17.01.2001 | Lob von höchster Stelle für aus Öpfingen stammenden Autor

ÖPFINGEN / FRANKFURT (vf) – Aus Öpfingen stammt Schriftsteller Andreas Eschbach, 41 Jahre alt. In der dicken Literatur-Beilage der FAZ zur Frankfurter Buchmesse wird Eschbach jetzt als Autor des neuen Romans „Eine Billion Dollar“ von FAZ-Feuilleton-Chef (!) und FAZ-Mitherausgeber (!) Frank Schirrmacher gewürdigt.

Eschbach hat in den vergangenen Jahren mehrere Science-Fiction-Romane veröffentlichen können, die hohe Auflagenzahlen erreichten; die Ehinger Schwäbische Zeitung wies ein, zwei Mal in größerem Umfang auf den „bedeutenden Sohn Öpfingen“ hin. Sucht man nach weiteren in Öpfingen aufgewachsenen Autoren, dann muss man wohl bis ins 18. Jahrhundert gehen, auf den ebenfalls an dieser Stelle gewürdigten Theologen und Kirchenhistoriker Dannenmaier.

„Science Fictions“, wie sie Eschbach bisher schreibt, werden meist zur sogenannten Trivialliteratur gezählt – nicht „bedeu­tungsvoll“ genug, um von ernsthaften Literaten, Literatur­kritikern und eventuell Literatur-Lesern ernst genug genommen zu werden.

Zu den bekannten Schriftstellern der „Pop“-Literatur in Deutschland zählten in den vergangenen Jahrzehnten Autoren wie Konsalik, Johannes Mario Simmel oder Uta Danella. Erfolgreich ist inzwischen auch bereits der noch vergleichs­weise junge Andreas Eschbach. Allem nach erklärt sich sein Erfolg daraus, dass Leser, die einen Roman von ihm gelesen haben, so angetan sind, dass sie auch den nächsten erwerben, und so wurden Eschbach-Texte bereits mehrfach von einem so großen Verlag wie Gustav Lübbe, Bergisch Gladbach, veröffentlicht.

Jetzt ist dem ehemaligen Öpfinger die Ehre widerfahren, dass einer der führenden Redakteure der FAZ einen neuen Roman von ihm vorstellt. Frank Schirrmacher tut das mit der bezeichnenden Überschrift „Hinweis auf einen Unbekannten“. Das ist natürlich ironisch gegen seine eigenen Literatur-Kritiker gemeint, für die Eschbach ein „Unbekannter“ ist, nicht hingegen für bereits hunderttausende Science-Fiction-Leser.

Schirrmacher eröffnet seinen Text mit den Sätzen: „Keine Rezension würdigt diesen Mann. Kein Lob rühmt ihn. Kein Verriß zerlegt seine Bücher in ihre Einzelteile…. Es stellt sich die Frage: Wie haben denn eigentlich die mehreren hundert­tausend Leser, die seine Bücher zu Bestsellern

 im literarischen Niemandsland machten, von ihm erfahren.?“

Bild: Andreas Eschbach (entnommen aus der FAZ-Literaturbeilage)

Schirrmacher schildert dann, wie er den Autor Eschbach entdeckte, durch Lektüre der Internet-Seite eines Buch-Verkäufers, der seine Best-Seller vermerkt.

Schirrmacher liefert kluge Sätze über den Autor Eschbach und empfiehlt ihn, auf jeden Fall als spannende Lektüre für einen „dunklen, kalten, wolkenzerfetzten Herbstabend“.

