09.01.2001 | Unerwartete Begegnung mit Jakob Locher

(vf) – Man freut sich, wenn man jemand an einem Ort trifft, an dem man ihn nicht erwartet hat. So erging es gerade dem Zeitungsmacher vf mit dem Ehinger Schriftsteller Jakob Locher, der um die Wende des 16. Jahrhunderts unter anderem Schauspieltexte verfasste. Gemeinhin ist dieser Mann tot, töter geht’s nicht. Und wo wird er nun erwähnt und – beinah – gewürdigt? – In einem neuen Kultbuch für Bücher-Narren, in Albert Manguels „Eine Geschichte des Lesens”, 1996 erstmals erschienen in Kanada, seit zwei Jahren auf Deutsch erhältlich, seit Dezember auch als Taschenbuch (bei Rowohlt).

Der Name „Jakob Locher“ taucht auf im Kapitel „Büchernarr”, im Zusammenhang mit Hinweisen auf die ausgewalzte Moral-Epistel „Das Narrenschiff” von Sebastian Brant, die Locher bekanntlich ins Lateinische übersetzte und der er damit den europäischen Buchmarkt öffnete.

Weil Manguel seinen Hinweis auf Locher aus einer französisch verfassten elsässischen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts bezog, erhält unser Landsmann den unerwarteten Vornamen Jacques statt Jakob oder, latinisiert, Jacobus. Hinweise jüngeren Datums auf Locher und einen weiteren gebildeten und produktiven Ehinger finden sich auch im Begleitbuch zur großen Rottenburger / Freiburger Vorderösterreich-Ausstellung von 1999. Hier wird im Zusammenhang mit der „vorderösterreichischen Universität Freiburg” neben Locher auch ein anderer Ehinger erwähnt, Kaspar Ruf, der im 18. Jahrhundert Ideen der katholischen Aufklärung vertrat und den die Ehinger SZ vor Jahren in einem größeren Beitrag würdigte.