04.07.2003 | Abiturienten stellen sich ihr Leben als große Urlaubsreise vor

EHINGEN (ul / vf) – Die Ehinger Abiturienten des Jahres 2003 haben ihre Zeugnisse erhalten. Und sie haben eine streckenweise brillante „Abi-Zeitung“ herausgebracht ein gut 240 Seiten starkes Buch, schön gestaltet schön gedruckt auf gutem Papier. Titel und Motto des Bandes: „Der Reiseguide 2003 – AbiTui – Länder Menschen ABIteuer – Aus 88 Klassenzimmern in die Welt“.

Die Redaktionsgruppe Andreas Antes, Saskia Dolp, Susanne Kotz, Philipp Maier, Andre Schick, Christian Staudenmayer, Jennifer Werner und die „Helfer“ Friederike Dalferth, Thomas Felk, Peter Holzschuh, Jörg Miller, Ute Neumeister, Joachim Pfund und Christina Romer haben nach dem „Schriftlichen“ wochenlang geschuftet, um das alles auf die Reihe – genauer: auf die Seiten – zu bringen. – Sie haben, wie heute in dieser Altersstufe üblich, einige PC-, Informatik- und Gestaltungs-Spezialisten in ihren Reihen, die locker mit modernster Hard- und Software umgehen; diese „Ware“ wird auch bis ins einzelne aufgeführt: welche Rechner mit welcher Fähigkeit, welche Laptops, Linux-Server, welche Drucker, Scanner, welches Netzwerk, welche Programme (Adobe, Quark, Apache etc. etc. etc.), welche Flatrates und was noch alles. Noch immer aber enttäuscht letztlich die schönste Gestaltung, wenn man bei genauem Lesen Plattitüden feststellt. Dieser Dünnschiss ist heute bei vielen gedruckten und gesendeten Medien üblich: tolle Aufmachung, wenig dahinter, weil die Leute zwar mit allen Möglichkeiten unserer neuen Gestaltungsprogramme umgehen können, das haben sie gelernt, aber dann hat sich’s. Im Fall „Ehinger Abi-Zeitung 2003“ bescheinigt vf den Redakteuren, dass sie einige brillante Texte publizierten. Ein wirklicher Hit stammt von einem Lehrer, Robert Erni (Deutsch und Englisch); er verfasste zwei Dutzend „Orakel“. Erni stellt sich die Entwicklung seiner Schüler in den nächsten Jahrzehnten vor, mit Begriffen und Wendungen, die echt vom Hocker hauen. – Eine Lehrerin, Elisabeth Müller, steuerte eine Liste der Entschuldigungen bei, die ihr ihre Schüler in den letzten zwei Jahren so ‘rüberreichten.

Urlaub und Reise

Jedes Jahr stehen die Abi-Zeitung-Macher vor dem gleichen Problem: In welcher Reihenfolge stellt man die einzelnen Abiturienten vor? „Alphabetisch“ war nicht so gut, weil, dieses Sortierverfahren schon so oft für Abi-Zeitungen verwendet wurde. Frühere Zeitungsmacher versuchten sich in einer Anordnung nach Körpergröße, nach Alter, nach Leistungskurs-Wahl oder auch nach dem Geburtsgewicht. Die diesmal Zuständigen entschieden sich für
eine Einteilung nach gewünschten Urlaubszielen. Da wollen die meisten in Europa bleiben: 10 zieht es-nach Italien, 8 nach Spanien und nur drei nach Frankreich oder in die Schweiz. Ohne jeden Reisewunsch bleiben unsere östlichen Nachbarn, Benelux und England. Überraschend begehrt ist das Ziel Jamaika (8), Kuba (7) und Haiti (6). In die USA
will keiner. Im Kontinent Afrika gibt es nur zwei erwünschte Reiseländer: Ägypten (2) und Simbabwe (4). 12
Abiturienten wollen Asien erkunden, China ist nicht dabei. Immer größeren Umfang nehmen die „Urlaubsgrüße“ an: Auf 18 kleinbedruckten Seiten teilt man seine Vorlieben für bestimmte Mitschüler mit, erinnert an die gemeinsam verbrachten Zeiten und wünscht sich und anderen alles Erdenkliche. Ein Muss sind wohl auch die Zitate von Lehrer-Sprüchen.

Die „Zeitung“ steht entschieden unter dem Motto „Urlaub“ und „Reisen“. Man darf annehmen: Die Spaßgesellschaft ist ein zentraler Wert. Zu dieser Einschätzung passt auch, dass einige Abiturienten für diese „Zeitung“ ausgiebig Ehinger Gasthäuser und Kneipen getestet haben und das Ergebnis veröffentlichen.

Was gesagt werden darf- was nicht gesagt werden darf

Wie in diesen „Zeitungen“ so üblich, stellen sich die Abiturienten mit Bild und Eigenheiten („Lastern“) vor. Man erkennt, was heute gesellschaftlich zugelassene Laster sind. Was nach wie vor nicht zugelassene Laster sind, wird nicht einmal im Allgemeinen genannt; der gesamte Sexualbereich fällt raus. Die jungen Leute haben kein Problem damit, sich selbst gehäuften Alkohol, Zigaretten- und Süßigkeiten Konsum zu bescheinigen. Von anderen Teilen unserer Psyche und unseres Körpers reden die aufgeklärten jungen Leute so wenig wie wir Älteren. Hier ist von der angeblich den „68ern“ zu verdankenden Liberalisierung der deutschen Öffentlichkeit (hörte und las man so) null zu merken.

Die netteste Lehrerin

Jahrelang wurden die Schüler geprüft und benotet. Nun drehen sie den Spieß gewissermaßen um, stellen ihre Lehrer auf den Prüfstand und vergeben Sympathie- (und Antipathie-)Noten. Wie schon in früheren Jahren schneidet Mathe- und Physik-Lehrerin Brigitte Schmid, Munderkingen, wieder hervorragend ab, sie kriegt die klar beste „Abi-Note“.

Genaue Lektüre

Vf liest zwar langsam, aber oft genau: Schulleiter Knöbl zitiert auf Seite 8 einen klugen Mann mit dem angeblichen Namen „Hakuin“ – der hätte wohl Alkuin heißen müssen.

