30.04.2003 | Selbst in einer Enzyklopädie fehlt mal was

Diebisch freut sich der Verfasser  dieser Buchbesprechung, dass ein Verantwortlicher und eine Mitarbeiterin der mächtigen, geradezu enzyklopädischen Bände ein wichtiger Autor des 16. Jahrhunderts aus unserem Raum, aus Rottenacker,  der Erfolgsschriftsteller Ulrich Tengler, allem nach durch die Lappen ging. Ein weiterer in Rottenacker geborener Schriftsteller hätte vielleicht in einer Fußnote erscheinen können,  zumal er seit kurzem in die Reihe bedeutender Söhne der Gemeinde eingerückt wurde, Hiemer. Seine Tätigkeit erstreckt sich aber auch ins 19. Jahrhundert hinein, und an der Schwelle zu diesem Jahrhundert hört offiziell der Gegenstandsbereich der neuen Bücher auf.

Nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, dass auch die Gemeinde Kirchen im Aufsatzband erwähnt wird; ein Text zum Thema Gegenreformation erinnert an einen Forschungsbericht aus dem Jahr 1890; Kirchen erscheint da noch als Kirchheim (K. Schnizer, „Reformation und Gegenreformation in Kirchheim“, Blätter für Württembergische Kirchengeschichte).

30.04.2003 | Schwäbische Schreiber und Schriften

(vf) – Am Sonntag wurde in Blaubeuren die neue Wanderausstellung zum Thema „Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000 – 1800“ eröffnet (die SZ kündigte die Ausstellung in der Samstagsausgabe vom 26. 4. an und berichtete am 28. 4. über die Eröffnungsfeier). Es liegen auch zwei mächtige Begleitbände vor, mit 1000 und 600 Seiten, aus denen wir im Folgenden einiges notieren.

Das Copyright für die Bände eignet den ‚Oberschwäbischen Elektrizitätswerken‘, mit Sitz in Ulm. Dem Amtssitz von OEW-Vorstandsvorsitzendem und Alb-Donau-Landrat Dr. Wolfgang Schürte. – Schürfe fungiert auch als einer der drei Herausgeber der Bände; die beiden anderen sind der Konstanzer Professor Ulrich Gaier und seine Mitarbeiterin Dr. Monika Küble. Wie es sich für die Ehinger SZ gebührt, weisen wir hier auf die regionalen 8ezüge der Neuerscheinung hin. Sie machen nur einen kleinen Umfang der beiden Bände aus; die Aufsätze sind jeweils auf eine angenehm lesbare Länge von etwa zehn Seiten zurechtgeschnitten.

Da sind zunächst einige Autoren des Aufsatzbandes aus dem Raum Ehingen. Der frühere Ehinger Gymnasiallehrer Walter Frei befasst sich mit einem seiner Lieblingsthemen, dem Theater, hier begrenzt auf die „Theaterpflege in den Klöstern des schwäbischen Oberlandes im 17. und 18. Jahrhundert“. Dr. Winfried Nuber, früher Leiter der Realschule Munderkingen, befasst sich mit einem Thema, das mit Literatur im weiteren Sinn zu tun hat. mit dem historischen Stadtgesetz von Munderkingen aus dem späten Mittelalter. – Der Ehinger Stadtarchiv Dr. Ludwig Ohngemach schreibt über ‘Stadtschulen am Beispiel der Reichsstadt Rottweil und der österreichischen Landstadt Ehingen“. – Der frühere Drei-Städte- und jetzige Alb-Donau-Archivar Dr. Jörg Martin befasst sich mit dem Astronomen und Kosmologen Johannes Stöffler aus Justingen (die Ehinger SZ veröffentlichte einen größeren Text Jörg Martins zu diesem Thema).

