser Joseph II zwei Jahrzehnte vor der großen Säkularisierungswelle gestoppt wurde, wird ebenfalls nur in einem der begleitenden Aufsatzbände genannt.

Ein anderer “Aspekt” der anderen politischen und Eigentumsverhältnisse am Ende des alten Römischen Reichs Deutscher Nation- war das Ende der adeligen Reichsunmittelbarkeit. Den Reichsrittern, die fast sogut wie ein Fürst dastanden, gehörte im Raum Ehingen ein Verwaltungssitz, das spätere Oberamt und Landratsamt Dieser Aspekt der großen Änderung an der. Wende zum 19. Jahrhundert erscheint kurz in einem Aufsatz des Ehinger Archivars Ohngemach in einem der Begleitbände zur Ausstellung. Die Reichsritter in Oberschwaben und darüber hinaus hatten als ihren Verwaltungssitz eines der prächtigsten Gebäude in Ehingen, das einstige “Ritterhaus” und jetzige Restgebäude der Alb-Donau-Verwaltung mit Kfz-Zulassungsstelle. Der Ehinger Archivar Dr. Ernst Ohngemach hat zum Thema “Übergang von Ehingen an das Königreich Württemberg” einen Aufsatz verfasst und erwähnt dabei auch das Ende der reichsritterschaftlichen Verwaltungszentrale in Ehingen.

Nicht sonderlich ins Blickfeld geraten in der Ausstellung das einstige Frauenkloster Urspring und das Franziskaner- und Franziskanerinnenkloster in Ehingen. Beide Einrichtungen fielen nicht durch Reichtum und sehr repräsentative Bauten auf. Ein Bezug der Ausstellung zu Ehingen wird in Schussenried nicht genannt, ein delikater, wird aber hier erwähnt. Die Ausstellungsmacher rücken nicht nur die Klöster ins Bild, sondern auch ihre Kritiker. Zu ihnen gehörten beispielsweise der zeitweilige Mitarbeiter (und möglicherweise Sohn) eines in Warthausen residierenden Grafen Stadion, Georg Michael von La Roche; er verfasste ein mönchskritisches Pamphlet, in dem wahrscheinlich auch der auf Warthausen verkehrende Pater Sebastian Sailer karikiert wird. Zu diesen Klosterkritikern gehört – in der Schussenrieder Ausstellung, herausgehoben – auch der aus Ehingen stammende Johann Kaspar Adam Ruef (1748 – 1825), seines Zeichens Bibliothekar und Professor an der Uni Freiburg. Er verfasste in der Zeit Kaiser Josephs II zahlreiche kirchenkritische Aufsätze und gab Zeitschriften heraus, in denen für ein aufgeklärteres Christentum geworben wurde. Die Ausstellung in Schussenried zeigt einen Porträtstich Ruefs und einen Band mit von ihm herausgegebenen Zeitschriften; zudem wird Ruef in einem Aufsatz zum Thema “Klosterbibliotheken” erwähnt. Untermarchtaler Vinzentinerinnen stellen sich vor Gottseidank erscheinen die Klöster nicht nur als Thema der Vergangenheit. Zahlreiche Orden im Land stellen während der Ausstellungsdauer ihre Arbeit in zwei Räumen des einstigen Klostergebäudes vor. Sie tun das nicht und nicht in erster Linie mit Objekten und Fotos, sondern leibhaft, als Mitmenschen, vf und uf hörten einer Franziskanerin aus Gengenbach zu, die von der Betreuung von Aids-Kranken durch ihre Mitschwestern erzählte. – Im Mai sind die Vinzentinerinnen von Untermarchtal dran. – Bemerkenswert: Während die großen Ordensbauten des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem auf Männerkongregationen zurückgehen, zeigt sich in der Abteilung „Orden heute” nicht ein einziger Männerorden der Gegenwart. – Zum Thema „Neues Ordensleben nach der Säkularisation” ist zu erwähnen: Die selige Ulrika Nisch, Mitglied der Kreuzschwestern von Hegne, wird in der Ausstellung im Bild vorgestellt. Erinnert wird auch daran, dass die Franziskanerinnen -von Reute auf die Initiative einiger Frauen aus Ehingen und Umgebung zurückgeht.