Ulrike und Veit Feger

29.06.2003 | Privates aus Ehingen, vor bald sechzig Jahren

REGENSBURG/MÜNCHEN/ EHINGEN (vf) Im vergangenen Jahr erschien im Verlag C. H. Beck, München, der zweite Band einer Selberlebensbeschreibung des früheren Regensburger Romanistik-Professors Johannes Hösle: „Und was wird jetzt“. Hösle, 1929 in Erolzheim im südöstlichen Kreis Biberach geboren, verbrachte einige Jugendjahre unmittelbar nach dem Krieg in Ehingen, als Schüler am Gymnasium, mit Blick auf ein künftiges Theologiestudium. Über seine Jahre in Ehingen schreibt Hösle in dem Buch einige Dutzend Seiten.

Der Lebensweg wurde ein anderer, weg von Theologie und Kirche, ein Lebensweg auf dem Umweg über Tübingen hinaus nach Frankreich und Italien, zur Heirat mit einer Italienerin, zur Tätigkeit als Leitereines Goethe-Instituts in Italien und später als deutscher Universitätsprofessor für romanische Literaturen. -Was Ehingen betrifft, erinnert sich Hösle an vieles recht gut. Kleine Ungenauigkeiten kann man übersehen (einen seiner damaligen Lehrer nennt Hösle „Breitenbacher“, richtig ist „Breitenbach“). Hösle erinnert sich an den einstigen Konviktvorsteher Lenk (Spitznamen „Stopps“), an verschiedene Lehrer des Gymnasiums, unter anderen an den von ihm verehrten Hugo Frommlet, an Klassenkameraden, die, soweit sie noch leben, heute auch alle Mittsiebziger sind. Einige der Mitschüler- und Freunde-Namen, die da auftauchen: Willi und Elfriede Neu, Rudolf Denkinger, Karlheinz Steingart, Traugott Manz aus Schelklingen, Otmar Reuter (ein Sohn des damaligen Landwirtschaftsschulleiters). Hösle erinnert sich auch an den damaligen französischen Gouverneur in Ehingen Jean Noutary (der übrigens eine umfangreiche Beschreibung des Raums Ehingen verfasste) und an Gymmi-Chef Schmid, den Vorgänger von Dr. Breitenbach. Beeindruckt zeigt sich Hösle noch über ein halbes Jahrhundert später von den Formen der Schwester seines Freundes Otmar. Der Stil dieser Sätze lässt etwas von der nicht unbedingt bewundernswerten literarischen Qualität des Textes erahnen: „Ihre zumeist von keinerlei Zaumzeug der Miederindustrie gebändigten Brüste, die sich unter ihren Blusen und Pullovern keck und aufreizend abzeichneten und diese fast durchbohrten, waren kaum weniger scharf als der Verstand ihres Bruders.“

Der Bruder der so begeistert beschriebenen Schönen, Zahnarzt Elmar Reutter, las seiner schon seit Jahrzehnten in Kanada lebenden Schwester diese Passage vor und bereitete der- in Ehingen am ehesten als hervorragende Sängerin erinnerten – Schwester einige amüsierte Minuten.

Hösle hat den Kontakt zu Ehingen nicht verloren. Er besuchte mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten Gymnasiumsfeste und vor allem die ihm von seiner Gymmi-Zeit her bekannte Familie Steingart. Karlheinz Steingart erinnert sich dankbar an Johannes Hösle; dieser half dem vier Jahre Jüngeren zu Beginn des Lehrer Studiums in Tübingen mit gutenTipps.-Ein Sohn J. Hösles mit dem schönen Vornamen Vittorio (passend zum bieder-schwäbischen „Hösle“) brachte es zum Philosophie-Professor und vielfachen Buchautor; Vittorio war auch einige Zeit Professor an der Uni Ulm. Unsere Notiz beschränkt sich hier auf den Bezug des J.-Hösle-Buchs auf Ehingen. Viel Meinung über die Qualität dieser Biographie will der Verfasser dieser Zeilen nicht abgeben, außer jenen zwei Sätzen, dass er schon beeindruckendere und aufschlussreichere Autobiographien gelesen hat, in den letzten Jahren vor allem „Die Mütze“ von Roman Frister, und auch Biographien, deren Deutsch-Stil ihm mehr zusagt.

Veit Feger

Der zweite Band der Lebenserinnerungen von Johannes Hösle trägt einen bebilderten Schutzumschlag und zeigt den jungen Johannes Hösle und eine nicht näher bezeichnete Frau mit plissierter Bluse und plissiertem Rock. Repro: SZ Ehingen

23.06.2003 | Ein Landwirt Mitte siebzig erinnert sich genau

OBERDISCHINGEN (vf) – Seit kurzem liegt ein fast 350 Seiten starkes Buch in schönem Druck auf gutem Papier vor: Der Oberdischinger Mittsiebziger Josef Huber hat seine Lebenserinnerungen verfasst. Der Titel: „Was Großvater erlebte -1927 – 2002“. Das Copyright der Neuerscheinung liegt beim Autor, der aus der Nähe von Tuttlingen stammt, aber seit bald einem halben Jahrhundert in Oberdischingen lebt; er heiratete in den 50er Jahren in einen stattlichen Bauernhof hier ein und betrieb den Hof über Jahrzehnte hinweg mit seinen Angehörigen.

Huber führte über Jahrzehnte hin Tagebuch und notierte darin sowohl Privates, Berufliches wie auch Ereignisse aus der sogenannten Großen Politik. Aufgrund eines hervorragenden Gedächtnisses und dieser Tagebücher, unterstützt von bewundernswert hilfreichen Familienangehörigen und von dem in Oberdischingen lebenden Buchherstellungs-Fachmann Werner Kreitmeier, legte Huber in mehrjähriger Arbeit seine Erinnerungen nieder; die handschriftlichen Notizen wurden von Angehörigen in einen PC eingegeben. Sie betreffen ganz Alltägliches, aber auch „Leben und Tod“, besondere Erlebnisse wie Ausflüge und Ferienaufenthalte, Messen Besuche, Tätigkeit in verschiedenen Ehrenämtern (Gemeinderat, Kirchengemeinderat, Schöffe etc.) und mehr.

Huber bemüht sich durchgehend, die früheren Lebensverhältnisse, auch die früher auf Bauernhöfen und in Handwerksbetrieben verwendeten Geräte und Techniken dem Leser zu erläutern; ein kluger, älter Mann weiß, dass heute so vieles anders ist als früher; er erzählt mit viel Verständnis für Jüngere. Huber hält nur wenig für selbstverständlich von dem, was er erlebte: Er gibt immer wieder Erläuterungen. So wird sein Buch eine Fundgrube zur Landwirtschafts- und Technikgeschichte der letzten siebzig Jahre. Da gab es ja mehr als genug Wandel, von einer Form der Landwirtschaft, die noch in vielem der des beginnenden 19. Jahrhunderts ähnelte, bis zu der heutigen, die den Bauernhof maschinisiert, elektronisiert, in große Maßstäbe übersetzt.