Schriftsteller (im weitesten Sinn), die aus dem Raum Ehingen stammen oder mit dem Raum Ehingen zu tun haben, sind das Thema weiterer Aufsätze. Zu diesen Schriftstellern gehört der „Schwäbische Cicero Sebastian Sailer“ aus Weißenhorn, Ordensmann in Obermarchtal und tätig in verschiedenen Pfarrgemeinden des dortigen Umlands; der Eichstätter Professor Dr. Konstantin Maier hat einen Aufsatz über Sailer mit obigem Titel zu der Neuerscheinung beigesteuert. – Der frühere Blaubeurer Gymnasiallehrer Herbert Hummel verfasste einen Aufsatz über Caspar Schwenckfeld, „einen Radikalen an der Donau und auf der Alb“: Der aus Schlesien stammende .Reformator lebte bekanntlich zeitweilig auf Gütern der Familie von Freyberg in Justingen und Öpfingen. – Die Aufsätze „Gekrönte humanistische Dichter in Schwaben* von Hans Kilb und ‘Neulateinische Dramen“ aus der Feder der Tübinger Wissenschaftlerin Dr. Cora Dietl befassen sich unter anderem mit zwei aus Ehingen bzw. Ingstetten stammenden Schriftstellern des sogenannten Humanismus: Jakob Locher und Heinrich Bebel. Dietl führt u. a. einen „Berührungspunkt“ im Leben der .beiden Schriftsteller und Zeitgenossen auf: „Auf derselben Stelle an der Universität Tübingen, die mit Locher 1492 das erste Mal. mit Bebel 1496 das zweite Mal besetzt wurde, hielt es Locher gerade einmal ein Vierteljahr. Bebel aber 22 Jahre, nämlich bis zu seinem Lebensende aus Die Konflikte in die Locher geraden war, wusste Bebel geschickt zu vermeiden“ (S 775) – Dr. Christian Sinn, Uni Konstanz (Abitur in Ehingen), steuert zu der Neuerscheinung einen Aufsatz über den aus Ehingen stammenden Jesuitendramatiker Jakob Bidermann bei: “Die Kunst der Zitation (Cosmarchia)”. Christian Sinn durfte im vergangenen Jahr eben dieses Drama von Bidermann übersetzen und in einer von der OEW gesponserten neuen Reihe historischer Texte aus Südwestdeutschland herausgeben. (Im Fall des Nachworts zur Neuherausgabe wie jetzt im Fall „Schwabenspiegel” hat vf – trotz langen
Philosophiestudiums – große Schwierigkeiten, die Aufsätze Sinns zu verstehen). – Henry Gerlach befasst sich mit dem als Ruheständler in Schelklingen wohnenden Landsknechtsführer Konrad von Bemelberg, der hierherum jetzt erstmals als Militärtheoretiker gewürdigt wird.

Den beiden Schriftstellern Locher und Bidermann und dem im 17. Und 18. Jahrhundert in Ehingen von den Zwiefalter Benediktinern unterhaltenen Gymnasium verdankt es Ehingen, dass es relativ häufig in den beiden Bänden vorkommt, insgesamt über fünfzig Mal vor. Justingen kommt wenigstens 12. Munderkingen wenigstens 16, Rottenacker 4, Schelklingen 7, Urspring. Marchtal und Zwiefalten als einstige Klosterorte über fünfzig Mal vor.

Natürlich ist auch die Umgebung des Raums Ehingen „bedacht“.  Mindestens viermal wird der aus Ehingen stammende Schriftsteller Rueß  in den beiden 8änden genannt (Die Ehinger SZ machte auf ihn in einem großen Aufsatz in den 80er Jahren aufmerksam; auch die Schussenrieder Säkularisationsausstellung erinnert an Ruef – ohne Angabe seines Herkunftsorts). –

Der aus Rottenacker stammende Reformator der Stadt Ulm, Konrad Sam, wird in den beiden Bänden wenigstens zehn Mal genannt. Und erstaunlicherweise wird sogar der bis vor wenigen Jahren völlig vergessene Rottenacker fromme Revolutionsschwärmer Stephan Huber mit seinem langen Liedtext in Erinnerung gerufen (basierend auf dem Büchlein von Hellmuth G. Haasis über die Rottenacker Separatisten von 1993). Munderkingen kommt im Katalogband vor durch Dr. Nubers Verweis auf das Gebetbuch der Brüder Ferber aus dem Jahr 1547. Die beiden Brüder, wohl Mitglieder der kleinen evangelischen Gemeinde der Stadt, ließen 1547. während des Schmalkaldischen Stände- und Konfessionskrieges, in Ulm ihr „Bettbüchlein“ drucken (was mit „Bett“ nichts zu tun hat). Ein einziges Exemplar blieb erhalten, in der Wiener Hof Bibliothek. Im vollständigen Titel des Büchleins ist die Autorschaft und die Herkunft so angegeben: „Altes Zentrum einer deutschlandweiten Bewegung katholischer Geistlicher! gegen den Zölibat (die Ehinger SZ veröffentlichte dazu in den 80er Jahren einen größeren Aufsatz). Führend in dieser Bewegung war| der damalige Konviktsdirektor, der Ehinger Stadtpfarrer und spätere Rottenburger Bischof Lipp. Die Ehinger erhielten damals gedruckte Unterstützung durch einer bereits   hochbetagten Reutlinger Aufklärer, der seine große Zeit vier Jahrzehnte zuvor (!) hatte, in der damaligen Reichszentrale Wien, nämlich durch Johann Jakob Fezer: Er ließ 1832 in einem Verlag in Leipzig ein Büchlein mit folgendem Titel erscheinen: Jesuitenschliche beim Kampf zwischen Licht und Finsterniss oder Umtrieb gegen den zur Aufhebung des Zölibats von katholischen Geistlichen gegründeten Ehinger Verein.“

