19.02.2003 | Auf den Spuren von Bruder J. Stiehle

DÄCHINGEN / CUENCA (vf) – Franz Holzmann ist von seiner jüngsten Ecuador-Reise zurück. Auch diesmal gibt es wieder viel zu erzählen, vor allem von der sinnvollen Arbeit der mit Spenden aus Deutschland unterstützten Stiehle-Fördervereinigung in Cuenca und Umgebung.

Ein besonderes Ereignis war die Einweihung und Benennung einer deutschen Schule in Cuenca nach dem aus Dächingen stammenden Ordensbruder und Baumeister Johannes Baptista (Juan Bautista) Stiehle. Darüber berichtete für die SZ Ehingen bereits ihr Mitarbeiter Kurt Efinger, der für einige Wochen Franz Holzmann auf seiner Tour begleitete. – Inzwischen ist aber auch F. Holzmann zurück. Die SZ fragte den früheren Dächinger Ortsvorsteher, Stiehle-Forscher und Fördervereinsgründer Holzmann nach weiteren Erlebnissen. Und da gibt es schon zu erzählen.

Das wichtigste für Holzmann war wohl mitzuerleben, wie die beiden Cuencaner Angestellten des Fördervereins arbeiten. Die beiden Frauen verwenden nicht nur die aus Deutschland seit Jahren schon eintreffenden Spendengelder, sondern tun auch viel in Cuenca selbst, um mit von dort gespendeten Geldern und Materialien sinnvoll zu arbeiten, vor allem: die Not in den sehr ärmlichen Gebirgsgegenden um Cuenca zu lindern. Abgesehen von der Unterstützung bedürftiger Schüler in Cuenca arbeiten die beiden Frauen auch in dörflichen Anden-Regionen zum Teil in größerer Entfernung von Cuenca. Sie besuchen Gebirgsdörfer, die oft nur noch von älteren Leuten und Müttern mit Kindern bewohnt werden. Die Männer sind abgewandert, um in den großen Städten, teils an der Küste des Landes, Arbeit zu finden und auf diese Art dann ihre Angehörigen zuhause unterstützen zu können.

Die beiden Mitarbeiterinnen der Fördergemeinschaft fahren immer wieder mit einem schwer mit Grundnahrungsmitteln beladenen Auto in die Bergregionen, am Straßen, die oft diesen Namen kaum

verdienen, und geben dann die Nahrungsmittel zu verbilligten Preisen ab. Zugleich versammeln sie die Frauen mit ihren Kindern um sich, um ihnen für den Alltag nützliche Informationen zu geben. Auch religiöse Unterweisung fließt ein; es handelt sich um Gegenden mit Menschen, die zwar dem Namen nach katholisch sind, aber oft wenig von Glaubensinhalten wissen, die aber andererseits, so der Eindruck von Franz Holzmann, gerne mehr vom Christentum hören. Während der Cuenca-Zeit Holzmanns war Advent und Weihnachten; der Dächinger erlebte mit, wie in einem Fall fünf Kinder zu einer religiösen Feier kamen, die von den beiden Stiehle-Fundacion-Mitarbeiterinnen organisiert wurden. Die Menschen hatten lange Wege von zu Hause und dann wieder nach Hause zu Fuß zurückzulegen. Bei der Feier konnten die beiden Fundacion-Mitarbeiterinnen auch die anwesenden Kinder mit kleinen, bescheidenen Geschenken bescheren und erfreuen. – Für Franz Holzmann war der Vorgang ein eindrückliches Erlebnis, dass die deutschen Spendengelder sinnvoll angewendet werden.

Auch in Sachen Stiehle-Geschichte ergab sich einiges Neue. So besuchte Holzmann eine Wallfahrtskirche in Biblian, deren Bau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von J. B. Stiehle geplant worden war. Bei dieser Reise konnte er zusätzliche Belege für die Richtigkeit dieser Zuschreibung auftun. Unter anderem fand Holzmann auch einen aus Holz hergestellten Altartisch vor, der mit Sicherheit Stiehles Hand zuzuschreiben ist. Erkenntnisse zur Biographie und zur Arbeit von Bruder Johannes fand Holzmann auch, indem er Orte aufsuchte, deren Namen in der ersten gedruckten Lebensbeschreibung Stiehles auftauchen, verfasst von seinem Ordenskollegen Georg Kaiser; diese Biographie erschien erstmals vor hundert Jahren in den USA auf Latein und einige Jahre später auf im Druckhaus Feger in Ehingen. Obwohl es kein runder Geburtstag ist, feierte eine große Cuencaer Tageszeitung den 104. Todestag von Johannes Stiehle in ihrer Wochenende-Beilage mit einem Din-a-Vier-Seiten großen farbigen Aufmacher-Foto. Verwendet wurde dafür ein Bild, das ein Cuencaer Maler vor Jahren angefertigt hat und das das Hauptbauwerk Stiehles, den erdbebensicheren Dom von Cuenca, eine der größten Kirchen Südamerikas, mit seinem Planer zeigt. Der Maler ließ sich von mittelalterlichen europäischen Darstellungen inspirieren: Diese zeigen dann aber nicht den Architekten, sondern den Stifter einer Kirche, ein Modell des Doms auf den Händen tragend. Eine Kopie des Bildes befindet sich in der Stiehle-Gedenkstube in Dächingen.

