06.07.2000 | „Die Mammutjäger vom Lonetal“ – Wenn Flinkfuß errötend der jungen Schönfeder folgt

(vf) – Vor kurzem ist im Gerhard-Hess-Verlag, Ulm, ein Nachdruck des Romans „Die Mammutjäger vom Lonetal“ erschienen. Die Verantwortlichen im Hess-Verlag sind Antiquare und bringen gern Reprints heraus von Büchern, die immer wieder antiquarisch nachgefragt werden, weil sie nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind.- So hat Hess für den Raum Ehingen bereits einige geschichtlich interessante Veröffentlichungen nachgedruckt.

Die „Mammutjäger“ aus der Feder des Frühgeschichtlers Gustav Riek, in den 30er Jahren erstmals bei Thienemann Stuttgart erschienen, wurden  in unserem Raum früher gern geschenkt und – vielleicht – gern gelesen. Ein Grund war: Die Funde in den Lonetal-Höhlen zwischen Ulm und Heidenheim in den 20/30er Jahren wurden damals als spektakulär empfunden (Leider hatten ja die Franzosen in ihren Höhlen viel tollere Funde gemacht).

Das Interesse an romanhafter Schilderung der einstigen Bewohner unserer engeren und weiteren Heimat hatte schon im 19. Jahrhundert beim Erscheinen von J. D. Weinlands Roman „Rulaman“ geboomt. Der fellbekleidete Rulaman lebte – in der Phantasie seines Autors – im Raum Reutlingen; die aufgrund von viel weiter reichenden Frühgeschichts­kenntnissen verfassten „Mammutjäger“ lebten eben im Lonetal, deren Höhlen Gustav Riek als einer der ersten auf ihre frühgeschichtliche Besiedlung hin erforschte und wo er erstaunliche plastische Tierdarstellungen und Höhlenmalereien entdeckte. Die „Mammutjäger“ waren in den ersten Jahrzehnten nach Erscheinen ein Hit der Kinder- und Jugendliteratur. Man darf annehmen, dass die Nachfrager heute vor allem Bücherfreunde sind, die das Buch einst zur Erstkommunion, zur Konfirmation, zu Weihnachten erhalten hatten und deren erstes Exemplar inzwischen verschlissen ist. Während wir als junge Leser an einer spannenden Story interessiert waren und die beiläufig einfließenden Informationen zur Frühgeschichte eben „mitnahmen“, weil es nicht anders ging, kann man als Erwachsener das Buch heute anders lesen.

Beim Anders-Lesen stieß der Verfasser dieser Zeilen auf einen Abschnitt, in dem der Autor sich vorstellt, wie vor etwa dreißigtausend Jahren auf der Alb männliche und weibliche Jugendliche sich begegnen, in unserem Fall der junge „Flinkfuß“ und die junge „Weißfeder“, vf hat im Folgenden einige Abschnitte aus dem Reprint ausgewählt, bei denen er den Eindruck hatte, dass hier eine geläufige Kritik an historischen Romanen sticht: Der Autor versetze Personen aus seiner Gegenwart  in  die beschriebene Vergangenheit; diese Figuren hatten Empfindungen, die zur Zeit des Autors üblich waren. Bildhaft gesprochen: Ein Roman-Römer sollte statt der Toga und des Purpurs eher ein Jackett tragen, und der beschriebene   Roman-Hurone sollte nicht im Kanu über die Großen Seen fahren, sondern im Cadillac über einen Highway des 20. Jahrhunderts.

Nun die von Riek erfundene Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Leuten der frühen Steinzeit.