Diese beiden Bilder schmücken die beiden neuen Bände. Das eine zeigt einen mittelalterlichen Mönch beim Schreiben und Bearbeiten eines Textes, das andere die zeitweilig-in Biberach lebende Schriftstellerin Sophie Laroche, eine der ersten Romanautorinnen Deutschlands und über Jahrzehnte hinweg Brieffreundin des aus Biberach stammenden Schriftstellers, Dichters und Zeitungsschreibers C. M. Wieland. – Mit diesen beiden Bildern soll die Spannweite der jetzt vorliegenden Neuerscheinungen angedeutet werden.  VF / Repro: SZE

26.04.2003 | Die Landesausstellung und der Raum Ehingen

SCHUSSENRIED / RAUM EHINGEN (vf) – Seit kurzem ist die große Landesausstellung zum Thema “Säkularisation” im einstigen Kloster Schussenried eröffnet: die größte nicht-technische Ausstellung, die es wohl jemals in Oberschwaben gab; dazu erschienen drei dicke Bände Objekte-Katalog und Aufsätze. – Gibt es auch Bezüge zum Raum Ehingen? – Ja.
Wir weisen auf einige erkennbare und einen nicht leicht erkennbaren Bezug hin. Die erkennbaren: Da sind natürlich die Hinweise auf die große Abtei im Raum Ehingen, deren Existenz, wie die zahlreicher anderer in Ober-Schwaben, gewaltsam beendet wurde: das Prämonstratenserstift Marchtal, Weil die Ausstellungsmacher den Akzent auf die Klöster selbst legen und nicht auf deren Außenstellen (bei der Fülle des Themas verständlich) gerät das Ende des ersten Ehinger Gymnasiums nicht in den Blick, einer über 150 Jahre bestehender Einrichtung des Klosters Zwiefalten.

Das Kloster Obermarchtal und sein Ende sind durch verschiedene Gegenstände in Erinnerung gebracht. Da ist beispielsweise das Berichtsbuch von Pater Sebastian Sauer über seine Tätigkeit in der vom Kloster betreuten Pfarrei Reutlingendorf („ovile Reutlinganum“), das im Rottenburger Diözesanarchiv aufbewahrt wird; da sind Zeugnisse über die schriftstellerische Tätigkeit von Marchtaler Ordensleuten und ist die in Ehingen gedruckte Geschichte des aufgehobenen Klosters aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, vor allem aber das am wenigsten leicht übersehbare, einen Quadratmeter große, pompige Wappen der Regensburger Adelsfamilie Thum und Taxis; mit diesem geschnitzten Wappen tat die Familie nach der Klosterenteignung am einstigen Klostertor jedermann kund, dass sie die neuen Eigentümer des Gebäudekomplexes sind; der jetzt Schloss genannt wurde, um die früheren Eigentümer vergessen zu machen.

Wer reich war, hinterlässt meist mehr Dokumente als Arme, also beispielsweise Portraits, Pläne von Gebäuden, Kunstwerke, Bücher etc. etc.. Dass die großen Kloster mehr solche präsentablen Dinge hinterließen als die “kleinen” (zugehörig zu Bettelorden und meist auch Frauenorden), das lässt sich erkennen, wenn man in der Ausstellung nach weiteren Klöstern im Raum Ehingen fragt, die an der Wende zum 19. Jahrhundert enteignet und aufgelöst wurden. Vom einstigen Franziskanerkloster in Ehingen finden sich, wenn wir recht gesehen haben, kein einziges Zeugnis in der Ausstellung. Und das Anna-Kloster in Munderkingen, das bereits unter Kaiser Joseph II zwei Jahrzehnte vor der großen Säkularisierungswelle gestoppt wurde, wird ebenfalls nur in einem der begleitenden Aufsatzbände genannt.

Ein anderer “Aspekt” der anderen politischen und Eigentumsverhältnisse am Ende des alten Römischen Reichs Deutscher Nation- war das Ende der adeligen Reichsunmittelbarkeit. Den Reichsrittern, die fast sogut wie ein Fürst dastanden, gehörte im Raum Ehingen ein Verwaltungssitz, das spätere Oberamt und Landratsamt Dieser Aspekt der großen Änderung an der. Wende zum 19. Jahrhundert erscheint kurz in einem Aufsatz des Ehinger Archivars Ohngemach in einem der Begleitbände zur Ausstellung. Die Reichsritter in Oberschwaben und darüber hinaus hatten als ihren Verwaltungssitz eines der prächtigsten Gebäude in Ehingen, das einstige “Ritterhaus” und jetzige Restgebäude der Alb-Donau-Verwaltung mit Kfz-Zulassungsstelle. Der Ehinger Archivar Dr. Ernst Ohngemach hat zum Thema “Übergang von Ehingen an das Königreich Württemberg” einen Aufsatz verfasst und erwähnt dabei auch das Ende der reichsritterschaftlichen Verwaltungszentrale in Ehingen.