06.02.2003 | Fünfzig Jahre danach Erinnerungen an ‚Stalingrad‘ veröffentlicht

KIRCHBERG (Kreis Biberach) / Toronto (sz / vf). – Im Selbstverlag erschien jetzt ein mehrhundertseitiges Buch, verfasst von dem aus Kirchberg, Kreis Biberach, stammenden, in Toronto / Kanada lebenden 88-jährigen Michael Johann Kramer über seine Erlebnisse während des Krieges in Stalingrad und danach, in russischer Gefangenschaft.

Kramer hat bald, nachdem er 1949 aus der Gefangenschaft nach Kirchberg heimgekehrt war, seine Erinnerungen maschinenschriftlich notiert. Das 360 Seiten umfassende Typoskript blieb dann jahrzehntelang in einer Schublade liegen. – Einige Jahre nach der Rückkehr nach Deutschland wanderte Kramer nach Kanada aus. Eine Tochter von ihm wanderte als Erwachsene nach Deutschland zurück und half jetzt bei der Drucklegung der über fünfzig Jahre alten Aufzeichnungen, die J. Kramer selbst in Kanada mit Unterstützung seiner Kinder von der einstigen Typoskript-Fassung weg in den PC eingegeben hatte.

Gedruckt wurden die Erinnerungen in einer Auflage von einigen hundert Stück in Digitaldruckverfahren. Erhältlich sind Exemplare in der Biberacher, Buchhandlung Weichhardt für 20 Euro und im Café Kramer in Kirchberg, der Heimat des Verfassers.

Die Biberacher SZ-Redaktion unterhielt sich mit dem 88-jährigen Deutsch-Kanadier aus Anlass der Veröffentlichung am Telefon. In dem Gespräch äußert Kramer, er habe zahlreiche Bücher über „Stalingrad“ gelesen, aber diese Bücher seien immer aus der Sicht von Offizieren geschildert, nicht aus der Warte des einfachen Landsers.

Kramer bekennt sich zu seiner Soldatenzeit sehr direkt: „Wir waren Soldaten und für uns hat es nichts anderes gegeben als Siege und nochmals Siege. Immer, wenn die Russen einen Gegenangriff gestartet haben, gab es einen Luftschlag gegen deren Stellungen.“ Immer wieder erstaunt’ den Verfasser dieser Notiz, vf, wofür alles Gott herhalten muss: Kramer sagt: „Ich bin sehr religiös: ich danke Gott, dass er mich durch die Tage der Gefangenschaft geführt hat.“ – Aussagen von jüdischen Häftlingen, die das KZ überlebten, und von deutschen Soldaten, die den Krieg überlebten, unterscheiden sich häufig dadurch, dass Juden, die kein KZ errichteten, sich schämen, überlebt zu haben, deutsche Soldaten hingegen göttliche Fügung für- ihr Überleben in Anspruch nehmen.

02.02.2003 | Josef Steiner lebt in Ungarn und Schwaben

UNTERMARCHTAL (vf) – Mit einem Bein im Schwabenland, mit dem anderen in Ungarn, so kann man sich den Untermarchtaler Donauschwaben oder donauschwäbischen Untermarchtaler Josef Steiner vorstellen. Im Januar 1948 musste er als Achtjähriger seine Heimat im „Buchenwald“ westlich Budapest verlassen. Seine Familie fand eine neue Heimat in Untermarchtal, aber seit dreißig Jahren besucht Josef Steiner wieder das Herkunftsdorf und, seit er im Ruhestand ist, mehrere Male im Jahr. Er fühlt sich in Ungarn wohl, aber ganz umziehen will er nicht; da bietet ihm seine zweite Heimat Deutschland zu viel Vorteile.

