23.08.2000 | Künstlerportrait Paul Engst: Genug an den Kranen geschafft, jetzt darf gemalt werden

BOCKIGHOFEN (vf) – Paul Engst ist Lackiermeister bei Liebherr Ehingen, seit Liebherr hier begann. Nächstens tritt der 62-Jährige gebürtige Bockighofener in den Ruhestand. Dann will er sich noch mehr seinem seit fünfzehn Jahren wieder betriebenen Hobby widmen, der Ölmalerei. Engst malt teils nach Vorbildern, teils eigenschöpferisch. Fürs nächste Jahr plant Engst eine erste Ausstellung, voraussichtlich im Raum Ehingen.

Wie für seinen Bruder Albert, in Munderkingen ebenfalls Lackiermeister und jahrzehntelang Chef eines eigenen Betriebs, war der Umgang mit Farben für Paul Engst immer etwas, das ihn faszinierte, auch jenseits der Alltagsarbeit. Etwas, das er in freier, selbstbestimmter Form in der verbleibenden Zeit gerne tat. Etwas, das vermutlich mehr erfüllte als eine Kran-Lackierung. Wobei immer klar war, dass erst einmal ordentlich schwäbisch das Geld fürs tägliche Leben mit Berufsarbeit verdient sein sollte. Und wobei auch klar war, dass erst das Wohnhaus, schwäbisch gschwätzt: „räacht doo-schdoht“. Der Bauernsohn hat sein Wohnhaus „auf dr Hoimet“ am Ortsrand von Bockighofen zum großen Teil selbst gebaut und hält es in Schuss. Der Zeitungsmacher gewinnt den Eindruck, Paul Engsts Lebensmotto lautet: Ich darf erst dann richtig malen, wenn die Berufsarbeit ordentlich gemacht ist; wenn fünfzig Jahre Lebensarbeitszeit auf dem Buckel sind.

Paul Engst als einem Bauernkind wurde der Umgang mit Kunst nicht in die Wiege gelegt. Ein solcher Mensch orientiert sich vernünftigerweise zunächst an anerkannten Vorbildern. Das sind für Paul Engst zum Beispiel Renoir, Monet, Spitzweg oder der Biberacher Tier- und Landschaftsmaler Mali. Diesen Vorbildern eifert er nach und er ist stolz, wenn ihm eine Kopie gut gelingt.  Aber schon länger versucht sich Engst auch an „Eigenem“. – Interesse am Verlässlichen, am Dauerhaften sei der Grund, so Paul Engst, dass er mit Ölfarben male: Öl, das hält einfach besser.

Die Motive seiner Bilder sind immer ruhige Landschaften, manchmal mit kleinen Menschen darin, von eher staffagenhaftem Charakter, in eher altertümlicher Kleidung. Die Bilder sind in der Farbe heiter; man kann sagen: Spitzwegs Weltstimmung hat es dem Bockighofer Lackiermeister angetan. Des Münchner Malers Spitzweg durch genaues Hinsehen erkennbare Ironie wirkt freilich nicht weiter, Paul Engst entspricht dem traditionellen Künstlertyp, der nicht enthüllen, nicht anklagen will, sondern in erster Linie erfreuen. Menschen, die seine Bilder anschauen und auch: Menschen, die sie erwerben, sollen sich an ihrem Anblick freuen. Das Leben selbst hat genug Unangenehmes parat; das muss in der Kunst nicht nochmals wiederholt werden. Engst malt Bilder für Leute, die ihr Leben lang anständig geschafft haben, die keinem anderen zur Last gefallen sind und die das Rentnerdasein noch ein bisschen genießen .möchten, genießen wie nur einer, der sagen kann: Ich hab’s verdient.

Dem Mann von der Zeitung gefiel ein Bild Engsts besonders. Es zeigt den Hopfensee bei Füssen, es zeigt eine hinter mäßigen Berggipfeln untergehende Sonne und zwei dem Betrachter mit ihrer Oberseite zugekehrte Boote. Das Bild kann als mehr oder weniger realistische Schilderung angesehen werden. Sonne, Wasser und Boote können aber auch (ohne dass das sein muss) als bedeutungsträchtig verstanden werden. Engst selbst (der sein Bild ja so gut wie jeder sonstige Betrachter deuten darf) sieht in diesem Bild ein Stück eigenes Leben symbolisiert: mit Boot am Land, mit sicherer Heimkehr, mit Last-des-Tages-vorbei.   Zeitungsmacher vf wünscht dem Bockighofer Lackiermeister, dass er mit seiner Frau (die vom einstigen „Waldhorn“ im Nachbardorf Griesingen stammt) noch lange so gesund, wie er jetzt ist, in seinem Bockighofer  Paradiesle leben und malen kann. Und dass sich Mitmenschen, an diesen Bildern freuen.