Nicht sonderlich ins Blickfeld geraten in der Ausstellung das einstige Frauenkloster Urspring und das Franziskaner- und Franziskanerinnenkloster in Ehingen. Beide Einrichtungen fielen nicht durch Reichtum und sehr repräsentative Bauten auf. Ein Bezug der Ausstellung zu Ehingen wird in Schussenried nicht genannt, ein delikater, wird aber hier erwähnt. Die Ausstellungsmacher rücken nicht nur die Klöster ins Bild, sondern auch ihre Kritiker. Zu ihnen gehörten beispielsweise der zeitweilige Mitarbeiter (und möglicherweise Sohn) eines in Warthausen residierenden Grafen Stadion, Georg Michael von La Roche; er verfasste ein mönchskritisches Pamphlet, in dem wahrscheinlich auch der auf Warthausen verkehrende Pater Sebastian Sailer karikiert wird. Zu diesen Klosterkritikern gehört – in der Schussenrieder Ausstellung, herausgehoben – auch der aus Ehingen stammende Johann Kaspar Adam Ruef (1748 – 1825), seines Zeichens Bibliothekar und Professor an der Uni Freiburg. Er verfasste in der Zeit Kaiser Josephs II zahlreiche kirchenkritische Aufsätze und gab Zeitschriften heraus, in denen für ein aufgeklärteres Christentum geworben wurde. Die Ausstellung in Schussenried zeigt einen Porträtstich Ruefs und einen Band mit von ihm herausgegebenen Zeitschriften; zudem wird Ruef in einem Aufsatz zum Thema “Klosterbibliotheken” erwähnt. Untermarchtaler Vinzentinerinnen stellen sich vor Gottseidank erscheinen die Klöster nicht nur als Thema der Vergangenheit. Zahlreiche Orden im Land stellen während der Ausstellungsdauer ihre Arbeit in zwei Räumen des einstigen Klostergebäudes vor. Sie tun das nicht und nicht in erster Linie mit Objekten und Fotos, sondern leibhaft, als Mitmenschen, vf und uf hörten einer Franziskanerin aus Gengenbach zu, die von der Betreuung von Aids-Kranken durch ihre Mitschwestern erzählte. – Im Mai sind die Vinzentinerinnen von Untermarchtal dran. – Bemerkenswert: Während die großen Ordensbauten des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem auf Männerkongregationen zurückgehen, zeigt sich in der Abteilung „Orden heute” nicht ein einziger Männerorden der Gegenwart. – Zum Thema „Neues Ordensleben nach der Säkularisation” ist zu erwähnen: Die selige Ulrika Nisch, Mitglied der Kreuzschwestern von Hegne, wird in der Ausstellung im Bild vorgestellt. Erinnert wird auch daran, dass die Franziskanerinnen -von Reute auf die Initiative einiger Frauen aus Ehingen und Umgebung zurückgeht.

12.04.2003 | Ärztin V. Breitenbach verfasst Ratgeber für Frauen

EHINGEN / ROTTENACKER (vf) – Die in Ehingen wohnende, in Rottenacker praktizierende Frauenärztin Dr. Verena Breitenbach hat zu größeren Teilen ein 350-Seiten-Buch verfasst das jetzt im Heyne-Verlag erschienen ist. Titel: “Woman body & soul – Mehr Lust an der Lust, Frauenkrankheiten ganzheitlich heilen – Offene Antworten auf alle heiklen Fragen”.

Auf Titel- und Rückseite des Paperback-Buchs wird darauf abgehoben, dass Breitenbach für den Fernsehsender “ProSieben” eine “Personal Help Show” moderiert, die ihren eigenen Namen trägt, inclusive des so beeindruckenden “Dr.”-Titels. Die Hauptteile des Buchs lauten: Typisch Frau – Lust und Liebe – Frauengesundheit – Frauenkrankheiten – Wenn Frauen Mütter werden – Abenteuer Lebensmitte – Wenn die Seele nicht satt wird – Ich fühl mich wohl, so wie ich bin.