Auch das beste Gedächtnis würde es nicht erlauben, so erstaunlich viele Details Jahrzehnte später genau wiederzugeben (einschließlich der Preise, etwa, was ein Bier in einer dörflichen Kneipe 1960 kostete). Aber Tagebuchnotizen, über Jahrzehnte hin säuberlich per Hand, zum Teil – wenn es sich um delikate Details handelte – in kaufmännischer Kurzschrift („Steno“) niedergelegt, ermöglichten es dem Verfasser, eine Chronik seines Kindheitsdorfes Geisingen, der Gemeinde Oberdischingen und der Umgebung zu liefern, die einen Leser, der viele der hier genannten Namen und Personen kannte oder sich als Zeitungsmacher an sie erinnert, nur staunen lässt. Das Register am Schluss des Buchs verzeichnet etwa achthundert Namen von Personen und Orten. Da taucht so gut die frühere Dorfchronistin (und Mitarbeiterin der Ehinger SZ) Toni Munding auf wie der frühere Ehinger Veterinär Dr. Genning. Da kriegen wir mit, dass der Verfasser (berufs- und parteibedingt) befreundet ist mit dem früheren Bauern-Repräsentanten Honor Funk und seiner Familie. Einige weitere Namen, eher willkürlich ausgewählt: Hans Balleisen, Heinrich Bareiss, Manfred Braig (Ehingen), Schwester Cäcilita, Walter Hiller (Herlighof), Franz Simon (Ehingen). Auch Karl-Heinz Ott, der aus Oberdischingen stammende Schriftsteller, wird im Register genannt, der örtliche Bauern-Repräsentant Hans Zink kommt gleich zehn Mal vor. – Weil Huber das Kleine und das Große ernst nimmt, erscheinen im Register die verschiedenartigsten Ortsnamen nacheinander: London, Lourdes, Lübeck, Lugano, Luppenhofen, Maastricht“. Diese alphabetische Reihung lässt die Breite und die Weite im Beobachten und Denken Hubers spürbar werden.

Mit der Neuerscheinung haben wir nun binnen weniger Jahre aus einer nicht großen Gemeinde (unter zweitausend Einwohner) zwei Selberlebensbeschreibungen – mit großen Unterschieden und kleinen Gemeinsamkeiten. Wir können beispielsweise bei Ott nachlesen, wie er den örtlichen Pfarrer empfand, und wir lesen bei Huber, für welche Baumaßnahmen Martin Übelhör zuständig war.

Huber ist ein religiöser Mensch, mit jener Sicherheit des Fühlens und Urteilens, die häufig solchen Menschen eignet. Wenn es um Religiöses geht, legt Huber auch mal Bekenntnisse ab, etwa zur vorehelichen Keuschheit künftiger Ehepaare. Huber formuliert auch hier zurückhaltend, ohne Schaum vor dem Mund. So fällt es dem Verfasser dieser Zeilen leichter, über ihm weniger Zusagendes hinwegzusehen (etwa über einige Sätze zum Dritten Reich). An manchen Stellen des Buches wünscht sich der Verfasser dieser Besprechung, dass der Leser, den Text „gegen den Strich“ („kritisch“) liest.
Aber der Gesamteindruck wird durch diese Anmerkung nicht getrübt: Ein Mann ohne Abitur, mit dem Herz auf dem rechten Fleck,! hat einen sehr respektablen Beitrag zur Heimat- und Landwirtschaftsgeschichte, in mancher Hinsicht auch zur Mentalitätsgeschichte der letzten Jahrzehnte im deutschen Süden geleistet. Hut ab, erst recht wenn man bedenkt, dass dieser Mann nur die Uni namens „Leben“ besuchte, dass Schreiben für ihn ein Leben| lang nur eine Freizeitangelegenheit war, abendliche Selbstvergewisserung nach einem harten Arbeitstag.

PS: Unsere Bitte um ein Foto lehnte der uneitle Mann ab; dabei hatten wir es so geschickt getroffen, als wir ihn am frühen Fronleichnamstagmorgen beim Blumenteppich-Anlegen antrafen. Das Buch kann in Ehingen an der Kasse des Museums zu dessen Öffnungszeiten erworben werden (10 Euro).

23.06.2003 | Frau leitet künftig Mädchenrealschule

OBERMARCHTAL / UTTENWEILER / EHINGEN (vf) – Der langjährige Leiter der katholischen Mädchen Realschule Obermarchtal, Anton Huber, wird am 22. Juli, 18 Uhr, in einer Feierstunde im Spiegelsaal verabschiedet. Als seine Nachfolgerin wird Angelika Rieger vorgestellt.

A. Rieger ist seit einigen Jahren Konrektorin des katholischen Bildungszentrums „Bischof Sproll“ in Biberach-Rißegg und wohnt seit 1994 in Uttenweiler. Etwa ein halbes Dutzend Personen hatten sich für die Stelle beworben; die Entscheidung fiel im Stiftungsrat der Katholischen Freien Schulen der Diözese.

Noch einige Angaben zur Person der künftigen Schulleiterin: Angelika Rieger wurde als Kind von Flüchtlingen aus dem Raum Frankfurt / Oder (heute Polen) vor 52 Jahren in der damaligen DDR geboren; ihre Eltern flüchteten 1954 weiter in den Westen, landeten in Biberach und waren dort berufstätig. Angelika besuchte die Volksschule und die Handelsschule in Biberach, arbeitete bei einer Bank, schenkte einer Tochter das Leben (die heute 32 Jahre alt und selbst schon zwei Kinder hat), holte -an einem Abendgymnasium in Freiburg das Abitur nach, studierte an der PH Freiburg und kam Ende der 80er Jahre wieder zurück ins Schwabenland, nach Biberach, an die Bischof-Sproll-Schule. Ihr Mann ist Leiter der Beruflichen Schulen in Riedlingen. – Uttenweiler liegt also nach wie vor für die Berufstätigkeit der beiden Eheleute günstig. In der Freizeit singt Angelika Rieger gern (im Kirchenchor Uttenweiler). Früher tanzte sie auch in einem Biberacher Sportverein, ohne besondere Ambitionen, des Spaßes halber; aber seit das Ehepaar in Uttenweiler baute, sagt unsere Gesprächspartnerin, war für dieses Hobby keine Zeit mehr.