Die junge Weißfeder „hatte stets gejubelt, wenn Flinkfuß ihr eine neu geschnitzte Rundfigur zeigte. Ja, sie konnte aus Freude und Bewunderung in die Hände klatschen. Weißfeder wusste nicht, dass Flinkfuß um ihretwillen manche Nacht voll Harm am Höhlenfeuer durchwacht hatte. Aber oft leuchtete es in ihren Augen geheimnisvoll, als wüsste sie doch um all die Gedanken, mit denen der schweigsame Flinkfuß umging. Bei manchem Besuche sprachen sie nur wenig miteinander. Aber ihre Blicke begegneten sich, sobald der Alte  unaufmerksam war oder sich mit der Glättung von Pfeilschäften und der Schärfung von Beinspitzen beschäftigte… Aus tiefster Seele begehrte er nach einem Leben mit Weißfeder.“

Und nun eine Stelle, die für die 30er Jahre fast als obszön gelten konnte. Flinkfuß beobachtet aus einem Versteck, wie sich Weißfeder auszieht:

 „Die schöne Weißfeder kam aus der Höhle, reckte und streckte sich einige Male und eilte flink an das flache Ufer des hier ziemlich breiten Flusses. Da warf sie sich behende auf den Bauch, spülte sich den Mund und trank, trank in vollsten Zügen aus dem klaren Fluss. Dann schlüpfte sie aus ihrem Lendenumhang, warf sich ins Wasser, prustete und plätscherte, versuchte, an der tiefsten Stelle zu tauchen, watete auf und ab und legte sich nah dem seichten Ufer lange still in das gleichmäßig strömende Wasser. Sie erhob sich, ließ das Wasser von ihrem Körper abtropfen, sprang ans Ufer und tanzte nackt auf den bemoosten und begrasten Wiesengrund umher, bis sie völlig trocken war. Sie knüpfte ihren Umhang um, der nur aus vielen schmalen, weißen und ganz weichen Renntierfellstreifen bestand, richtete ihre langer braunen Haare zurecht und kauerte sich noch ein wenig in die Morgensonne. Schließlich erhob sie sich.

Leise richtete sich Flinkfuß empor und setzte in jagenden Sprüngen durch den Fluss. Sein Herz klopfte, als er vor Weißfeder stand. Mit langem Blick und weit geöffneten Blauaugen sah Weißfeder auf Flinkfuß, und plötzlich war sie sich schuldbewusst. Rot und heiß schoss ihr das Blut zu den Schläfen.“

„Ahnen“ – „streitbare Jugend“

Braune Zeit kommt ins Blickfeld, wenn Riek einige Absätze später schreibt: „Wortlos schritten zwei Menschen vom Stamme der Mammutjäger mit leuchtenden Augen in die Wildnis, damit sie das Gesetz ihrer Ahnen erfüllten.“ Oder wenn der Häuptling sich freut, dass die männliche „Jugend so streitbar war“.

Bild: Das Titelbild des Reprints, mit einer Kalkfelsenpartie im Hintergrund, wie sie fürs Lonetal typisch ist. Davor ein wackerer Krieger vom Stamm der Mammutjäger.

05.07.2000 | Das Gymnasium stellt sich in Buchform vor

EHINGEN (vf) Zum Jubiläum „175 Jahre Gymnasium” bringt die Schule ein 300-Seiten-Buch heraus. Das erste Exemplar möchte die Schulleitung nächsten Dienstag dem Oberbürgermeister übergeben, danach wird das Buch für 20 Mark zum Kauf angeboten, insbesondere natürlich am Jubiläumsfest Mitte Juli.

Darstellungen der Gymnasiums Geschichte gibt es in Buchform seit den Jubiläumsjahren 1975 und 1986. Die Geschichte brauchte also nicht mehr dokumentiert zu werden. Das Redaktionsteam aus den vier Lehrern Wolfgang Sigloch, Jochen Fritz, Hermann Schmid und Josef Schmid, hat deshalb ein bemerkenswertes Konzept für die jetzige Neuveröffentlichung entwickelt und realisiert.

Sieben frühere, bedeutende Schüler des Gymnasiums werden vorgestellt, des Weiteren junge Künstler, die in den letzten Jahren aus der Schule hervorgingen. Verschieden preisgekrönte Aufsätze sind aufgeführt, herausragende Ergebnisse verschiedener Aufsatzwettbewerbe, eine Erzählung des inzwischen mit Preisen bedachten Schriftstellers und früheren Schülers Karlheinz Ott aus Oberdischingen. Der aus Lauterach stammende, jetzt als Lehrer in Rottenburg tätige Reinhard llg steuerte seine Examensarbeit bei: „Reden Ehinger Schulleiter im deutschen Kaiserreich”, zusammengefasst unter dem Motto „Abitur unter der Pickelhaube”.