Die Neuerscheinung ist intensiv farbig bebildert. Bilder und Buch-Gestaltung sind auf die heute übliche Leser, vor allem: Leserinnen, zugeschnitten, deren Leseverhalten durch Illustrierte und Fernsehen geformt ist. Das bedeutet: Ja nicht den Anschein erwecken, ein Buch zu lesen, sei Arbeit. Der Text ist auf möglichst viele kleine Text-Happen zurechtgeschnitten (was ja auch sein Gutes hat). Der Text ist angenehm verständlich geschrieben; es wird darauf verzichtet, durch möglichst viel Fremdworte Eindruck zu schinden.

Die Neuerscheinung ist zugeschnitten auf einen Käuferinnen Kreis, der sich modern und progressiv fühlt. Das zeigt sich schon daran, der Haupttitel auf Englisch formuliert ist. “Frau, Körper und Seele” wirkt viel banaler als wenn dieselben Begriffe, aber auf Englisch, verwendet werden. Im Text ist auf die Englisch-Manie meist verzichtet, wenn man von Schnieke-Worten wie “Wellness” absieht.

Populäre Frauen-Gesundheitsratgeber gibt es seit über hundert Jahren. Noch nicht so üblich sind Kapitel wie “Typisch Frau” und “Lust und Liebe”. Hier erscheint die Autorin als Vertreterin eines gemäßigten Feminismus und moderner Lust-Orientierung.

Männer sollten diese Kapitel nicht so genau lesen, weil sie sich mickrig vorkommen könnten, verglichen mit dem angeblich so sehr viel sprach- und wahrnehmungsbegabteren weiblichen Geschlecht. Und: Einspezifisch männliches Detail an Männerkörpern kann nach Auffassung der – hier vielleicht augenzwinkemden – Autorin nicht mit einem speziellen Kunststoff-Stabkonkurrieren, dem die Autorin attestiert, der „kann immer, wenn Sie (gemeint: die Leserin) wollen, vorausgesetzt, Sie haben Ersatzbatterien im Schrank.” Und noch ein Vorteil dieses Stabes, laut Dr. Breitenbach:
“Er macht mit Ihnen genau das, was Sie wollen – ohne große Erklärungen!” Da kann man nur sagen: Welch ein Vorteil, wo doch bekanntlich das Reden über Sex – allen modernen Beteuerungen von Offenheit und Liberalität zum Trotz – nach wie vor vielen Paaren nicht leicht fällt oder überhaupt nicht stattfindet.

Mit den vorstehenden Angaben haben Männer jene Stellen schon hinter sich gebracht, die ihnen als Männer vielleicht aufstoßen. Ansonsten wäre es aber auch nicht schlecht, wenn selbst wir Männer mehr von Frauenkörpern wüssten – und sogar als Männer in so ein Buch ‘reinschauen, wenn unsere Frau oder Freundin es sich zugelegt hat.

Das Kapitel über die Lust enthält zahlreiche Details, die von manchen Lesern der Schwäbischen Zeitung als „vrbodda” verurteilt werden und die wir deshalb unterschlagen. Wer will schon Leser ärgern, wenn die sich für moralisch halten? Außerdem wird es dem Verlag und vielleicht auch der Autorin lieber sein, wenn die jetzt neugierig Gewordenen das Buch kaufen, als wenn wir ihnen schon alles Pikante verraten hätten. Einige wenige Beiträge stammen nicht von Verena Breitenbach; einer stammt von der in Ehingen tätigen, im Kreis Ravensburg wohnenden Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Linda Beeking. Wie schon an einem unserer Zitate zu merken: Der Stil des Buchs ist anscheinend ganz persönlich, die Autorin wendet sich oft direkt mit “Sie” an ihre Leserinnen. Man hat den (wohl nicht durchweg richtigen) Eindruck von Nähe, den selben Eindruck, den auch das Fernsehen oft vermittelt, wenn sich ein Sprecher direkt an die Zuschauer wendet, aber sich solche Nähe im übrigen Leben wohl verbitten würde. Solche anscheinende Nähe suggeriert auch das Vorwort, wenn die Autorin verspricht: “Ich zeige Ihnen meine liebsten Fitness- und Relax-

Übungen” oder wenn sie sich bei ihrer Tochter für ihr Verständnis dafür bedankt, dass sie die Mama wegen der Arbeit an dem Buch “für viele Stunden entbehren musste”. Da die Autorin sich persönlich gibt, hier noch ein bisschen mehr Persönliches: Verena Breitenbach kam in Ehingen zur Welt, weil ihre Mutter Elisabeth Breitenbach geb. Löffler zeitweilig in Ehingen lebte; E. Löffler war Klavierlehrerin und unterrichtete im elterlichen Haus an der Georg-Zoller-Straße (der Verfasser dieser Zeilen war von 1950 bis 56 einer ihrer Schüler); der Papa von V. Breitenbach hat ebenfalls einen Teil seines Lebens mi Ehingen verbracht, als Sohn eines Finger Gymmi-Direktors der 50/60er Jahre. – Als Ärztin (und Autorin) Verena Breitenbach aus den Rum Biberach / und
München wieder in den Raum Ehingen gekommen.

