29.06.2003 | Privates aus Ehingen, vor bald sechzig Jahren

REGENSBURG/MÜNCHEN/ EHINGEN (vf) Im vergangenen Jahr erschien im Verlag C. H. Beck, München, der zweite Band einer Selberlebensbeschreibung des früheren Regensburger Romanistik-Professors Johannes Hösle: „Und was wird jetzt“. Hösle, 1929 in Erolzheim im südöstlichen Kreis Biberach geboren, verbrachte einige Jugendjahre unmittelbar nach dem Krieg in Ehingen, als Schüler am Gymnasium, mit Blick auf ein künftiges Theologiestudium. Über seine Jahre in Ehingen schreibt Hösle in dem Buch einige Dutzend Seiten.

Der Lebensweg wurde ein anderer, weg von Theologie und Kirche, ein Lebensweg auf dem Umweg über Tübingen hinaus nach Frankreich und Italien, zur Heirat mit einer Italienerin, zur Tätigkeit als Leitereines Goethe-Instituts in Italien und später als deutscher Universitätsprofessor für romanische Literaturen. -Was Ehingen betrifft, erinnert sich Hösle an vieles recht gut. Kleine Ungenauigkeiten kann man übersehen (einen seiner damaligen Lehrer nennt Hösle „Breitenbacher“, richtig ist „Breitenbach“). Hösle erinnert sich an den einstigen Konviktvorsteher Lenk (Spitznamen „Stopps“), an verschiedene Lehrer des Gymnasiums, unter anderen an den von ihm verehrten Hugo Frommlet, an Klassenkameraden, die, soweit sie noch leben, heute auch alle Mittsiebziger sind. Einige der Mitschüler- und Freunde-Namen, die da auftauchen: Willi und Elfriede Neu, Rudolf Denkinger, Karlheinz Steingart, Traugott Manz aus Schelklingen, Otmar Reuter (ein Sohn des damaligen Landwirtschaftsschulleiters). Hösle erinnert sich auch an den damaligen französischen Gouverneur in Ehingen Jean Noutary (der übrigens eine umfangreiche Beschreibung des Raums Ehingen verfasste) und an Gymmi-Chef Schmid, den Vorgänger von Dr. Breitenbach. Beeindruckt zeigt sich Hösle noch über ein halbes Jahrhundert später von den Formen der Schwester seines Freundes Otmar. Der Stil dieser Sätze lässt etwas von der nicht unbedingt bewundernswerten literarischen Qualität des Textes erahnen: „Ihre zumeist von keinerlei Zaumzeug der Miederindustrie gebändigten Brüste, die sich unter ihren Blusen und Pullovern keck und aufreizend abzeichneten und diese fast durchbohrten, waren kaum weniger scharf als der Verstand ihres Bruders.“

Der Bruder der so begeistert beschriebenen Schönen, Zahnarzt Elmar Reutter, las seiner schon seit Jahrzehnten in Kanada lebenden Schwester diese Passage vor und bereitete der- in Ehingen am ehesten als hervorragende Sängerin erinnerten – Schwester einige amüsierte Minuten.

Hösle hat den Kontakt zu Ehingen nicht verloren. Er besuchte mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten Gymnasiumsfeste und vor allem die ihm von seiner Gymmi-Zeit her bekannte Familie Steingart. Karlheinz Steingart erinnert sich dankbar an Johannes Hösle; dieser half dem vier Jahre Jüngeren zu Beginn des Lehrer Studiums in Tübingen mit gutenTipps.-Ein Sohn J. Hösles mit dem schönen Vornamen Vittorio (passend zum bieder-schwäbischen „Hösle“) brachte es zum Philosophie-Professor und vielfachen Buchautor; Vittorio war auch einige Zeit Professor an der Uni Ulm. Unsere Notiz beschränkt sich hier auf den Bezug des J.-Hösle-Buchs auf Ehingen. Viel Meinung über die Qualität dieser Biographie will der Verfasser dieser Zeilen nicht abgeben, außer jenen zwei Sätzen, dass er schon beeindruckendere und aufschlussreichere Autobiographien gelesen hat, in den letzten Jahren vor allem „Die Mütze“ von Roman Frister, und auch Biographien, deren Deutsch-Stil ihm mehr zusagt.