Bild: Paul Engst mit einem von ihm gemalten Bild des Hopfensees bei Füssen. In dem zunächst realistisch erscheinenden. Landschaftsbild kann man auch Sinnbilder des Lebens nachempfinden. Foto: vf

21.08.2000 | Bürgerwache auf Esztergom-Fahrt Gewehre an der Grenze – o!

EHINGEN / ESZTERGOM (vf) – Wenn die Bürgerwache erleben will, dass sie mit ihren alten Gewehren noch jemand imponiert – die ungarischen Grenzer haben der Garde dieses Erlebnis am Freitag verschafft. Die Grenzüberschreitung erwies sich als sehr schwierig; stundenlang (dem Vernehmen nach acht Stunden!) mussten die Bürgerwehrler an der Grenze warten, bevor sie samt ihren (für die ungarischen Grenzer anscheinend hochgefährlichen) Gewehren weiterreisen durften.

Ziel war Esztergom, wo die Bürgerwache und die Stadtkapelle als ihr Musikzug und zahlreiche weitere Gäste aus Ehingen, vor allem Mitglieder des Partnerschaftsvereins, an einer Jahrtausend-Feier teilnahmen. Trotz der umständlichen Anreise mit wenig oder keinem Schlaf im Bus absolvierte die Stadtkapelle ihren Auftritt gut, wie Dirigent Walter Nittka der Heimat berichtete.

Am gestrigen Abend traf sich zumindest ein Teil der Ausflügler im Gasthaus von Tibor Reiner. T. Reiner hat schon mehrfach bei der Ehinger Kirbe zugunsten des Partnerschaftsvereins ungarisches Gulasch gekocht und scheint auch dieses Jahr bereit zu diesem Engagement.

Am heutigen Montag wollen sich die Ehinger oder ein Teil von ihnen noch ein wenig in Wien umschauen und heute Abend wieder in Ehingen eintreffen. Das Grenz-Erlebnis der Bürgerwache war nicht das erste in der Geschichte der Wehr; vor Jahren gab es schon einmal wegen der mitgeführten Waffen bei einem Grenzübertritt „Trabbl”.

07.08.2000 | „B&R Service Reichlmeier“ Jetzt auch in Ehingen eine Zeitarbeitsfirma

EHINGEN (vf) – Seit kurzem gibt es auch in Ehingen eine Zeitarbeitsfirma, eine Filiale der Münchner „H&R-Service Reichlmeier“ mit Räumen im Haus Marktplatz 9. Die SZ unterhielt sich mit Firmenchef Hans Jürgen Reichlmeier, München.

Die erste Frage, die man an einen solche Firma stellt, ist natürlich: Warum eröffnet eine Münchner Zeitarbeitsfirma eine Filiale in Ehingen? – Die Antwort: H&R vermittelt schon seit Anfang der 80er Jahre und in den letzten Jahren zunehmend Arbeitskräfte an Firmen in Oberschwaben, vor allem auch in Ehingen. Für die Betreuung der Arbeitnehmer auf der Lohnliste von H&R ist es von Vorteil, wenn sie eine Anlaufadresse in Arbeitsplatznähe haben, sich also nicht an die Zentrale in München wenden müssen, sondern eben an einen Zuständigen in Ehingen, in diesem Fall an Büroleiter Ingo Radloff. Die Firma H&R vermittelt viele Arbeitskräfte im Bereich Metallbearbeitung. Und Oberschwaben, so Hans Jürgen Reichlmeier, ist eben ein fast klassisches Land metallbearbeitender Betriebe, die bei Produktionsengpässen auf geleaste Arbeitskräfte zurückgreifen wollen oder müssen.

In Oberschwaben vermittelt  die Firma H&R vorwiegend Facharbeiter aus den neuen Bundesländern. Insgesamt stehen 120 Personen auf der Lohnliste der Firma; dazu kommen zehn Personen in der Verwaltung, verteilt auf die Zentrale in München, mehrere Regionalbüros in den neuen Bundesländern, auf Nürnberg und auf Ehingen.

Im Durchschnitt wird ein „Leiharbeiter“ etwa ein Dreivierteljahr lang von H&R vermittelt. Dann findet er häufig eine Anstellung an seinem Wohnort, muss dann nicht mehr wie zuvor große Fahrstrecken zwischen Wohn- und Arbeitsort
zurücklegen; oder er findet eine Anstellung im Westen und verlegt auch das „Privatleben“ hierher. Dann verschwindet er im allgemeinen aus der „Pay list“ von H&R, auch wenn die ihn gerne länger beschäftigen würde.