Dr. Verena Breitenbach Der Titel der Neuerscheinung: die Autorin selbst in Zuhörer- und Beraterpose

06.04.2003 | Locher-Fachfrau Cora Dietl spricht in Ehingen

EHINGEN (vf) – Am Mittwoch, 30. April, 20 Uhr,spricht Dr. Cora Dietl, Tübingen, im Ex-Franziskanerkloster über den Ehinger Humanisten Jakob Locher. Locher war akademischer Lehrer an den Universitäten Freiburg und Ingolstadt und wurde von Kaiser Maximilian zum Dichter gekrönt (ja, so was gab’s damals). – Unter anderem wird an dem Redner, Dramatiker und Verseschmied Locher seine Übersetzung eines damals berühmten sittenkritischen Buchs, des „Narrenschiffs” von Sebastian Brant, ins Lateinische gerühmt (Ein Stein mit Motiven des Narrenschiffs steht seit vergangenem Sommer vor dem Vortragsgebäude Ex-Kloster).

Die aus Esslingen stammende Literaturhistorikerin C. Dietl (zeitweilig bereits Germanistik-Prof in Finnland) befasst sich schon seit längerem mit Lochers Werk. Sie ist daran, eine Habilitationsschrift über Locher zu verfassen. Als Locher-Forscherin solche hat die Ehinger SZ Dietl vergangenen Sommer größer vorgestellt. – Dietl ist alles andere als eine ausgebleichter, saft- und kraftloser Bücherwurm. Dass sich der Staub der Jahrhunderte auf ihr Hauptthema gesenkt hat, hat die Forscherin und Autorin selbst nicht im Mindesten angestaubt. Vf nimmt an, dass die Ehinger Kultur- und Heimatfreunde am Mittwochabend einen sowohl kundigen wie amüsanten Vortrag hören werden.

03.04.2003 | Wirtschaften und Brauereien

EHINGEN (vf) Gibt es in Ehingen ein einziges stattliches Gebäude, das früher k°e°i°n Wirtshaus war?? So musste man sich fragen, wenn man dieser Tage mit dem Vorsitzenden der Museumsgesellschaft, Ulrich Köpf, durch die Innenstadt wanderte. Was für Heutige selbstverständlich ist, dass Innenstadt Gebäude vor allem Modehäuser sind, war früher ganz und gar nicht der Fall.

Nicht Mode-, sondern Gasthäuser prägten die große Straße

Modehäuser gab es früher wohl überhaupt nicht an prominenter Stelle in der Stadt. Wer Kleider brauchte und zahlen konnte, ging zu einem der kleinen, meist armen Schneider in einer der Nebengassen. Hingegen dienten viele herausragende Gebäude der Bewirtung und der Beherbergung, dahinter dann die zugehörigen Bauten zur Getränkeherstellung („Bier“). Nach Herbergen bestand früher ein vielleicht größerer Bedarf als heute, weil sich in Ehingen überregionale Verwaltungssitze mit repräsentativen Anhängseln befanden (Reichsritterschaft, vorderösterreichische Regionalverwaltung und Ständevertretung), weil Wallfahrer in die Liebfrauenkirche von weit her kamen, weil Ehingen Geld- und Naturalien Annahmeort auswärtiger Großgrundbesitzer (große Klöster, Uni Freiburg) war. Politische Verhandlungen konnten nicht mit dem Telefon erledigt werden. Briefe oder persönliche Anwesenheit waren nötig.

Eine „kleinräumige“ Wirtschaft – in doppeltem Sinn

Ulrich Köpf hatte für seinen Rundgang durch die Stadt über fünfzig (meist ehemalige) Gasthäuser aufgelistet. Die meisten hatten früher auch eine Brauerei angegliedert. Aus Transport- und Aufbewahrungsgründen war Bier, verglichen mit heute, nur dezentral herzustellen, also waren die Brauereien zahlreich, aber auch klein.

Über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hin wurde in und bei Ehingen auch der für die Bierherstellung benötigte Hopfen angebaut, zum Teil, wie im Fall der Stadtwirtschaft, direkt hinterm Gasthaus. Hopfengärten bedeckten früher einen großen Teil der stadtnahen Flächen, Häuser zum Trocknen („Darren“) der Hopfenfruchtstände befanden sich an zahlreichen Stellen der Stadt. Heute noch stehen zwei Gebäude, die einst zum Zweck des Hopfentrocknens gebaut worden waren (auch hier ein Konservierungsproblem!): nördlich des Gasthauses „Rößle“ und südlich des „Schwanens“, hinter dem Hohen Haus.