20.06.2003 | Buch aus Augsburg würdigt einen großen Sohn der Gemeinde Altheim

ALTHEIM / AUGSBURG / ALLMENDINGEN (vf) – Vor einigen Wochen wurde die renovierte Altheimer Pfarrkirche wieder ihrer offiziellen Aufgabe übergeben. Die Ehinger SZ veröffentlichte in diesem Zusammenhang einen großen Text zur Geschichte der Kirche, den der aus Altheim stammende Geistliche und Heimatgeschichtsforscher Tiberius Denkinger vor vierzig Jahren verfasst hatte, damals aus Anlass gleichfalls einer Kirchenrenovation. – Nun erinnert seit einiger Zeit auch eine Steintafel an der Pfarrkirche an einen weiteren bedeutenden Sohn der Gemeinde, den einstigen Augsburger Fürstbischof Johann Christoph von Freyberg (Bischof von 1665 bis 1690). Im Jahr 2001 ist eine ausgeweitete Dissertation von Walter Ansbacher über von Freyberg erschienen, mit dem Titel „Das Bistum Augsburg in barockem Aufbruch – Kirchliche Erneuerung unter Fürstbischof J. C. von Freyberg“. Das über vierhundert Seiten umfassende, sorgfältig gearbeitete Buch ist herausgegeben vom „Verein für Augsburger Bistumsgeschichte“ mit Sitz in 86152 Augsburg, Fronhof 4, und kann dort bestellt werden.

Bischof von Freyberg zeichnete sich allem nach dadurch aus, dass er sich in den schweren Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg sehr für eine gute Seelsorge, für die Förderung von religiösen Bruderschaften und Wallfahrten und für die Wiederherstellung von Kirchen engagierte. Allem nach gab er nicht – wie manche andere Kollegen – viel Geld für Repräsentativbauten aus. Er war ein guter Haushälter. Zeitgenossen rühmen an ihm einen Zug, der schon seit der Antike in Herrscherlob-Standardtexten vorkommt: dass er jeden, auch den kleinen und kleinsten Mann, freundlich angehört habe. Wenn das stimmt, war es sicher ein sehr positiver Zug. Was heute die Chefsekretärin (als Vorzimmerdrachen) sein kann, das war früher der Herr Kämmerer oder sonst ein Vorzimmer-Arroganter, der seinen Herrn gegen unangenehme Nachfragen und Bitten abschirmte. Von Bischof Freyberg heißt es, er sei eigens vor die Tür seines Bischofspalais’ gesessen, um so den direkten Zugang zu ihm jedermann zu ermöglichen.

Über die Person des Fürstbischofs (nicht über den Amtsträger) erfahren wir in dem Buch von Ansbacher wenig. Das kann einfach daran liegen, dass es Zeugnisse des privaten Lebens nicht oder nicht mehr gibt. Zudem musste früher oft genug das Persönlich hinter den Anforderungen des Amts, eben eines „repräsentativen“ Lebens, zurücktreten. So haben wir von dem einstigen Altheimer, der sein Heimatdorf als zehnjähriger Richtung Jesuitenschule und dann Universität
verließ, nur „amtliche“ Porträts, im Habit eines Geistlichen oder eines Bischofs, mit Mitra und Bischofsstab, die rechte Hand segnend erhoben. Dem Verfasser dieser Zeilen fällt ein Kinderliedvers ein: „langsam und mit Würde – trägt er seine Bürde.“ Für Freybergs uneitlen Charakter spricht, dass er sich nicht nur als Bischof, sondern auch nur als Geistlichen darstellen ließ (die Amtstracht ähnelt der eines heutigen evangelischen Geistlichen). Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des neuen Buchs aus Augsburg erinnert in vielem an eine Verwaltungsgeschichte – nur eben mit kirchlichem Einschlag. – Der Bischof war wohl auch nicht anders als seine Standes- und Berufskollegen. – Einmal ist in dem Buch kurz die Rede von einer Problemgruppe früherer (und auch heutiger) Zeiten, den Juden. Am Umgang mit Minderheiten lässt sich viel über die Humanität einer Gesellschaft ablesen. Da wird vom Autor Ansbacher dann sogleich die Zeitgenossenschaft Freybergs in apologetischem (verteidigendem) Sinn betont: „Als Kind seiner Zeit sah Bischof Freyberg auch im Judentum eine Gefahr für die katholische Religion. Er förderte in diesem Zusammenhang die Corpus-Christi-Bruderschaften,… die sich vor allem gegen ‚Juden, Ketzer, Gläubige und Ungläubige in der ganzen Welt‘ richteten, weil diese das Allerheiligste Altarssakrament „unaufhörlich entweihen“.

31.05.2003 | Eine Folge aus Diakon Geigers Hilfsaktion

MADAGASKAR / RINGINGEN (hei / vf) – Der 25-jährige Schreiner Johannes Maucher aus Ringingen arbeitet derzeit als Praktikant in einer madagassischen Ordensschule. Ende Juni wird er zurückkehren. Der Kontakt entstand, als der Ringinger Diakon Karl Geiger vor einigen Monaten Besuch aus Madagaskar erhielt.

Bekanntlich sammelt Geiger seit Jahren Spenden für eine Ordensschule in Antsirabe im Hochland der Tropeninsel Madagaskar. Die Leiterin der Schule, Schwester Victorine Razafiorisoa vom Orden der Salettinerinnen, besuchte im Winter die Ordenszentrale in La Salette / Frankreich und auch die Ringinger Familie Geiger, die seit Jahren die Schule unterstützt. Karl Geigers herzliche und glaubwürdige Art hat ihm in diesen Jahren geholfen, die Herzen vieler Menschen in Deutschland für seine Bitten zu öffnen. Die Ehinger Schwäbische Zeitung hat über die Spendenaktion des Öfteren berichtet.

Fast so ungewöhnlich wie die Hilfsaktion für die Schule in Antsirabe ist das Zustandekommen unseres Berichtes. Er wurde uns aus Madagaskar übersandt, von einem 44-jährigen deutschen Journalisten aus der Pfalz, der seit drei Jahren auf Madagaskar lebt und sich mit diesem totalen Wechsel seiner Lebensumstände einen Lebenswunsch erfüllt.