Veit Feger Anmerkung:

Das zitierte Wort „Verriß“ ist kein Rechtschreibfehler; in der SZ hätte es natürlich „Verriss“ heißen müssen, aber die FAZ hat sich der Mode „Rechtschreibreform“ verweigert. –  Der Ehinger SZ-Macher legt aus seinem Nähkästchen nach: Er dreht beim Redigieren manchmal schier hohl: Einige Mitarbeiter, gestandene Akademiker, die früher „Straße“ richtig schreiben konnten und schrieben, sind durch die Reform so verunsichert, dass sie nun, aus Angst, sie könnten ein doppeltes s versäumen, ständig „Strasse“ schreiben – eine der unschönen Folgen der sogenannten Reform. Und der Zeitungsmacher leidet zudem unter der Verachtung süddeutschen Sprachgebrauchs, weil er zwar „Spaß“ mit kurzem „a“ spricht und also „Spass“ schreiben müsste, aber nach den aus Norddeutschland stammenden Rechtschreibregeln ein Wort schreiben muss, das er eigentlich nur als „Spaaas“ lesen kann. (vf)

16.01.2001 | Aufgewachsen in Ehingen: Autorin Traudel Weber-Reich

GÖTTINGEN / EHINGEN (vf) – Die 1953 in Ehingen geborene Traudel Weber-Reich hat kürzlich in Göttingen eine Doktorarbeit aus dem Bereich der Sozialgeschichte abgeschlossen und an der Berliner Humboldt-Universität eingereicht. Nach den zugehörigen Prüfungen wird sie eine der ersten Frauen in Deutschland sein, die den Titel „Dr. rer. cur.“ tragen darf, Doktorin der Pflege Wissenschaften. Die ausgebildete Krankenschwester ist bereits mit mehreren Veröffentlichungen frauen- und krankenhausgeschichtlicher Art hervorgetreten.

Vor einigen Jahren erwarb der Verfasser dieser Zeilen antiquarisch das 1993 erschienene Buch „Des Kennenlernens werth – Bedeutende Frauen Göttingens“, 370 Seiten, erschienen im Göttinger Wallstein-Verlag. Interesse an Frauengeschichte und allgemein an Kultur- und Wissenschaftsgeschichte hatten vf das Buch kaufen lassen.

Herausgegeben war das Buch von einer dem vf nicht näher bekannten Traudel Weber-Reich. Jahre später bekommt der Buchkäufer mit, dass die Herausgeberin des Gesamtbandes und Verfasserin einiger in dem Sammelband enthaltener Aufsätze aus Ehingen stammt – Anlass für eine Nachfrage. Der Tochter aus einer Ehinger Handwerkerfamilie war es nicht, wie man so sagt, an der Wiege gesungen worden, eines Tages wissenschaftlich, vor allem im Bereich der weiblichen Berufsgeschichte, zu forschen. Ein Stück Frauenemanzipation sieht die Autorin sicher auch in ihrer eigenen Lebensgeschichte.

Traudel Weber aus der Ehinger Weitzmannstraße, geboren 1953, besuchte in Ehingen etc. Grundschule und sechs Jahre das Gymnasium. Dann lernte sie am Paracelsus-Krankenhaus in Ruit/Ostfildern ihren Beruf.

Zum Thema Pflege verfügte das Stadtarchiv Göttingen über einen umfangreichen, aber ungeordneten und nicht ausgewerteten Aktenberg. Diesen Berg sortierte und wertete die Studentin für ihre Magisterarbeit aus. In Buchform erschien diese Arbeit 1993 bei Vandenhoeck & Ruprecht unter dem Titel „Um die Lage der hiesigen notleidenden Gasse zu verbessern. Der Frauenverein zu Göttingen“ – Ein wenig missionarische Haltung schwang bei dieser Arbeit schon mit. Frauen, so die Autorin im Gespräch mit der Ehinger SZ, haben eine eigene Geschichte, eine andere als die Männer, eine Geschichte, die sie formt, bis heute, eine Geschichte, die die Frauen daher kennen sollten. Frauen haben aber Geschichte nicht nur erlitten, sondern auch gestaltet. Traudel Weber-Reich lieferte für ihren Lebensraum Göttingen einige Beweise für diese Behauptung – auf zwei Feldern geschichtlicher Forschung. Mit ihrer Untersuchung der Geschichte des Göttinger Frauenvereins hatte sich Weber-Reich für stadtgeschichtliche Arbeit qualifiziert. Sie erhielt von der Stadtverwaltung eine befristete Stelle, in der sie Regionalgeschichte weiterhin unter „Frauen“-Aspekt aufarbeiten konnte. Beachtliche Frucht dieser Arbeit: die Herausgabe eine Reihe Lebensläufe bemerkenswerter Frauen, die mit Göttingen zu tun haben, die dort geboren wurden oder dort lebten.