Im folgenden verschiedene Beiträge etwas genauer.

Da sind zunächst einmal Biographien von bedeutenden Schülern; von dem aus Schelklingen stammenden späteren Mittelalter-Historiker Heinrich Günter (Hauptwerke erschienen während des Dritten Reichs); von dem Geistlichen und Verfasser einer bedeutenden Biographie des Astronomen Kepler, Max Kaspar; von dem Journalist und Schriftsteller Konrad Weiß; vom (aus Ertingen stammen) Mundartdichter Michel Buck, von dem aus Munderkingen stammenden einstigen württembergischen Staatsminister Karl Josef Schmid, von dem früheren Rottenburger Bischof Johannes Baptista Sproll („Bekennerbischof”)..

Dass diese Liste zusammenkam, verdankt sich zum Teil dem Zufall oder, wenn man so will, der individuellen Aufmerksamkeit: Ehingern war bisher wohl kaum bekannt, dass der vor 120 Jahren geborene Schriftsteller Konrad Weiß vor 100 Jahren sein Abitur in Ehingen ablegte; er war nicht bekannt, weil er eben, wie die meisten früheren Schüler, nicht aus Ehingen oder der näheren Umgebung stammte, sondern von weiter her, diesfalls aus Rauenbretzingen bei Schwäbisch Hall. Lehrer Wolfgang Sigloch war auf den früher bekannten, heute ziemlich vergessenen, 1940 gestorbenen Literaten in einer Publikation des Marbacher Literaturarchivs gestoßen. – Der Beitrag über den einstigen Munderkinger Bürgermeister und späteren Minister K. J. Schmid stammt aus der Feder eines entfernten Verwandten, des SZ-Redakteurs Wolfgang H. Schmid.

Die Neuerscheinung weist weiterhin die Aufsätze auf, mit denen die jetzigen Abiturienten Maria Pinzger und Anna Singer bei einem Landeswettbewerb vor drei Jahren Preise errangen (dieser Coup gelang den zwei Frauen dieses Jahr erneut).

Der frühere Schüler Felix Wassermann war bei einem Landeswettbewerb mit dem Aufsatz „Das verflixte Sieben” erfolgreich; auch dieser Aufsatz wird abgedruckt. Ingo Fahrner schließt inzwischen seine Doktorarbeit in Mathematik ab; als er Schüler am Gymmi war, stieß er mit mathematischen Überlegungen bei einem Bundeswettbewerb vor bis unter die Besten; auch dieser formelreiche „Text” ist wiedergegeben.

Einige in der Neuerscheinung vorgestellte junge Künstler, früher am Gymmi, haben es – wie der dreißigjährige, aus Berg  stammende Oliver Braig – bereits zu einiger Bekanntheit gebracht. Fünfzehn Aufsätze wurden von Schülern eingereicht zu verschiedenen Themen wie „Was eine Schulbank erzählt”, „Lohnt sich ein Schuljubiläum?” und „Ehinger Gymnasium im Jahr 2025″; aus den vorgelegten Aufsätzen wurde eine Auswahl getroffen und ist nun in dem Buch nachzulesen.

Texte und Bilder wurden von der früheren Gymnasiastin Bettina Spiegel (Abi 1992) und ihrem Sozius Olaf Bertsche in ihrer noch jungen Design-Firma in Neu-Ulm/Lehr in eine schicke Form gebracht. Das Ganze wurde bei der Ehinger Firma Junginger in 1400 Exemplaren gedruckt, auf von Sappi gespendetem gutem Papier. Wer will, kann jetzt auch die beiden früheren Schuljubiläumsschriften, von 1975 und 1986, miterwerben, im Doppel- und Dreierpack, für den Super-Preis von 30. und 35 Mark.