Einige Angaben zu Johannes Maucher. Der heute 25-Jahrige besuchte in Ringingen die Grund- und in Ehingen die Realschule; er lernte seinen Beruf in der Ringinger Schreinerei Sebald, leistete in der Stiftung Liebenau bei Ravensburg seinen Zivildienst in einer Wohngruppe für geistig Schwerbehinderte ab, erlangte die Fachhochschulreife, arbeitete als Schreinergeselle in Neu-Ulm, studierte drei Semester Design in Furtwangen / Schwarzwald und hat sich jetzt entschieden, seine beruflichen Fähigkeiten als Lehrer einzusetzen; schon in Ringingen leitete er eine Kindergruppe der katholischen Landjugend. – An den Menschen in Madagaskar gefällt Maucher deren herzliche, offene Art, trotz aller realen Armut. – Den Kontakt nach Deutschland hält Maucher per e-mail aufrecht. Am ehesten vermisst er in Antsirabe Tageszeitungen mit Informationen über zuhause und anderswo; die abgelegene Lage von Antsirabe auf einer armen, verkehrsmäßig wenig erschlossenen Insel im Indischen Ozean bedingt, dass er dort kaum aktuelle ausländische Zeitungen kaufen kann.

An der Ordensschule in Antsirabe, dem “College Sainte Therese“, wo nun auch Johannes Maucher versucht, dienlich zu sein, werden rund 1600 Mädchen und Jungen von drei bis 16 Jahren unterrichtet. Eines der wichtigen Elemente der „Geschwisterhilfe“ von Karl Geiger ist die Mitfinanzierung einer Schulspeisung: Viele Kinder könnten die Schule in Antsirabe nicht besuchen, wenn ihnen dort nicht ein einfaches Essen gereicht würde, die’ Eltern haben das Geld nicht und wohnen meist weit von der Schule entfernt.

Praktikant Johannes Maucher mit den Salettiner-Schwestern Claire, Victorine, Marie-Jo und Nadette auf dem Schulgelände in Antsirabe . Maucher und Schwester Victorine drücken im College kurzzeitig die Schulbank – zur Erheiterung der eigentlichen Schüler.    Fotos: Heimer

Karl Geiger hat bekanntlich die Schule bereits zweimal besucht: 1999 und 2001. Die ersten Kontakte zur  Salettiner-Mission knüpfte er bereits vor über zwanzig Jahren, bei Pilgerfahren nach Frankreich, „in Gesprächen mit Schwester Victorine,  so Geiger, „wurde mir bewusst, dass ich mehr tun muss als nur selbst zu spenden.“ – 1998 gründete Geiger die „Geschwisterhilfe für Madagaskar“, die inzwischen in großartigem Umfang Geld- und Sachspenden auf den Weg nach Madagaskar brachte. Der erste Container, mit dem Spenden transportiert wurden, dient heute als Reis-Lager für die Schule. – Der zweite Container soll, so Karl Geiger, vor allem Medikamente und ärztliche Instrumente im Wert von 18.000 Euro enthalten. Mediziner in Madagaskar haben eine Wunschliste erstellt. Geiger hofft auch, dreißig bis vierzig Computer zusammenzukriegen, die er an das College und eine benachbarte katholische Hochschule schicken möchte. Geiger: „Ich weiß noch nicht, wie ich das alles zusammenbringen soll, aber mit Gottes Hilfe wird es irgendwie gehen“.

In Ringingen selbst sammelt Geiger keine Spenden, da von hier aus bereits ein aus Ringingen stammender Missionar in Südafrika unterstützt wird.

Von Rheinland-Pfalz nach Madagaskar

Die Fotos und viele der hier verwendeten Informationen übermittelte der Ehinger Schwäbischen Zeitung Klaus Heimer aus Antananarivo auf Madagaskar. Der 44-Jährige stammt aus Bad Sobernheim in Rheinland-Pfalz und arbeitete dort zwanzig Jahre bei einer Tageszeitung als Redakteur und Redaktionsleiter. Er wollte aber schon immer, schreibt er, „mit vierzig was Neues machen’. Seit 1985 reiste er immer wieder auf seine „persönliche Trauminsel Madagaskar, später auch als Reiseleiter“. Vor drei Jahren nun hat er seinen Beruf in Deutschland an den Nagel gehängt und lebt auf der Insel als Fotograf, Journalist und Reiseleiter, vor einem Jahr gründete er eine „klitzekleine Presse- und Touristikagentur“, „pro Madagaskar Sari“, und versucht so, sich „über Wasser zu halten, – ist auf einer Insel sehr wichtig!)!“ – Bis vor kurzem war er ledig, an dem Tag, an dem er uns seinen Bericht zumailte, verlobte er sich. Heimer „will nicht mehr zurück nach Deutschland. Aber keine Sorge, ich werde dort nicht polizeilich gesucht.“

Mit der postalischen Beförderung von dort nach Deutschland scheint es nicht zum Besten bestellt; die Fotos gelangten nach Deutschland mit Hilfe eines Touristen. – Eine andere, weniger schöne Seite der schönen Insel, so Heimer: Im Süden sind hunderttausende Menschen vom Hungertod bedroht.

INFO: Madagaskar ist 1580 Kilometer lang und 580 Kilometer breit, die Fläche: 587.000 Quadratkilometer (zum Vergleich: die heutige Bundesrepublik umfasst nur 357.000 Quadratkilometer). Madagaskar hat 14 Millionen Einwohner, Deutschland 82. Von 1885 bis 1960 war das Land französische Kolonie.

23.05.2003 | Mehr oder weniger glaubhaft

HINGEN (vf) Sissi Kicherer, Hundersingen, und Wolfgang Baumbast, Ehingen, sollten in Manfred Maysers „Kulturbar“ am Tränkberg selbstverfasste Liebesgedichte vortragen. Baumbast war erkrankt. Statt seiner trug der Wirt und (einstige) Schauspieler Mayser eine Reihe Gedichte Baumbasts vor.