H. Reichlmeier stellt fest, dass für einen Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern die Chance, in seiner Heimat oder in deren Nähe einen (Dauer-)Arbeitsplatz zu finden, deutlich steigt, wenn er eine zeitweilige Tätigkeit in einem Wessi-Betrieb vorweisen kann.

Im Übrigen stellt der Firmenchef seinen Mitarbeitern aus dem „Osten“ der Republik ein gutes Zeugnis aus: Die Lern- und Leistungsbereitschaft sei hoch, höher als bei zahlreichen Wessis. Und Reichlmeier meint auch, dass viele West-Betriebe sehr von diesen „Ost“-Mitarbeitern profitieren. Die deutsche Wirtschaft, so unser Gesprächspartner, hätte sehr große Probleme, wenn sie nicht auf diese deutschsprechenden Fachkräfte aus den neuen Ländern zurückgreifen könnte.

Für arbeitslos gewordene „Ossis“ sei eine vorübergehende Tätigkeit im „Westen“ auch deshalb sinnvoll, weil sie so im Beruf „drinbleiben“. Auch für die Metallbearbeiter gelte, dass der technische Wandel rasch ist und dass längere Phasen der Arbeitslosigkeit die Chance, erneut einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden, mindern. – Ausländische Arbeitskräfte sind unter den Beschäftigten der Firma in verschwindend geringer Zahl, weil die Hürde, eine deutsche Arbeitserlaubnis zu erhalten, hoch ist.

Vor der „Wende“ suchte Reichlmeier seine zu vermittelnden Facharbeiter vor allem im Fränkischen; in Nürnberg war deshalb früher auch der Firmensitz. In Franken gab es einen „Überschuss“ an qualifizierten Kräften, die H&R dann in andere Regionen der Republik, auch damals schon unter anderem nach Oberschwaben, vermittelte. H. Reichlmeier, 59 Jahre, stammt aus München, dort ist er in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen. Er lernte selbst den Beruf des Maschinenschlossers und bildete sich dann zum Techniker und zum Meister (1972) weiter. Nach einer kurzen Tätigkeit in einer Zeitarbeitsfirma machte er sich mit einem Compagnon 1978 selbstständig. Bedingt durch den beruflichen Werdegang Reichlmeiers spezialisierte sich die Firma auf Metallbearbeiter. In begrenzten Umfang werden auch andere Berufe vermittelt, aber kaum Führungskräfte. Das ist dem Firmenchef eine Nummer zu groß.

Bild: H. Reichlmeier  Foto: op

01.08.2000 | Ähnlichkeit mit dem Sensenmann nicht beabsichtigt

EHINGEN (vf) – Das Geheimnis ist teilweise gelüftet. OB Krieger verteilte am Donnerstagabend ein Foto vom Entwurf für den Brunnen am Ex-Franziskanerkloster. Die SZ veröffentlichte das Foto. Der Entwurf stammt von dem teils in Ehingen, teils in Dieterskirch tätigen Künstler Ludwig Lüngen.

Der Verfasser dieser Zeilen stellte im Gespräch mit verschiedenen Bild-Betrachtern fest, dass der Entwurf des heiligen Franz sie an vergleichsweise geläufige Darstellungen des „Sensenmannes“ aus dem späten Mittelalter und der Romantik (Stichwort „Totentanz“ von Alfred Rethel) erinnert.

Vf befragte Ludwig Lungen zu dieser Einschätzung.

Lungen: „Ich hatte bei der Herstellung des Entwurfs keine Absicht in Richtung „Todessymbol“ oder „Memento mori“ (Redaktion: „Gedenke, dass du sterblich bist“). Aber ich habe nichts dagegen, wenn der Betrachter so etwas assoziiert.“

Lüngen weist darauf hin, dass die Figur aus einem eigentlich leeren Gewand besteht. Damit möchte er auf die Geistbestimmtheit des Heiligen Franziskus hinweisen. Andererseits möchte Lungen durch die im Armbereich wallende Gewandung eine Assoziation zum Barock herstellen, zum Barock deshalb, weil das einstige Ehinger Franziskaner-Kloster in der Barockzeit gegründet und die Liebfrauenkirche in dieser Zeit gebaut wurde; in ihr gibt es durchaus die Darstellung von Heiligen in Kutte und wallenden Gewändern.

Dass der Heilige gewissermaßen auf dem Boden sitzt und nicht, wie sonst in der europäischen Kunstgeschichte fast durchweg, stehend dargestellt ist, – diese Konzeption der Figur hat Lungen absichtlich gewählt und will damit die Erdverbundenheit und die Vergänglichkeit, auch eines heiligmäßig lebenden Menschen, andeuten. (Rest fehlt)

Bild: Christina Kirsch, SWP, lange nach dem SZ-Text fotografiert