Getrunken wurde schon immer

Bierbrauer gibt‘s schon lang in Ehingen. Erstmals wird 1384 in Ehingen ein Brauer genannt. Kurz darauf erwerben ein Ehinger Brauer mit dem schönen Namen Wucherer und sein Compagnon Teile des Dorfs Altsteußlingen, waren also betuchte Leute. – Als die Franziskaner in Ehingen Mitte des 17. Jahrhunderts ein Kloster und dazu eine Wallfahrtskirche bauten, wollten sie auch (sicher nicht um Gotteslohn) die Wallfahrer verköstigen und ließen sich im Jahr 1700 die Erlaubnis zum Bierbrauen erteilen. – Welche Bedeutung das Bierbrauen hatte, lässt sich auch daran ablesen, dass das Grundgesetz der Stadt Ehingen im 18. Jahrhundert (der sogenannte Ramschwag‘ische Rezess) vorschreibt, wer in der Stadt Bier und Met sieden darf – und wer nicht.

Ulrich Köpf, früher einer der drei Leiter der Ehinger Flurbereinigungsbehörde, ausgebildeter Vermessungsingenieur und von daher auch mit der Geschichte und Beurkundung von Vermessungen vertraut, benutzte für seine Darlegungen und seinen Stadtrundgang als Quelle neben Webers Stadtgeschichte (1955) den sogenannten Primärkataster von 1823 und die sogenannte Nummernkarte (1821) zur Landesvermessung – Unterlagen, die im Ehinger Vermessungsamt aufbewahrt werden. In dem „Kataster“ wurden erstmals die Immobilienbesitztümer in Ehingen genau verzeichnet.

Laut Kataster von 1823 gab es in Ehingen Hopfenfelder beispielsweise neben der Gaststätte Blumenschein (am Ende der Pfisterstraße), im Grieß, „vor dem Thor“ (Richtung Ulm), „hinter dem Kloster“ (rund um die heutige Hopfenhausstraße), am „Schwarzen Berg“ (nahe der Schwarzen Gasse, an der heute Katharinensteige genannten Fläche) etc.

Auf und ab in der Wirtschaft – in doppeltem Sinn

Noch 1861 wurden stadtnah 20 Morgen Wald „ausgestockt“ (abgeholzt und die Wurzelstöcke entfernt), um auf den frei gewordenen Flächen Hopfen anzubauen. Als Geländenamen hat sich beispielsweise „Fegers Hopfengarten“ erhalten; zwischen B 311 und „Rotem Hau“.

Binnen weniger Jahrzehnte ging der ganze Ehinger Hopfenanbau „da Bach naaa“. Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg war alles passé. Nicht nur das Mitte der 1971 abgebrochene große Hopfenhaus war eine Investition in diesen zunächst wachsenden Wirtschaftszweig, sondern auch beispielsweise das 1960 abgerissene frühere Druckereigebäude der Ehinger Zeitungsverleger-Familie Feger hinter dem Schlüssle, erbaut 1878 von einem „Prof. Baur“.

Die Brauer hatten eigene Brunnenhäuser

Zu den Brauereien gehörten früher auch „Brunnenhäuser“, unter denen sich heute kaum einer etwas vorstellen kann. Als es noch wenige – oder nicht genügend saubere – Brunnen in der Stadt gab, holten die Brauer das benötigte Wasser in der Schmiech, unterhalb der Stadtpfarrkirche, und nördlich der einstigen Eisengießerei Knapp (heute Katharinensteige). Und bauten sich nahe der Schmiech eigene Häuslein, um das Schöpfen zu erleichtern. Das Brunnenhäusle an der Schwarzen Gasse wurde 1878 abgebrochen.

Am Beginn ganz feierlich

Die ersten Gasthäuser in Ehingen, so Köpf, waren nach den vier Evangelisten benannt, „Engel“ (Mensch) für den Heiligschrift-Schreiber Matthäus, „Löwe“ für Markus, „Ochsen“ (Stier) für Lukas und „Lamm“ für Johannes. Laut Ulrich Köpf war die Verwendung von Evangelisten-Namen für Wirtshäuser im Mittelalter ganz üblich. Beim „Engel“ lässt sich nur noch vermuten, wo er einst stand, nämlich dort, wo sich jetzt das Amtsgericht (früheres Verwaltungs- und Ratsgebäude der vorderösterreichischen Stände) befand. Der „Löwe“ befand sich ursprünglich dort, wo heute Hörgeräte Langer ist, später am einstigen unteren Eingang der Stadt, direkt vor der Stadtmauer (heute noch ein stattliches Gebäude, neben Jet-Tankstelle). Das „Lamm“ bringt sich älteren Ehingern heute noch durch die Benennung eines ansteigenden Straßenstücks in Erinnerung; in dem Gebäude befindet sich heute das Geschäft „Betten-Krieger“. Der „Ochsen“ überlebte als einziger aus diesem „Quartett“.