Vf kannte bisher Baumbast-Gedichte aus Baumbast-Vorträgen. In der „KuBa“ konnte man nun erkennen: Baumbast-Gedichte sollten von Baumbast vorgetragen werden, für diese bekenntnishafte Lyrik (wie für jene Sissi Kicherers) gilt: Es gibt eine große Nähe von Verfasser und Text. Diese Gedichte wirken glaubhafter und wirken damit auch mehr, wenn der Verfasser selbst sie vorträgt trägt. Der Vortrag mag sprachlich wenig geschult klingen, weit weniger als der durch den Schauspieler und Wirt, aber eben glaubhafter. Zu Baumbasts Gedichten gehört das Zögerliche, Zurückhaltende, Nachdenkliche, beinah: leicht Verschämte. Ein fröhlicher, selbst gewisser, athletischer Typ wie Mayser wirkt wie ein Rezitator, ein Techniker des Vortrags, aber wenig glaubhaft. Dieselbe Beobachtung gilt auch für Sissi Kicherers Gedichte, die von ihr in der KuBa streckenweise so hingeflüstert wurden, dass selbst ein Zuhörer an ihrer Seite sie kaum noch verstand (erst recht bei den Hintergrundgeräuschen einer Kneipe). Aber „abnehmen“, für unverlogen halten – das ist eher der Fall, wenn die beiden genannten Autoren selbst sprechen.

08.05.2003 | Drei neue Störche auf dem Munderkinger Rathausdach

MUNDERKINGEN (vf) – Angenehme Nachricht für lokalpatriotische Munderkinger und Freunde einer bedrohten Vogel-Art: Das Storchenpaar auf dem Rathausdach hat drei Störchlein zum Schlüpfen gebracht.

Storchenfreund Albert Merkte hat vom Turm der Stadtpfarrkirche aus das erfreuliche Ergebnis von Eierlegen und Brüten beobachtet. Er kümmert sich bekanntlich mit weiteren Storchenfreunden der Stadt um die Besiedlung auf dem Rathausdach. So hat er beispielsweise auch dieses Jahr wieder das Nest dort oben gereinigt. Das Nest wird nicht von den Störchen, sondern vor allem von Tauben verschissen (pardon!!!). Störche machen ihr „Geschäft”, so Merkle, außerhalb ihres Nestes (ist ja auch ganz vernünftig). Aus Emerkingen ist noch keine ebenso freudvolle Nachricht von der Fortpflanzungstätigkeit der Großvögel zu berichten; dort nisten zwar ebenfalls zwei Störche, aber sie sind – bisher jedenfalls – ohne Nachwuchs. – Schon erstaunlich, was aufmerksame und geduldige Beobachter im Lauf von Jahren mitkriegen. Die Munderkinger Storcheneitern – seit Jahren die selben – fliegen im Herbst nicht über Land und Meer nach Süden, sondern bloß bis nach Uttenweiler – heidanei!!! Dort überwintern sie beim Mühlenweiher und fühlen sich da anscheinend ganz wohl. Aber ihre Jungen, so die drei Überlebenden des vergangenen Jahres, die hauen ab ganz weit fort, zumindest bis zum Mittelmeer, vielleicht darüber hinaus auf dessen Seite und mitten in das warme Afrika (so genau weiß man das nicht) und wachsen drei Jahre lang fern der Heimat, bis sie, wie das so schön heißt: „geschlechtsreif” sind (nicht: schlachtreif, eine andere Form der Reife, vor allem von Vierbeinern). Dann kommen sie in unser geliebtes Deutschland zurück (so hoffen wir Vaterlandsfreunde jeden falls) und sorgen hier dafür, dass die Störche als Art nicht aussterben. Wäre ja auch schlimm, wenn auf unseren Rathäusern keine solchen großen Vögel mehr wohnen. Auch die Emerkinger Störche reisen nicht mehr bis nach Kenia, auch sie überwintern hier, und diese faulen Säcke fliegen nicht mal bis nach Uttenweiler, sie überwintern bereits auf Wiesen zwischen Munderkingen und Emerkingen. Der Munderkinger Storchenfreund Dr. Biegert erleichtert ihnen diese Entscheidung für Deutschland, ja sogar für unsere engste schwäbische Heimat dadurch, dass er sich um ihre Verpflegung kümmert.

08.05.2003 | Warum und wozu Jakob Locher?

Der Ehinger SZ-Mitarbeiter vf bedauerte in einem Kommentar zu dem Vortrag vergangene Woche über Jakob Locher den schlechten Besuch dieses Vortrags. Ein Mitarbeiter hielt ihm entgegen: „Locher- das ist doch töter als tot! Warum sich dafür interessieren?”- Nun hat vf einige Gedanken notiert, warum man sich für Jakob Locher interessieren darf (vielleicht gar: soll), jedenfalls als Ehinger.

Ja, da ist zunächst mal der Lokalpatriotismus. Man muss diese Eigenschaft ja nicht unbedingt teilen. Aber anderswo, bei anderen Themen und anderen Städten, regt sich über jede Menge Lokalpatriotismus niemand öffentlich auf. Wurden die Bürger der Stadt Leimen für gaga erklärt, weil sie in großer Zahl einem Mann, der nichts anderes tat, als Bälle durch die Gegend schlagen, Massenempfänge bereiteten?? Nein! Was die Leimener taten, wird von sehr vielen Deutschen für o.k. empfunden. Und auch viele Ehinger fänden es toll, wenn aus ihrer Stadt ein Mann käme, der so schön wie der Leimener Bälle durch die Gegend schlägt. Und es gibt sicher eine ganze Reihe Ehinger, die den Blaubeurenern einen von dort stammenden Mann neiden, der – iwo, einen Menschen gesund pflegte, einen, der eine neue Medizin gegen eine Krankheit entdeckte oder eine stabile Brücke plante oder gut bewohnbare Häuser für Menschen baute, nein, einen Mann, der nichts anderes tut als schnell über gebahnte Wege zu laufen. Nach ihm wurde bereits zu seinen Lebzeiten, unter einhelliger Zustimmung des örtlichen Stadtrats, eine Sporthalle benannt. Kein einziger anderer Blaubeurer wurde dieser Würde für wert erachtet. – Warum sollte da nicht einmal alle zehn Jahre in Ehingen ein aus Ehingen stammender Mann mit einem Vortragsabend gewürdigt werden, ein Mann, der am Beginn des Theaterspiels heute üblicher Art in Deutschland stand?