Veit Feger

Der zweite Band der Lebenserinnerungen von Johannes Hösle trägt einen bebilderten Schutzumschlag und zeigt den jungen Johannes Hösle und eine nicht näher bezeichnete Frau mit plissierter Bluse und plissiertem Rock. Repro: SZ Ehingen

23.06.2003 | Ein Landwirt Mitte siebzig erinnert sich genau

OBERDISCHINGEN (vf) – Seit kurzem liegt ein fast 350 Seiten starkes Buch in schönem Druck auf gutem Papier vor: Der Oberdischinger Mittsiebziger Josef Huber hat seine Lebenserinnerungen verfasst. Der Titel: „Was Großvater erlebte -1927 – 2002“. Das Copyright der Neuerscheinung liegt beim Autor, der aus der Nähe von Tuttlingen stammt, aber seit bald einem halben Jahrhundert in Oberdischingen lebt; er heiratete in den 50er Jahren in einen stattlichen Bauernhof hier ein und betrieb den Hof über Jahrzehnte hinweg mit seinen Angehörigen.

Huber führte über Jahrzehnte hin Tagebuch und notierte darin sowohl Privates, Berufliches wie auch Ereignisse aus der sogenannten Großen Politik. Aufgrund eines hervorragenden Gedächtnisses und dieser Tagebücher, unterstützt von bewundernswert hilfreichen Familienangehörigen und von dem in Oberdischingen lebenden Buchherstellungs-Fachmann Werner Kreitmeier, legte Huber in mehrjähriger Arbeit seine Erinnerungen nieder; die handschriftlichen Notizen wurden von Angehörigen in einen PC eingegeben. Sie betreffen ganz Alltägliches, aber auch „Leben und Tod“, besondere Erlebnisse wie Ausflüge und Ferienaufenthalte, Messen Besuche, Tätigkeit in verschiedenen Ehrenämtern (Gemeinderat, Kirchengemeinderat, Schöffe etc.) und mehr.

Huber bemüht sich durchgehend, die früheren Lebensverhältnisse, auch die früher auf Bauernhöfen und in Handwerksbetrieben verwendeten Geräte und Techniken dem Leser zu erläutern; ein kluger, älter Mann weiß, dass heute so vieles anders ist als früher; er erzählt mit viel Verständnis für Jüngere. Huber hält nur wenig für selbstverständlich von dem, was er erlebte: Er gibt immer wieder Erläuterungen. So wird sein Buch eine Fundgrube zur Landwirtschafts- und Technikgeschichte der letzten siebzig Jahre. Da gab es ja mehr als genug Wandel, von einer Form der Landwirtschaft, die noch in vielem der des beginnenden 19. Jahrhunderts ähnelte, bis zu der heutigen, die den Bauernhof maschinisiert, elektronisiert, in große Maßstäbe übersetzt.

Auch das beste Gedächtnis würde es nicht erlauben, so erstaunlich viele Details Jahrzehnte später genau wiederzugeben (einschließlich der Preise, etwa, was ein Bier in einer dörflichen Kneipe 1960 kostete). Aber Tagebuchnotizen, über Jahrzehnte hin säuberlich per Hand, zum Teil – wenn es sich um delikate Details handelte – in kaufmännischer Kurzschrift („Steno“) niedergelegt, ermöglichten es dem Verfasser, eine Chronik seines Kindheitsdorfes Geisingen, der Gemeinde Oberdischingen und der Umgebung zu liefern, die einen Leser, der viele der hier genannten Namen und Personen kannte oder sich als Zeitungsmacher an sie erinnert, nur staunen lässt. Das Register am Schluss des Buchs verzeichnet etwa achthundert Namen von Personen und Orten. Da taucht so gut die frühere Dorfchronistin (und Mitarbeiterin der Ehinger SZ) Toni Munding auf wie der frühere Ehinger Veterinär Dr. Genning. Da kriegen wir mit, dass der Verfasser (berufs- und parteibedingt) befreundet ist mit dem früheren Bauern-Repräsentanten Honor Funk und seiner Familie. Einige weitere Namen, eher willkürlich ausgewählt: Hans Balleisen, Heinrich Bareiss, Manfred Braig (Ehingen), Schwester Cäcilita, Walter Hiller (Herlighof), Franz Simon (Ehingen). Auch Karl-Heinz Ott, der aus Oberdischingen stammende Schriftsteller, wird im Register genannt, der örtliche Bauern-Repräsentant Hans Zink kommt gleich zehn Mal vor. – Weil Huber das Kleine und das Große ernst nimmt, erscheinen im Register die verschiedenartigsten Ortsnamen nacheinander: London, Lourdes, Lübeck, Lugano, Luppenhofen, Maastricht“. Diese alphabetische Reihung lässt die Breite und die Weite im Beobachten und Denken Hubers spürbar werden.