Vor einigen Jahren hat Steiner in seinem Heimatdorf Bakonyjákó das Ferienhaus gekauft, in dem er zuvor schon zahlreiche Urlaubswochen verbracht hat. Er ist froh, dass Frau und Kinder gern mit ihm den Urlaub dort verbringen. Ehefrau Gisela geb. Schwatlo ist selbst heimatvertrieben; sie stammt aus Allenstein im einstigen Ostpreußen; aber in ihrer eigenen Heimat war sie bisher noch nicht. – Ganz einhellig ist die Begeisterung über die Fahrten nach Ungarn auch bei Steiners nicht: Die Eltern von Josef Steiner wollten nie mehr in das Dorf, aus dem sie an Dreikönig 1948 verjagt wurden, und die ebenfalls in Untermarchtal lebende Schwester unseres Gewährsmanns möchte mit dem Dorf im „Buchenwald“ ebenfalls nichts mehr zu tun haben.

Dabei lebte dort noch lange Zeit der Bruder des Vaters von Josef Steiner; er war der Kommunistischen Partei beigetreten und musste daher 1948 nicht, wie der überwiegende Teil der Bewohner des Dorfs, die Heimat verlassen. Damals wurden 235 von 283 Familien „ausgesiedelt“. Sie leben heute nicht nur in Deutschland, sondern in allen Erdteilen. In die leerstehenden Wohnungen zogen zum Teil ungarische Familien ein, die aus der („kommunistischen“) Slowakei vertrieben worden waren.

Viele donauschwäbische Häuser verfielen in den Jahren nach der Vertreibung; diesen Anblick wollten sich die Eltern von Josef Steiner nicht antun. Josef selbst hat da kleinere Probleme, aber schließlich hat er auch nicht so lange dort gelebt wie seine Eltern. Aber so gefühlshaft verbunden mit der Heimat der Vorfahren seit dem 18. Jahrhundert ist auch der Josef, und so hat er im Lauf der Jahre die Grabsteine der Großeltern und anderer Verwandter auf dem Friedhof von „Jako“ wieder gerichtet; diese Gedenksteine waren – im Gegensatz zu anderen mittel- und osteuropäischen Ländern – nicht umgeworfen oder „umgewidmet“ worden, sondern standen und stehen auf dem Friedhof des Dorfs.

Die Menschen dort sind heute weit überwiegend Ungarn, aber eine ganze Reihe von ihnen kann Deutsch, unter anderem auch deshalb, weil einige es bei früheren Auslandsreisen oder als Gastarbeiter in der DDR gelernt haben. Es ergibt sich der kuriose Umstand, dass ungarisch sprechende Menschen in den einstigen donauschwäbischen Gemeinden deutsche Volkslieder lernen und zu ihren Melodien tanzen lernen.

Die Familie Steiner kam 1948 zunächst nach Pirna bei Dresden, dann war sie drei Jahre in einem Lager bei Hof / Saale, zwei Wochen in Weingarten und ab 1952 in Untermarchtal. Josef Steiner lernte den Beruf des Malers bei der Firma Fiderer in Munderkingen und war dann 31 Jahre Maschinenführer in der Zellstoff; seit einem Jahr ist er in Rente. 1971 beantragte er erstmals ein Visum für eine Fahrt in die alte Heimat.

50 Jahre „danach“: Treffen mit Besuchern aus aller Welt 1998 („50 Jahre nach der Vertreibung“) und im Jahr 2002 trafen sich „Ausgesiedelte“ auf Initiative der jetzigen Jakoer Gemeindeverwaltung eben dort. Zum ersten Treffen kamen hunderte Jakoer in die alte Heimat, bis aus Kanada und den USA. Josef Steiner hat selbst Adressen für die Einladungsschreiben gesammelt und dem Rathaus von Bakonyjákó zur Verfügung gestellt. Bei dem Begegnungsfest vergangenen August, als ein Erzbischof die Messe las, wurde ein Museum  eingeweiht; die „Deutsche Bühne“ aus Szekszard führte eine Operette auf, regionale Handwerke wurden vorgestellt, unter anderem war dabei: „Zsolt Lampert, Geringeltepeitschenhersteller“.

So sahen früher die Wohn-und Arbeitshäuser in der alten Heimat aus – Josef Steiner besuchte sie jetzt –     Die Kirche des Heimatdorfes in Ungarn, im donauschwäbischen Dorf Bakonyjákó.