T. Weber-Reich steuerte zu dem Sammelband mit über vierzig Lebensbeschreibungen einen Sammelbeitrag über jene sechs Frauen bei, die den „Frauenverein zu Göttingen“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten, außerdem einen Aufsatz über Elise Bürger geborene Hahn (1769 – 1833), die Ehefrau des Schriftstellers Gottfried August Bürger, Schauspielerin und Schriftstellerin und mit G. A. Bürger in einer zu ihrer Zeit bekannt gewordenen Ehegeschichte verknüpft.

Traudel Weber-Reich sah sich vor keine leichte Aufgabe gestellt, als sie für die Biographien der sehr verschiedenen „Göttinger“ Frauen fähige Autorinnen gewinnen musste. Sie hatte das – zum Teil unangenehme – Geschäft, auswählen zu müssen, immerhin konnte T. Weber-Reich überregional anerkannte Autorinnen gewinnen, etwa Sigrid Damm (mit einer Biographie der Romantik-Muse Caroline Schelling, 1763 • 1809) bekannt geworden, oder Andrea Hahn (mit einem Aufsatz über die Schriftstellerin und erste deutsche Zeitschriften-Redakteurin Therese Huber geborene Heyne. 1764 – 1829). oder die Autorin Cordula Tollmien (mit einem Aufsatz über Minna Specht, 1870 – 1961).

Die genannten Zuarbeiterinnen und zahlreiche weitere Autorinnen mussten alle auf eine gewisse Länge oder Kürze und Qualität der Texte „eingeschworen“ werden.

Bild: Deckblatt (Ausschnitt) eines Buchs, das T. Weber-Reich herausgegeben und zu dem sie auch einiges beigesteuert hat.

Weil Göttingen eine Uni-Stadt – mit einigen recht aufgeschlossenen Professoren – war, kam es schon vor längerem dazu, dass hier Frauen (als Professoren-Töchter) aufwuchsen, die es dann selber in Sachen produktive Bildung wert brachten; Und es gab andere Frauen, die hier studierten, arbeiteten und (im letzten Jahrhundert erstmals auch) lehrten, alles Frauen, die „des Erinnerns werth“ sind. Zu den bekannteren und in Traudel Weber-Reichs Buch vertretenen gehören die Verlegerin Anne Vandenhoeck (1709 – 1787), die intellektuelle und emotionale Inspiratorin romantischer Schriftsteller und Philosophen Caroline Schelling, die Schriftstellerin Therese Huber, die Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salome, die Mathematikerin Emmy Noether, die Schulreformerin Minna Specht, die

Philosophin und Ordensfrau Edith Stein, die Historikerin Elisabeth Heimpel.

Bevor das Buch erschien und zunächst auch danach hatte die Herausgeberin und Co-Autorin einen ziemlichen Bammel: Göttingen ist Universitätsstadt, es gibt genügend Leute, die mit Büchern zu tun haben; die literarischen Ansprüche sind hoch. Da war Traudels Freude groß, als die Veröffentlichung gute Kritiken bekam und die erste 1500-Stück-Auflage schon nach sieben Wochen ausverkauft war. Inzwischen liegt das Buch in dritter Auflage vor.

