19.05.2002 | Deutsch-chinesisches ,Joint Venture‘ wurde in Urspring besiegelt

DONAURIEDEN / URSPRING (vf)-Am heutigen Samstag geben sich Zhang Xiuli aus China und Dirk-Ulrich Tretter aus Donaurieden in der Urspringkirche das Ja-Wort fürs Leben. Früheren Ehinger Gymnasiasten und Jung-Unionisten ist der Bräutigam bekannt – Alle Tage findet keine deutsch-chinesische Hochzeit in unserer engeren Heimat statt, und so fragte die Ehinger SZ ein wenig nach.

Dirk Tretter lernte seine jetzige Frau bereits vor drei Jahren, während seines ersten China-Aufenthalts, an seinem Arbeitsplatz in einer Firma kennen. – Der Diplom-Betriebswirt der FH Aalen hat bereits etwa zwei Jahre seines Lebens in China verbracht. Und ab 11. Juni wird er voraussichtlich noch wesentlich mehr Zeit in China verbringen. Grund; Er ist seit letztem Herbst Vertriebsdirektor für ein gerade entstehendes Stahlwerk in der Fünfeinhalb-Millionen-Stadt Dalien in Nordostchina, ein Stahlwerk, an dessen Planung Tretter bereits in der Duisburger Thyssen-Zentrale mitarbeitetn. In Dalien entsteht ein Gemeinschaftsprojekt („Joint Venture“) von Thyssen, Krupp und dem zweitgrößten chinesischen Stahlhersteller. Der neue Betrieb ist eine Feuerverzinkungsanlage, die Bleche für die chinesische Auto-Industrie herstellen soll. Der Betrieb ist maschinen- und steuerungsintensiv und wird bei einem geplanten Jahresausstoß von 400.000 Tonnen feuerverzinktem Stahl gerade mal 200 Leute beschäftigen, ist also für den Arbeitskräftemarkt Rotchinas keine große Hilfe, ermöglicht aber eine rationelle und billige Qualitätsproduktion. Unter den 200 Beschäftigten kommen fünf aus Deutschland, einer ist D. U. Tretter. – Das Werk wird zwei je fünfhundert Meter lange Hallen haben und soll nächstes Jahr mit dem Produzieren beginnen. Kosten bis dahin laut Plan: 180 Millionen Dollar.

Schon jetzt verhandelt Dirk Tretter mit den künftigen Abnehmern dieser Autobleche, unter anderem auch mit der BMW-Zentrale in München, mit Blick auf das BMW-Werk in China. (Ein großer Teil der boomenden chinesischen Autoproduktion geht auf Konzerne aus den Industrienationen zurück.) Als D. Tretter seine jetzige Frau Zhang Xiuli, 31, kennenlernte, war sie „die rechte Hand des Chefs der Firma“, in der Tretter sein Praktikum ablegte. Zhang ist Ingenieurin für Maschinenbau und wird sicher auch in Dalien einen Job finden. Die beiden Eheleute wollen in jedem Fall auch Kinder. Da Frau Zhang mit einem Nicht-Chinesen verheiratet ist, gilt für sie nicht die sonst strenge Kinderzahlbegrenzung, mit der die chinesische Regierung die ungeheuren Bevölkerungs- und Arbeitsplatzprobleme im Land lindern will.

vf: „Was geschieht mit der Elektrogeräte-Firma, die Dirk bereits als Ehinger Gymnasiast in Donaurieden gegründet und bisher nebenher geführt hatte?“ – Dirk Tretter: „Papa Tretter“, promovierter Physiker mit – bis zur Pensionierung – Arbeitsplatz in Ulm, „führt diese Firma jetzt weiter.“ – Die Mutter von Dirk Tretter ist Lehrerin, wie übrigens auch die Mutter der Braut.

vf: „Warum die Trauung gerade in Urspring?“ – D.T.: „Meine zwei Brüder gingen dort zur Schule, und dann ist’s ja eine malerische Kulisse.“

vf: „Gab‘s bürokratische Probleme vor der Hochzeit mit einer Chinesin?“- D.T.: „Ja, und leider die meisten in Deutschland. Für die Erledigung des von Deutschland geforderten Panierkrams musste ich extra nach China fliegen. Das Beste: Wir brauchten vom deutschen Staat eine Genehmigung dafür, dass wir keine Genehmigung brauchen. vf: „Was folgt nach der Trauung?“- D.T.: „Zwei Flitterwochen in Italien, und dann ab nach China.“

Dirk Ulrich Tretter und Zhang Xiuli. Wer den Bräutigam schon als kleinen Ehinger Gymnasiasten vor zwanzig Jahren kannte, muss sagen: Auch aus den quirligsten Burschen werden gestandene Leute. (vf)Foto: privat

