UNTERMARCHTAL (vf) – Mit einem Bein im Schwabenland, mit dem anderen in Ungarn, so kann man sich den Untermarchtaler Donauschwaben oder donauschwäbischen Untermarchtaler Josef Steiner vorstellen. Im Januar 1948 musste er als Achtjähriger seine Heimat im „Buchenwald“ westlich Budapest verlassen. Seine Familie fand eine neue Heimat in Untermarchtal, aber seit dreißig Jahren besucht Josef Steiner wieder das Herkunftsdorf und, seit er im Ruhestand ist, mehrere Male im Jahr. Er fühlt sich in Ungarn wohl, aber ganz umziehen will er nicht; da bietet ihm seine zweite Heimat Deutschland zu viel Vorteile.
Vor einigen Jahren hat Steiner in seinem Heimatdorf Bakonyjákó das Ferienhaus gekauft, in dem er zuvor schon zahlreiche Urlaubswochen verbracht hat. Er ist froh, dass Frau und Kinder gern mit ihm den Urlaub dort verbringen. Ehefrau Gisela geb. Schwatlo ist selbst heimatvertrieben; sie stammt aus Allenstein im einstigen Ostpreußen; aber in ihrer eigenen Heimat war sie bisher noch nicht. – Ganz einhellig ist die Begeisterung über die Fahrten nach Ungarn auch bei Steiners nicht: Die Eltern von Josef Steiner wollten nie mehr in das Dorf, aus dem sie an Dreikönig 1948 verjagt wurden, und die ebenfalls in Untermarchtal lebende Schwester unseres Gewährsmanns möchte mit dem Dorf im „Buchenwald“ ebenfalls nichts mehr zu tun haben.
Dabei lebte dort noch lange Zeit der Bruder des Vaters von Josef Steiner; er war der Kommunistischen Partei beigetreten und musste daher 1948 nicht, wie der überwiegende Teil der Bewohner des Dorfs, die Heimat verlassen. Damals wurden 235 von 283 Familien „ausgesiedelt“. Sie leben heute nicht nur in Deutschland, sondern in allen Erdteilen. In die leerstehenden Wohnungen zogen zum Teil ungarische Familien ein, die aus der („kommunistischen“) Slowakei vertrieben worden waren.
Viele donauschwäbische Häuser verfielen in den Jahren nach der Vertreibung; diesen Anblick wollten sich die Eltern von Josef Steiner nicht antun. Josef selbst hat da kleinere Probleme, aber schließlich hat er auch nicht so lange dort gelebt wie seine Eltern. Aber so gefühlshaft verbunden mit der Heimat der Vorfahren seit dem 18. Jahrhundert ist auch der Josef, und so hat er im Lauf der Jahre die Grabsteine der Großeltern und anderer Verwandter auf dem Friedhof von „Jako“ wieder gerichtet; diese Gedenksteine waren – im Gegensatz zu anderen mittel- und osteuropäischen Ländern – nicht umgeworfen oder „umgewidmet“ worden, sondern standen und stehen auf dem Friedhof des Dorfs.
Die Menschen dort sind heute weit überwiegend Ungarn, aber eine ganze Reihe von ihnen kann Deutsch, unter anderem auch deshalb, weil einige es bei früheren Auslandsreisen oder als Gastarbeiter in der DDR gelernt haben. Es ergibt sich der kuriose Umstand, dass ungarisch sprechende Menschen in den einstigen donauschwäbischen Gemeinden deutsche Volkslieder lernen und zu ihren Melodien tanzen lernen.
Die Familie Steiner kam 1948 zunächst nach Pirna bei Dresden, dann war sie drei Jahre in einem Lager bei Hof / Saale, zwei Wochen in Weingarten und ab 1952 in Untermarchtal. Josef Steiner lernte den Beruf des Malers bei der Firma Fiderer in Munderkingen und war dann 31 Jahre Maschinenführer in der Zellstoff; seit einem Jahr ist er in Rente. 1971 beantragte er erstmals ein Visum für eine Fahrt in die alte Heimat.
50 Jahre „danach“: Treffen mit Besuchern aus aller Welt 1998 („50 Jahre nach der Vertreibung“) und im Jahr 2002 trafen sich „Ausgesiedelte“ auf Initiative der jetzigen Jakoer Gemeindeverwaltung eben dort. Zum ersten Treffen kamen hunderte Jakoer in die alte Heimat, bis aus Kanada und den USA. Josef Steiner hat selbst Adressen für die Einladungsschreiben gesammelt und dem Rathaus von Bakonyjákó zur Verfügung gestellt. Bei dem Begegnungsfest vergangenen August, als ein Erzbischof die Messe las, wurde ein Museum eingeweiht; die „Deutsche Bühne“ aus Szekszard führte eine Operette auf, regionale Handwerke wurden vorgestellt, unter anderem war dabei: „Zsolt Lampert, Geringeltepeitschenhersteller“.

So sahen früher die Wohn-und Arbeitshäuser in der alten Heimat aus – Josef Steiner besuchte sie jetzt – Die Kirche des Heimatdorfes in Ungarn, im donauschwäbischen Dorf Bakonyjákó.