16.07.2003 | Nachruf: Zum Tod von Wolfgang Rieger

UNTERMARCHTAL (vf) – Am vergangenen Freitagabend starb nach einer langen Leidenszeit Wolfgang Rieger von hier. Sein Wunsch war es, im Stillen, im Familienkreis, zur letzten Ruhe gebettet zu werden.

Rieger litt seit Jahren unter einer unheilbaren, fortschreitenden Lungenkrankheit, die einen schlimmen Erstickungstod befürchten ließ, ein Vorgang, der ihm am Ende seines Lebens aufgrund eines eintägigen Komas erspart blieb. Auch für seine Angehörigen war dieser Umstand ein kleiner Trost in ihrem Schmerz. – Seit Monaten, gar Jahren lebte Wolfgang Rieger zuhause, fast bewegungsunfähig, seit letztem Jahr nur noch mit Hilfe von Beatmungsgeräten.

Rieger hatte jahrzehntelang im Büro eines Ulmer Großbetriebs gearbeitet. Im vorzeitigen Ruhestand konnte er sich verstärkt seinen heimatgeschichtlichen Interessen zuwenden. Gerne kam er immer wieder und über Jahrzehnte (!) hin mit den Ergebnissen vieler fleißiger, stiller tag- und nächtlicher Stunden zur Ehinger Schwäbischen Zeitung, weil er hier jemand fand, der sich mit Freundlichkeit, Interesse und Sorgfalt um eine gute Präsentation seiner Forschungsarbeit bemühte. Bis zuletzt behielt er sein heimatkundliches Interesse bei und brachte immer wieder Ergebnisse dieser Arbeit zur Ehinger Heimatzeitung, deren – unübliches – Engagement er schätzte. Der Untermarchtaler Heimatforscher und der Ehinger Publizist ergänzten sich. Erst vor kurzem hatte Wolfgang Rieger uns einen Text über das Handwerk in seiner Heimatgemeinde Untermarchtal zukommen lassen und erlebte auch noch seine Veröffentlichung in einer unserer jüngeren Sonntagszeitungsausgaben. Nun hat ihm der Tod die „Feder“ aus der Hand genommen und hat auch sein jahreslanges Engagement für das Kalkofenmuseum (gemeinsam mit dem Schwäbischen Heimatbund) beendet. Seiner Gattin und seinen beiden – erwachsenen – Kindern wendet sich die Anteilnahme der Mitbürger zu. – Zu wünschen ist, dass das Archiv heimatgeschichtlicher Erkenntnisse, das Rieger in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen hat, nun im Interesse der Öffentlichkeit weiterhin aufbewahrt wird.

04.07.2003 | Abiturienten stellen sich ihr Leben als große Urlaubsreise vor

EHINGEN (ul / vf) – Die Ehinger Abiturienten des Jahres 2003 haben ihre Zeugnisse erhalten. Und sie haben eine streckenweise brillante „Abi-Zeitung“ herausgebracht ein gut 240 Seiten starkes Buch, schön gestaltet schön gedruckt auf gutem Papier. Titel und Motto des Bandes: „Der Reiseguide 2003 – AbiTui – Länder Menschen ABIteuer – Aus 88 Klassenzimmern in die Welt“.

Die Redaktionsgruppe Andreas Antes, Saskia Dolp, Susanne Kotz, Philipp Maier, Andre Schick, Christian Staudenmayer, Jennifer Werner und die „Helfer“ Friederike Dalferth, Thomas Felk, Peter Holzschuh, Jörg Miller, Ute Neumeister, Joachim Pfund und Christina Romer haben nach dem „Schriftlichen“ wochenlang geschuftet, um das alles auf die Reihe – genauer: auf die Seiten – zu bringen. – Sie haben, wie heute in dieser Altersstufe üblich, einige PC-, Informatik- und Gestaltungs-Spezialisten in ihren Reihen, die locker mit modernster Hard- und Software umgehen; diese „Ware“ wird auch bis ins einzelne aufgeführt: welche Rechner mit welcher Fähigkeit, welche Laptops, Linux-Server, welche Drucker, Scanner, welches Netzwerk, welche Programme (Adobe, Quark, Apache etc. etc. etc.), welche Flatrates und was noch alles. Noch immer aber enttäuscht letztlich die schönste Gestaltung, wenn man bei genauem Lesen Plattitüden feststellt. Dieser Dünnschiss ist heute bei vielen gedruckten und gesendeten Medien üblich: tolle Aufmachung, wenig dahinter, weil die Leute zwar mit allen Möglichkeiten unserer neuen Gestaltungsprogramme umgehen können, das haben sie gelernt, aber dann hat sich’s. Im Fall „Ehinger Abi-Zeitung 2003“ bescheinigt vf den Redakteuren, dass sie einige brillante Texte publizierten. Ein wirklicher Hit stammt von einem Lehrer, Robert Erni (Deutsch und Englisch); er verfasste zwei Dutzend „Orakel“. Erni stellt sich die Entwicklung seiner Schüler in den nächsten Jahrzehnten vor, mit Begriffen und Wendungen, die echt vom Hocker hauen. – Eine Lehrerin, Elisabeth Müller, steuerte eine Liste der Entschuldigungen bei, die ihr ihre Schüler in den letzten zwei Jahren so ‘rüberreichten.