Die meisten frühen Gaststättennennungen stammen aus dem 17. Jahrhundert – wohl eine eher zufällige Folge der „Aktenlage“. Von den im Lauf von vier Jahrhunderten gut fünfzig bekannt gewordenen historischen Gaststätten wollen wir im Folgenden nur einige wenige nennen, vor allem „verschwundene. Wo heute das „Bistro Fun“ sich befindet, an der oberen Hauptstraße war früher eine chinesische Gaststätte, davor einige Jahrzehnte das .Café Kronprinz“, vor allem aber jahrhundertelang eine der ursprünglich zwei „Ochsen“-Wirtschaften der Stadt: Zum Unterschied zum „Ochsen“ in der Schulgasse („der rote…“) wurde der an der Hauptstraße „der weiße“ genannt. – Der (soweit bekannt) erste „Bären“ befand sich in dem Gebäude neben jenem Weißen Ochsen (heute Buchhandlung König) und wurde später an die Pfisterstraße verlegt. Aus dem Hauptstraßen-„Bären“ gingen zwei beachtliche Männer hervor: der Pfarrer, Erd- und Kunstgeschichtsforscher Josef Probst (geb. 1823) und der Breslauer Theologieprofessor Ferdinand Probst (geb. 1816).

Die einstige „Krone“ (heute Raiba) wurde aus besonderem Grund mindestens zweimal erbaut. Als Ehingen ans Eisenbahnnetz angeschlossen und zu diesem Zweck die Straße von der Stadtmitte zum Bahnhofsgebäude verlegt wurde, wurde auch der Gasthof nochmals neu aufgebaut, etwas verschoben (1868).

Gastwirt und Oberschaffner

Das stattliche Gebäude Romer (seit kurzem Textil Öchsle) war einst ebenfalls Gaststätte, wie viele Großbauten an der Hauptstraße. Sie hieß damals Ilge“ (alt, für „Lilie“). Einer der Wirte war im 18. Jahrhundert auch Pacht-Einnehmer der in Ehingen begüterten Universität Freiburg, er war „Oberschaffner“. Was Späteren als Inbegriff eines kleinen Eisenbahnbeamten vorkommt, war damals ein angesehener, mit gutem Einkommen verknüpfter Beruf. Mehrere Gaststätten hatten Säle für größere Veranstaltungen. Nur selten waren es früher Stadtverwaltungen, die solche Bauten erstellten. Das, was jetzt vielleicht bei zunehmender Staatsverschuldung wieder kommt, nämlich öffentlich erledigte Aufgaben durch private Investoren erledigen zu lassen, das war früher selbstverständlich: Hallen waren Wirtschaftsunternehmen, von Wirtschaftenden zu erstellen und zu erhalten.

Wirtshausschild in der Hauptstraße Das Schild des einstigen Gasthauses zum Rad an der oberen Hauptstraße, einst ein stattliches Gasthaus, aber inzwischen schon lang so gut Vergangenheit wie Dutzende anderer Wirtshäuser und Kneipen in Ehingen (entnommen aus der Stadtgeschichte von Pfarrer Weber)

Wirtin – Patronin des Klosters

Weil vor einigen Monaten feierlich an einen Herrn von Staufenberg aus dem 17. Jahrhundert und an seine Bedeutung für die Entstehung des einstigen Franziskanerklosters erinnert wurde, wollen wir eine „Fußnote“ aus Ulrichs Kopfs Vortrag erwähnen: Auch andere Leute, „oifachere Leit“, spielten eine Rolle für dieses Kloster. Ulrich Köpf erwähnte, dass in der Haus-Chronik des Klosters die einstige Rößle-Wirtin Ursula Blau „Patronin und Mutter“ der Ehinger Franziskaner genannt wird und ihr Sohn Caspar Blau „Geistlicher Vater“ des Klosters. Ältere Ehinger erinnern sich ans „Blaufeld“. Woher der Name? – Nun, das Gasthaus gehörte einst einem Stadtschreiber Blau. Gastwirte übten öfters mehrere Berufe zugleich aus – sicher aus verschiedenen Gründen (auch ein Ehinger Feger war im 19. Jahrhundert zeitweilig nebenher Wirt, in der. „Traube“).