Mit der Neuerscheinung haben wir nun binnen weniger Jahre aus einer nicht großen Gemeinde (unter zweitausend Einwohner) zwei Selberlebensbeschreibungen – mit großen Unterschieden und kleinen Gemeinsamkeiten. Wir können beispielsweise bei Ott nachlesen, wie er den örtlichen Pfarrer empfand, und wir lesen bei Huber, für welche Baumaßnahmen Martin Übelhör zuständig war.

Huber ist ein religiöser Mensch, mit jener Sicherheit des Fühlens und Urteilens, die häufig solchen Menschen eignet. Wenn es um Religiöses geht, legt Huber auch mal Bekenntnisse ab, etwa zur vorehelichen Keuschheit künftiger Ehepaare. Huber formuliert auch hier zurückhaltend, ohne Schaum vor dem Mund. So fällt es dem Verfasser dieser Zeilen leichter, über ihm weniger Zusagendes hinwegzusehen (etwa über einige Sätze zum Dritten Reich). An manchen Stellen des Buches wünscht sich der Verfasser dieser Besprechung, dass der Leser, den Text „gegen den Strich“ („kritisch“) liest.
Aber der Gesamteindruck wird durch diese Anmerkung nicht getrübt: Ein Mann ohne Abitur, mit dem Herz auf dem rechten Fleck,! hat einen sehr respektablen Beitrag zur Heimat- und Landwirtschaftsgeschichte, in mancher Hinsicht auch zur Mentalitätsgeschichte der letzten Jahrzehnte im deutschen Süden geleistet. Hut ab, erst recht wenn man bedenkt, dass dieser Mann nur die Uni namens „Leben“ besuchte, dass Schreiben für ihn ein Leben| lang nur eine Freizeitangelegenheit war, abendliche Selbstvergewisserung nach einem harten Arbeitstag.

PS: Unsere Bitte um ein Foto lehnte der uneitle Mann ab; dabei hatten wir es so geschickt getroffen, als wir ihn am frühen Fronleichnamstagmorgen beim Blumenteppich-Anlegen antrafen. Das Buch kann in Ehingen an der Kasse des Museums zu dessen Öffnungszeiten erworben werden (10 Euro).

23.06.2003 | Frau leitet künftig Mädchenrealschule

OBERMARCHTAL / UTTENWEILER / EHINGEN (vf) – Der langjährige Leiter der katholischen Mädchen Realschule Obermarchtal, Anton Huber, wird am 22. Juli, 18 Uhr, in einer Feierstunde im Spiegelsaal verabschiedet. Als seine Nachfolgerin wird Angelika Rieger vorgestellt.

A. Rieger ist seit einigen Jahren Konrektorin des katholischen Bildungszentrums „Bischof Sproll“ in Biberach-Rißegg und wohnt seit 1994 in Uttenweiler. Etwa ein halbes Dutzend Personen hatten sich für die Stelle beworben; die Entscheidung fiel im Stiftungsrat der Katholischen Freien Schulen der Diözese.

Noch einige Angaben zur Person der künftigen Schulleiterin: Angelika Rieger wurde als Kind von Flüchtlingen aus dem Raum Frankfurt / Oder (heute Polen) vor 52 Jahren in der damaligen DDR geboren; ihre Eltern flüchteten 1954 weiter in den Westen, landeten in Biberach und waren dort berufstätig. Angelika besuchte die Volksschule und die Handelsschule in Biberach, arbeitete bei einer Bank, schenkte einer Tochter das Leben (die heute 32 Jahre alt und selbst schon zwei Kinder hat), holte -an einem Abendgymnasium in Freiburg das Abitur nach, studierte an der PH Freiburg und kam Ende der 80er Jahre wieder zurück ins Schwabenland, nach Biberach, an die Bischof-Sproll-Schule. Ihr Mann ist Leiter der Beruflichen Schulen in Riedlingen. – Uttenweiler liegt also nach wie vor für die Berufstätigkeit der beiden Eheleute günstig. In der Freizeit singt Angelika Rieger gern (im Kirchenchor Uttenweiler). Früher tanzte sie auch in einem Biberacher Sportverein, ohne besondere Ambitionen, des Spaßes halber; aber seit das Ehepaar in Uttenweiler baute, sagt unsere Gesprächspartnerin, war für dieses Hobby keine Zeit mehr.