Urlaub und Reise

Jedes Jahr stehen die Abi-Zeitung-Macher vor dem gleichen Problem: In welcher Reihenfolge stellt man die einzelnen Abiturienten vor? „Alphabetisch“ war nicht so gut, weil, dieses Sortierverfahren schon so oft für Abi-Zeitungen verwendet wurde. Frühere Zeitungsmacher versuchten sich in einer Anordnung nach Körpergröße, nach Alter, nach Leistungskurs-Wahl oder auch nach dem Geburtsgewicht. Die diesmal Zuständigen entschieden sich für
eine Einteilung nach gewünschten Urlaubszielen. Da wollen die meisten in Europa bleiben: 10 zieht es-nach Italien, 8 nach Spanien und nur drei nach Frankreich oder in die Schweiz. Ohne jeden Reisewunsch bleiben unsere östlichen Nachbarn, Benelux und England. Überraschend begehrt ist das Ziel Jamaika (8), Kuba (7) und Haiti (6). In die USA
will keiner. Im Kontinent Afrika gibt es nur zwei erwünschte Reiseländer: Ägypten (2) und Simbabwe (4). 12
Abiturienten wollen Asien erkunden, China ist nicht dabei. Immer größeren Umfang nehmen die „Urlaubsgrüße“ an: Auf 18 kleinbedruckten Seiten teilt man seine Vorlieben für bestimmte Mitschüler mit, erinnert an die gemeinsam verbrachten Zeiten und wünscht sich und anderen alles Erdenkliche. Ein Muss sind wohl auch die Zitate von Lehrer-Sprüchen.

Die „Zeitung“ steht entschieden unter dem Motto „Urlaub“ und „Reisen“. Man darf annehmen: Die Spaßgesellschaft ist ein zentraler Wert. Zu dieser Einschätzung passt auch, dass einige Abiturienten für diese „Zeitung“ ausgiebig Ehinger Gasthäuser und Kneipen getestet haben und das Ergebnis veröffentlichen.

Was gesagt werden darf- was nicht gesagt werden darf

Wie in diesen „Zeitungen“ so üblich, stellen sich die Abiturienten mit Bild und Eigenheiten („Lastern“) vor. Man erkennt, was heute gesellschaftlich zugelassene Laster sind. Was nach wie vor nicht zugelassene Laster sind, wird nicht einmal im Allgemeinen genannt; der gesamte Sexualbereich fällt raus. Die jungen Leute haben kein Problem damit, sich selbst gehäuften Alkohol, Zigaretten- und Süßigkeiten Konsum zu bescheinigen. Von anderen Teilen unserer Psyche und unseres Körpers reden die aufgeklärten jungen Leute so wenig wie wir Älteren. Hier ist von der angeblich den „68ern“ zu verdankenden Liberalisierung der deutschen Öffentlichkeit (hörte und las man so) null zu merken.

Die netteste Lehrerin

Jahrelang wurden die Schüler geprüft und benotet. Nun drehen sie den Spieß gewissermaßen um, stellen ihre Lehrer auf den Prüfstand und vergeben Sympathie- (und Antipathie-)Noten. Wie schon in früheren Jahren schneidet Mathe- und Physik-Lehrerin Brigitte Schmid, Munderkingen, wieder hervorragend ab, sie kriegt die klar beste „Abi-Note“.

Genaue Lektüre

Vf liest zwar langsam, aber oft genau: Schulleiter Knöbl zitiert auf Seite 8 einen klugen Mann mit dem angeblichen Namen „Hakuin“ – der hätte wohl Alkuin heißen müssen.

Ulrike und Veit Feger