Vielleicht nicht Hinz und Kunz, aber Leute, die mit Physik was am Hut haben, halten einen Herrn Newton für einen Heroen, wert, dass man sich seiner erinnert, obwohl ein heutiges Physik-Buch weit mehr Erkenntnisse aufweist als jener Herr zu seiner Zeit zustande brachte (freilich: Ohne seine Arbeit wären die heutigen Physik-Bücher vermutlich nicht ganz so inhaltreich). Nun, die meisten geistigen Taten, betreffen sie nun physikalische Gesetze, dichterische Texte oder Kompositionen, werden mal überholt. Frühere geistige Leistungen leben teilweise in späteren weiter. Auch Jakob Locher hat vielleicht ein wenig bewirkt, wovon wir Heutige noch profitieren. Es war sicher zu seiner Zeit kein unwichtiges Bemühen, den Einfluss der Theologie zurückzudrängen. Wohl kein einziges Werk Voltaires bringt uns heute noch neue Erkenntnisse, aber der Entwicklung zu mehr geistiger Freiheit haben wir jenem Franzosen noch immer einiges zu verdanken, obwohl die wenigstens von uns Zeitgenossen eine Ahnung von diesem Effekt haben, geschweige je eine Zeile jenes Franzosengelesen haben. Mit der Physikverhält es sich ähnlich: Wir genießen die aus ihr entsprungenen Annehmlichkeiten, jene, die dafür schwitzten, sind uns oft so gleichgültig wie kalter Kaffee.

Nicht, dass der Verfasser dieser Zeilen meint, viele Menschen in Ehingen müssten sich für so einen tollen Skribenten von anno tobak interessieren, aber unter den Besuchern des Abends waren (außer dem Stadtarchivar) nicht mehr als zwei Zuhörer mit einem germanistischen oder Geschichtsstudium. Ein gar nicht aus Ehingen (sondern aus dem Allgäu) stammender, aber in Ehingen tätiger Schulmeister hat im 19. Jahrhundert die erste große Forschungsarbeit über Jakob Locher verfasst. Heutigentags wäre es nicht schlecht, wenn’ – vielleicht ebenfalls ein Lehrer oder sonst ein Gebildeter – einiges von Jakob Locher übersetzte und der Stadt zur Veröffentlichung anträgt, damit ein wichtiges Hindernis für eine nähere Bekanntschaft mit Jakob Locher abgeräumt wird: Das Hindernis besteht darin, dass Lochers Werke nur auf Latein erhalten sind (wie das zu seiner Zeit für die meisten bedeutenden Texte galt). – Dann möchte man sich noch wünschen: Einen kundigen Erläuterer, der auch gerade das notiert, was uns von Lochers Gedankenwelt trennt, was aber doch Teil unserer eigenen, uns unbekannt gewordenen Geschichte ist. Es schadet niemand, wenn er feststellt, dass Leute, die eigentlich keine Deppen waren, vor einigen Jahrhunderten ganz andere Probleme hatten als wir heute. Das täte der Dämpfung des angeborenen Hochmuts vieler ganz gut.

02.05.2003 | Vortrag Dr. Corina Dietl

EHINGEN/TÜBINGEN(vf)-Die derzeit wohl wichtigste deutsche Jakob-Locher-Forscherin, die Tübinger Literaturwissenschaftlerin Dr. Cora Dietl, sprach am Mittwochabend auf Einladung der Ehinger VHS im Ex-Franziskanerkloster über diesen aus Ehingen stammenden ersten deutschen Dramatiker. Durch einen Bericht in der Ehinger SZ vergangenen Sommer wurde die VHS auf die Forscherin aufmerksam und lud sie ein.

Dietl schilderte das Leben und einige Werke Lochers; sie illustrierte ihre Ausführungen mit zahlreichen Dias, die sie mit einem von ihr selbst per Laptop gesteuerten Projektor „einspielte“. Wie sich zeigte, ist in den letzten Jahrzehnten einiges Neue über Lochers Leben zu Tage gefördert worden. – Dietl rückte Locher in seinen zeitgeschichtlichen Zusammenhang ein, was wichtig ist, um den Inhalt und die Absichten des Schriftstellers besser beurteilen zu können. Wenn wir auf die wirkliche Geschichte jener Zeit blicken, vor allem die Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen Reich, insbesondere dem damaligen Kaiser Maximilian, und dem König von Frankreich und dem Sultan des osmanischen Reichs, so gerät einige schriftstellerische Tätigkeit Lochers in ein eigenartiges Licht: Propaganda, Wunschdenken, karriereorientierte Schriftstellertaktik.

Die Autorin eröffnete ihren Vortrag mit einer Kurzgeschichte der Dichterkrönungen in der nachrömischen Geschichte. Schließlich wird heute noch immer die Bedeutsamkeit Lochers auch mit dem Hinweis auf seine Dichterkrönung durch Kaiser Maximilian von Habsburg begründet. Die erste solche Krönung im Mittelalter geschah in Italien, an der Uni Padua, im Jahr 1315. Es folgen weitere solche Krönungen 1341, 1442 und 1487. Letztere betraf den ersten Nicht-Italiener, den humanistischen Schriftsteller Konrad Celtis, der zeitweilig auch Lehrer von Jakob Locher war. Dieser selbst war 1487 ein ganz junger Student.

Locher (geboren 1471) stammte sehr wahrscheinlich aus einer Ehinger Oberschicht-Familie: Sein Vetter brachte es zu einem leitenden Beamten der Reichsstadt Ulm, ein anderer naher Verwandter zum Kaplan am Münster in Ulm, einer zum Stadt Schreiber in der damals der Reichsgehörenden Landstadt Geislingen. Dem Universitätslehrer Celtis war es ein Anliegen, dass die zu seiner Zeit lebenden Schriftsteller endlich auch Deutschland selbst rühmen und preisen; schließlich hatten Humanisten wie Celtis in Texten aus der griechischen und römischen Antike mehr als genug Lob auf Herrscher und Staaten gelesen und wünschten sich, dass ihr eigenes Land und sein Oberhaupt in ein helles (literarisches) Licht gerückt werde. (Man könnte meinen: Literatur als Folge eines Minderwertigkeitskomplexes). Jakob Locher ließ sich, flippig gesprochen, die Aufforderung von Celtis nicht zweimal sagen.