20.06.2003 | Buch aus Augsburg würdigt einen großen Sohn der Gemeinde Altheim

ALTHEIM / AUGSBURG / ALLMENDINGEN (vf) – Vor einigen Wochen wurde die renovierte Altheimer Pfarrkirche wieder ihrer offiziellen Aufgabe übergeben. Die Ehinger SZ veröffentlichte in diesem Zusammenhang einen großen Text zur Geschichte der Kirche, den der aus Altheim stammende Geistliche und Heimatgeschichtsforscher Tiberius Denkinger vor vierzig Jahren verfasst hatte, damals aus Anlass gleichfalls einer Kirchenrenovation. – Nun erinnert seit einiger Zeit auch eine Steintafel an der Pfarrkirche an einen weiteren bedeutenden Sohn der Gemeinde, den einstigen Augsburger Fürstbischof Johann Christoph von Freyberg (Bischof von 1665 bis 1690). Im Jahr 2001 ist eine ausgeweitete Dissertation von Walter Ansbacher über von Freyberg erschienen, mit dem Titel „Das Bistum Augsburg in barockem Aufbruch – Kirchliche Erneuerung unter Fürstbischof J. C. von Freyberg“. Das über vierhundert Seiten umfassende, sorgfältig gearbeitete Buch ist herausgegeben vom „Verein für Augsburger Bistumsgeschichte“ mit Sitz in 86152 Augsburg, Fronhof 4, und kann dort bestellt werden.

Bischof von Freyberg zeichnete sich allem nach dadurch aus, dass er sich in den schweren Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg sehr für eine gute Seelsorge, für die Förderung von religiösen Bruderschaften und Wallfahrten und für die Wiederherstellung von Kirchen engagierte. Allem nach gab er nicht – wie manche andere Kollegen – viel Geld für Repräsentativbauten aus. Er war ein guter Haushälter. Zeitgenossen rühmen an ihm einen Zug, der schon seit der Antike in Herrscherlob-Standardtexten vorkommt: dass er jeden, auch den kleinen und kleinsten Mann, freundlich angehört habe. Wenn das stimmt, war es sicher ein sehr positiver Zug. Was heute die Chefsekretärin (als Vorzimmerdrachen) sein kann, das war früher der Herr Kämmerer oder sonst ein Vorzimmer-Arroganter, der seinen Herrn gegen unangenehme Nachfragen und Bitten abschirmte. Von Bischof Freyberg heißt es, er sei eigens vor die Tür seines Bischofspalais’ gesessen, um so den direkten Zugang zu ihm jedermann zu ermöglichen.

Über die Person des Fürstbischofs (nicht über den Amtsträger) erfahren wir in dem Buch von Ansbacher wenig. Das kann einfach daran liegen, dass es Zeugnisse des privaten Lebens nicht oder nicht mehr gibt. Zudem musste früher oft genug das Persönlich hinter den Anforderungen des Amts, eben eines „repräsentativen“ Lebens, zurücktreten. So haben wir von dem einstigen Altheimer, der sein Heimatdorf als zehnjähriger Richtung Jesuitenschule und dann Universität
verließ, nur „amtliche“ Porträts, im Habit eines Geistlichen oder eines Bischofs, mit Mitra und Bischofsstab, die rechte Hand segnend erhoben. Dem Verfasser dieser Zeilen fällt ein Kinderliedvers ein: „langsam und mit Würde – trägt er seine Bürde.“ Für Freybergs uneitlen Charakter spricht, dass er sich nicht nur als Bischof, sondern auch nur als Geistlichen darstellen ließ (die Amtstracht ähnelt der eines heutigen evangelischen Geistlichen). Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des neuen Buchs aus Augsburg erinnert in vielem an eine Verwaltungsgeschichte – nur eben mit kirchlichem Einschlag. – Der Bischof war wohl auch nicht anders als seine Standes- und Berufskollegen. – Einmal ist in dem Buch kurz die Rede von einer Problemgruppe früherer (und auch heutiger) Zeiten, den Juden. Am Umgang mit Minderheiten lässt sich viel über die Humanität einer Gesellschaft ablesen. Da wird vom Autor Ansbacher dann sogleich die Zeitgenossenschaft Freybergs in apologetischem (verteidigendem) Sinn betont: „Als Kind seiner Zeit sah Bischof Freyberg auch im Judentum eine Gefahr für die katholische Religion. Er förderte in diesem Zusammenhang die Corpus-Christi-Bruderschaften,… die sich vor allem gegen ‚Juden, Ketzer, Gläubige und Ungläubige in der ganzen Welt‘ richteten, weil diese das Allerheiligste Altarssakrament „unaufhörlich entweihen“.