06.05.2002 | Rottenacker und das kommunistische Manifest

(vf) – Der Alb-Donau-Kreis hat einen Band mit historischen Aufsätzen herausgebracht. Die Ehinger SZ stellte einen dieser Aufsätze zu den Stichworten „Zwiefalten / Mochental / Säkularisation in Württemberg“ am 26. April vor. Im Folgenden weisen wir auf einen weiteren Aufsatz der Neuerscheinung hin, der mit einer besonderen Gruppe Menschen in Rottenacker und darüber hinaus in dem ungefähren Zeitraum 1790 – 1850 zu tun hat: Menschen, die kurz als „Separatisten“, als Abweichler, bezeichnet wurden und sich um eine charismatisch wirkende Frau, Barbara („Babele“) Grubermann, gesammelt hatten. Seit einigen Jahren gibt es in Rottenacker die Fastnachtsgruppe der „Babelesbuben“. Aber nicht nur sie erinnern auf eine verquere Art an jene Vorfahren; auch einer der Väter der weltweiten kommunistischen Bewegungen, Friedrich Engels, bezog sich in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf diese Separatisten-Gruppe.

Der Aufsatz aus der Feder des Altshauser Historikers Dr. Eberhard Fritz folgt den Spuren der Rottenacker I Separatisten bis in die USA; Fritz legt in seinem hier vorliegenden Aufsatz auch den Stand der Forschung mit zugehöriger Literatur in den USA, Deutschland und der Schweiz dar. Vor neun Jahren wies als erster seit langem der Reutlinger Schriftsteller und Historiker Hellmuth Haasis auf die Rottenacker Separatisten hin. Der einstige 68er und Verehrer jakobinischer Traditionen tat es mit einer Veröffentlichung in dem Verlag „Der Freiheitsbaum“, Verlagsort „Paris / Strasbourg“: Der Schalk saß ihm im Nacken bei dieser Ortsangabe; richtiger wäre gewesen: „Betzingen bei Reutlingen“ – aber das hätte nicht so gut geklungen. – Haasis veröffentlichte 1993 als erster ein von ihm in württembergischen Verhörprotokollen entdecktes Lied der Rottenacker Separatisten und deutete es (Das Büchlein ist nach wie vor im Ehinger SZ-Büro am Marktplatz käuflich zu erwerben). Lieder waren damals wichtig für die Verbreitung religiöser und politischer Gedanken unter vergleichsweise armen Menschen, die zu ihrer Zeit kaum über gedruckte Texte (oder gar, wie heute: das Internet) verfügten. Lieder spielten sicher auch eine Rolle, wenn jemand seine eigene Weltsicht stärken wollte.

Archivar E. Fritz ist inzwischen der beste Kenner des Themas „württembergische Separatisten“. Er hat deren Spuren auch in den USA verfolgt und er hat eine ganze Reihe von Separatisten-Liedern aufgetan, ebenfalls in Gerichtsakten – eine bemerkenswerte literarische Quelle, die etwas über den „Geist der Zeit“ aussagt. In der hier benannten Neuerscheinung liegen diese Lieder nun erstmals in Deutschland gedruckt vor.

E. Fritz folgt den Spuren der Separatisten auch im damals zeitweilig bayerischen Ulm. Dort erging es den Abweichlern nicht besser als im herzoglichen und königlichen Württemberg. Mitglieder der zahlenmäßig nicht großen Gruppe wurden aus der Stadt gewiesen oder sogar mehrere Monate ins Gefängnis gesteckt (damals sicher kein Zuckerschlecken), bloß, weil sie sich sternförmige Plaketten angeheftet hatten. Solche Sterne sahen nach Orden aus, und diese zu tragen war ein Vorrecht Adeliger. Die Separatisten kritisierten auf diese einfache Art die von oben erwünschten Standesunterschiede unter den Menschen.

Die Gedanken- und Gefühlswelt der Separatisten ist eine eigentümliche Mischung von gesellschafts- und kirchenkritischen Vorstellungen und enthält Ansichten über Sexualität, wie sie heute nicht mehr so üblich sind wie damals. In einem der Lieder wird die manchmal verquere Gefühls- und Denkwelt, einfacher, armer Leute sichtbar: Einerseits beneideten sie die höheren Schichten um deren größere sexuelle Freizügigkeit, andererseits waren sie von ihrer christlichen Erziehung her auf Sexualfeindschaft getrimmt. Einige der von E. Fritz veröffentlichten Liedverse wirken auf den Verfasser dieser Besprechung unfreiwillig komisch; die Verse wecken den Eindruck, dass diese Menschen sicher nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit strebten, aber auch die • (Straußen-)Eierschalen ihrer Herkunft an sich trugen. Eberhard Fritz tut seinem Studienobjekt die Ehre an, diese kuriose Seite der separatistischen Gedankenwelt nicht zu betonen, sondern auf die’ fast weltgeschichtliche Bedeutung dieser Personengruppe abzuheben.