Dr. Cora Dietl bei ihrem Vortrag im Ehinger Ex-Franziskanerkloster. Foto: vf

Während seines Studiums lernte Locher mehrere für seine spätere Autoren- und Berufs-Karriere wichtige Leute, so den Baseler Juristen und Schriftsteller Sebastian Brant, der ihm -wie auch Celtis – half, mit den damals noch seltenen Druckern / Verlegern in Kontakt zu kommen. Während einer Studienzeit in Bologna lernte Locher einen für die Karriere ebenfalls wichtigen Mann, ein Mitglied der Markgrafenfamilie von Baden, kennen. Als 26-jähriger konnte Locher so bereits das erste deutsche Theaterstück mit Gegenwartsbezug drucken und verlegen lassen. Er stellte hier den deutschen Kaiser als siegreichen Kriegsherrn dar, der dieser- zumindest damals – gar nicht war. Der Lohn folgte auf dem Fuße, die Ernennung zum „kaiserlichen gekrönten Dichter“. C. Dietl nannte weitere Texte, die den Dichter als klugen, vielleicht .auch überzeugten Kaiser-Max-Propagandisten erscheinen lassen (Nicht schlecht wäre ein kleiner Hinweis darauf gewesen, dass von Locher auch schöne lateinische Gedichte überkommen sind).

Eines von weltweit siebzig Exemplaren ist jetzt in Ehingen Jenes erste gedruckte und an der Uni Freiburg aufgeführte deutsche Schauspiel (1497) hatte einen aktuellen politischen Bezug; es ging ums Kaiserreich, um den König von Frankreich und den Su Ita n). Damit hob sich dieses Stück ab von den damals sonst auf Bühnen aufgeführten Schauspielen, nämlich Fastnachtsschwänken und Passionsspielen; die überkommenen und auch verstärkt nun aufgesuchten und gedruckten antiken Komödien und Tragödien wurden bis dahin nur gelesen, aber nicht aufgeführt. Von jenem ersten in Deutschland gedruckten neueren Drama mit aktuellem Bezug sind gegenwärtig immerhin siebzig Exemplare weltweit erhalten und ihre Aufbewahrungsorte bekannt; die meisten befinden sich in Museen bzw. Bibliotheken und kommen üblicherweise nicht mehr in den Handel. Aber eines konnte die Stadt Ehingen, unterstützt von der Ehinger Museumsgesellschaft, erst vor einigen Wochen von einem Münchner Antiquar erwerben, dem es von einem italienischen Antiquar angedient war. Das Buch aus dem Jahr 1497 mit seinen vielen Holzschnitten ist jetzt ein Glanzstück des Ehinger Stadtarchivs. Es wurde am Mittwochabend vorgezeigt.

Wertere Veröffentlichungen zu Locher sind jetzt gesammelt Karl Otto Schöfferle von der Ehinger VHS hat auch weitere Bücher zu dem Thema „Locher* erworben, teils Neuerscheinungen (so eine zweibändige Analyse der Übersetzung des Brant‘schen Narrenschiffs ins Lateinische), teils auch schon länger Vorhandenes, aber nicht leicht Zugängliches: so zwei Dissertationen über J. Locher aus dem Anfang der fünfziger Jahre, verfasst an der Uni Wien, zudem eine Fotokopie der ersten großen Befassung mit Jakob Locher, durch den Ehinger Geistlichen, Gymmi-Chef und Heimatgeschichtsforscher Hehle, erschienen als sogenannte Programmschrift des Ehinger Gymnasiums, gedruckt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Feger‘schen „Offizin“.

Holzschnitte der Zeit um 1500, in Veröffentlichungen J. Lochers und anderer Autoren, waren die reizvollste Illustration des Dietl‘schen Vortrags. Die Literaturhistorikerin zeigte auf, dass und wo damals dieselben Holzschnitte in verschiedenen Texten verwendet wurden. Diese Mehrfach-Verwendung war damals üblich, weil die Herstellung von Holzschnitten (wie überhaupt von bildlichen Illustrationen) vergleichsweise teuer war. Ein Holzschnitt, der Locher als gekrönten Dichter zeigt, wurde auch verwendet, um die Neuherausgabe eines wichtigen Textes der römischen Antike zu illustrieren. Und der Holzschnitt eines auf einem universitären Lehrstuhl sitzenden Redners und Vorlesers mit Dichterkrone soll im einen Buch Jakob Locher, in einem anderen den von ihm übersetzten römischen Dichter Horaz darstellen.

Betrachtet man die Inhalte verschiedener Locher-Veröffentlichungen, so erkennt man zwei wiederkehrende Themen: den Lobpreis des Kaisers, die Abwertung seiner nicht-deutschen Gegner und die Kritik an damaligen Theologen, die nicht erfreut waren, dass die neuen universitären Antike- und Poesie-Freunde Dichtung und Philosophie zu wichtigeren Studieninhalten erklärten als die damalige Königin der universitären „Wissenschaften“, die Theologie. Noch gegen Ende seines Lebens legte sich Jakob Locher in einem solchen „Rang-Streif mit einem der wichtigsten gegenreformatorischen Theologen seiner Zeit an, dem damals frisch an die Uni Ingolstadt gekommenen Eck. Locher hatte erst als älterer Mann geheiratet und war auch Vater geworden, der Streit mit Eck hinderte ihn aber nicht daran, den Theologen und Uni-Kollegen Eck zum Vormund seines unmündigen Sohnes zu erklären. Der Ehinger Geschichtsfreund Rudolf Schrodi steuerte am Schluss des Vortrags eine hübsche Parallele zum Leben Jakob Lochers bei, die auch der sehr kundigen Vortragenden bisher nicht aufgefallen war: Lochers Geburts- und Sterbejahre sind identisch mit denen des berühmtesten deutschen Künstlers seiner Zeit, Albrecht Dürer.

Kommentar von Veit Feger
Kulturförderer  haben es nicht leicht; ihren Respekt für die Arbeit Dr. Cora Dietls bezeugten am Mittwochabend durch ihre Anwesenheit Stadtpfarrer Keck, der Vorsitzende der Museumsgesellschaft Ulrich Köpf, OB Johann Krieger, der Landrat des Alb-Donau-Kreises, Dr. Wolfgang Schürle (und auch vf). Im Übrigen war der Besuch des Vortrags mager. So richtig die Entscheidung war, dass die Stadt Ehingen und ihre Volkshochschule die derzeit wichtigste Forscherin über einen bemerkenswerten Ehinger zu einem Vortrag nach Ehingen baten, so wenig wurden der Stadt , und der VHS diese Einladung durch regen öffentlichen Zuspruch gedankt. Dabei waren Zeit und Ort des Vortrags sicher bekannt, soweit sich Zeitgenossen dafür interessieren, Termin und Ort waren sowohl in der Ehinger SZ wie in der haushaltsabdeckenden Wochenzeitung INFO gut sichtbar angekündigt: und in der SZ sogar mit viel Vorschusslorbeeren bedacht. Man sieht. Kulturförderer haben es nicht leicht.