Diese Menschen wurden damals in Rottenacker und anderswo streng verfolgt (Haft etc.). Als sie sich zur Auswanderung bereit erklärten, wurden sie aus der Haft entlassen. Sie hatten dann gerade vier bis sechs Wochen Zeit, die Auswanderung zu organisieren. Das heißt: einen Großteil ihrer geringen Habe zu verscherbeln, um Geld für die Auswanderung zusammenzukriegen und dann – fast im Wortsinn: ab in die Pampa. –

In den USA gelang den Babeles Buben unter schwierigsten Bedingungen die Gründung und jahrzehntelang sehr erfolgreiche Fortführung der „kommunistischen“ Siedlung „Zoar“ (nach einer Bezeichnung aus dem Alten Testament). Der englische Reisende John Finch stellte damals die ungewöhnlichen Experimente eines neuen Lebens- und Wirtschaftsstils in den Gemeinden der aus Europa kommenden USA-Einwanderer in einem Buch vor. Der spätere „Kommunist“ Friedrich Engels übersetzte diesen Bericht 1845 ins Deutsche und veröffentlichte darüber einen größeren Aufsatz. Engels wurde, so E. Fritz, durch die Nachrichten Finchs „wesentlich zum ‘Kommunistischen Manifest’ angeregt“, „Als Zweifel darüber aufkamen, ob seine kommunistischen Ideale auch realisierbar seien, führte er diese Siedlungen als Beweis an“. Eberhard Fritz: „Auf diese Weise entfalteten die im schwäbischen Pietismus wurzelnden religiösen Überzeugungen eine Wirkung, die weit über die Kirche oder die separatistischen Gemeinschaften hinaus reichte.“

02.05.2002 | Ehingen hat jetzt einen ,Berliner Platz‘

EHINGEN / NASGENSTADT (vf) – Gleich an vier Stellen der Stadt, teils nahe beieinander, betätigten sich dieses Jahr Mainachtsscherzer. Die Themen: Der neue „Berliner Platz“ an der Kollegiengasse, anmaßend parkende Polizeibeamte, „Kurort Ehingen“, Kreisverkehr in Ehingen, Fußgängerüberweg auf den Nasgenstadter Gollenäckern.

Ein witziger Mainachtsscherzer   (oder gar eine -scherzerIN?) sah sich das jüngst angelegte Plätzle an der Kollegiengasse an, das an zwei Seiten von einer massiven Mauer eingerahmt ist. Früher stand hier ein Wohnhaus mit Schreierei. Die Stadtverwaltung ließ die mächtigen Mauern rund um das Plätze errichten und sogar teuer sandstrahlen. „So viele Mauern sagte sich  der phantasiebegabte Ehinger und kam von dieser Beobachtung auf die Idee, das Plätzle auf „Berliner Platz“ zu taufen.

Andere Mainachtsscherzer ärgerten sich darüber, dass Polizeibeamte kürzlich in der Innenstadt auf einem Plätzle an der Schwanengasse parkten, wo es nicht gerade angezeigt war. Wer von uns ist nicht neidisch auf diese privilegierten Parker. – Eine Nachfrage der Ehinger SZ bei der Polizei-Pressestelle in Ulm vor einigen Wochen ergab, dass die Männer von „Weiß-Grün Tübingen“ (Scherzname für Polizeibeamte in Südwürttemberg) für solches Parken natürlich immer eine Entschuldigung von wegen „höherer Zwänge“  haben.

Vermutlich von den selben Mainachts-Aktiven stammte die Installation „Kreisverkehr“ vor dem Rathaus. Vf meint: Inzwischen glaubt in Ehingen niemand mehr an die Lernfähigkeit in manchem Rathaus-Zimmer. Während unsere Nachbarn in Frankreich schon vor Jahrzehnten auf den Vorteil von Kreisverkehren gekommen sind und während Erbach eher und die Biberacher wenigstens in den letzten Jahren den Vorteil erkannten, tun sich in Ehingen die
Zuständigen noch immer schwer damit, die eleganteste Kreuzungsverkehrs-Regulierungsweise öfters zu verwirklichen. Der Verfasser dieses Berichts fragt sich seit Jahren: Lässt ein „großer deutscher Ampelhersteller“ so viel Geld nach Ehingen fließen, dass an möglichst vielen Kreuzungen Ampeln errichtet oder belassen werden?? – Aber vermutlich verfügt der Schreiber dieser Zeilen nur über einen beschränkten Untertanenverstand. Und vermutlich zu Unrecht überkommt ihn jedes Mal beim Durchfahren von Erbach ein Glücksgefühl, wenn ihm einfällt, wie er früher dort vor den Ampeln im Stau stand. Der „Jahrgang 1895“ schlug in der Nacht zum 1. Mai ebenfalls zu: Er erklärte Ehinger zur Kurstadt und wandelte das Mini-Bächle vor der Sparkasse in ein neues Ehinger Kneipp-Bad um.

Ein Blick nach Nasgenstadt.

Auf den Gollenäckern machte ein Mainächtler seinem Ärger darüber Luft, dass die Stadtverwaltung sich schwer damit tut, einen weiteren Zebrastreifen anzulegen. Auf das dortige Ortseinfahrtsschild war die Annahme gepinselt, dass die Zuständigen in der Stadtverwaltung meinen, „Nasgenstadt ist Niemandsland“.

Das neue Ortsschild von Nasgenstadt, das jetzt „Niemandsland“ heißt und in dem jetzt alles erlaubt ist – nur keine Zebrastreifen. Foto: vf