Das Interesse an Frauengeschichte und an der Geschichte ihres eigenen ursprünglichen Berufs als Krankenschwester konnte Weber-Reich in den folgenden Jahren verknüpfen. Sie sah, dass zahlreiche Krankenhausgründungen vor allem im 19. Jahrhundert von Frauenvereinigungen, insbesondere religiös orientierten, ausgingen. Vier wichtige Krankenhäuser in Göttingen sind Gründungen von Frauen. Mit die ersten dieser Gründerinnen, im protestantischen
Göttingen, waren katholische Ordensfrauen, Vinzentinerinnen mit Mutterhaus in Hildesheim. Zum hundertjährigen Bestehen des von ihnen gegründeten und getragenen Krankenhauses verfasste Weber-Reich im Jubiläumsjahr 1996 einen Beitrag.

Neben der Vinzentinerinnen-Gründung gab es in der Stadt auch Krankenhaus-Gründungen durch Diakonissen und die  Klementinen-Krankenhausschwestern. Dass Frauen hier die entscheidende Rolle spielten, dass sie die Arzte anstellten und das finanzielle Risiko trugen, das wurde später oft wenig beachtet (es wurde auch von den bescheidenen Frauen nie plakativ betont). Traudel Weber-Reich legte diese Gründungsgeschichten für Göttingen ausführlich dar.

Einen etwas anderen Aspekt des Frauenlebens als den zölibatären der pflegenden Ordensfrauen und Diakonissen behandelte Weber-Reich in einem 1997 erschienenen Aufsatz über „Frauen in Not – Alltagsleben und Geburtenpolitik1919-I933“.

Die Doktorarbeit, die Weber-Reich kürzlich abschloss, wurde von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert; die Stiftung vergab fünfzig Stipendien, zur Erforschung (vorwiegend weiblicher) Pflege-Tätigkeit. An der Humboldt-Universität Berlin wurde ein eigener Studiengang für Forschungsarbeiten im Bereich Pflege eingerichtet, der mit dem Titel „Dr. rer. cur.“ abgeschlossen werden kann. Vor einem dreiviertel Jahr wurde der Titel erstmals verliehen.   Veit Feger

► Nachgefragt

Der persönliche Gewinn geistiger Arbeit (Die Fragen stellte Veit Feger)

SZ: Frau Weber-Reich, hat Ihre wissenschaftliche Arbeit Ihnen auch persönlich einen Gewinn eingebracht?

Weber Reich: Ich wurde gebeten, Vorträge auf Fachtagungen und vor interessierten Frauenvereinigungen zu halten. Das war eine neue Aufgabe für mich. Man gewinnt dadurch mehr Sicherheit im Auftreten. – Dadurch, dass ich mich mit der Geschichte der Frauen in früherer Zeit befasst habe, wurde mir auch deutlich, wie schwer es früher Frauen hatten (manchmal auch heute noch, in anderen Ländern sowieso). Von daher kann ich beispielsweise gut verstehen, wie angebracht die Forderung der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf ist, dass Frauen in einer Wohnung ihr „own room“, ihr eigenes Zimmer, haben sollten.

SZ: Fühlen Sie sich in Ihrer Ehe als Frau benachteiligt? Weber-Reich: Nein.

12.01.2001 | 50. Landfrauentag

EHINGEN / RISSTISSEN (vf) – Im Januar werden es 50 Jahre sein, dass erstmals in Ehingen die Landfrauen des katholischen Dekanats Ehingen hier zu Gebet, Besinnung und ein bisschen Aufschnaufen zusammenkamen. Dieses Jubiläum wird am 9. Januar mit einem Besuch des Bischofs gefeiert.

Die Vorsitzende der Landfrauen auf Diözesanebene, die 65-jährige Maria Braig aus Rißtissen, hat im Archiv der Ehinger SZ schon zu Jahresbeginn nachgesehen und dabei festgestellt, dass die erste solche Veranstaltung hier im Januar 1952 stattfand. In anderen Orte der Diözese war es wohl ähnlich: Das 50er-Jubiläum feierte im Januar 2001 Bad Waldsee, im nächsten Januar ist es neben Ehingen auch der Dekanatssitz Saulgau. Wegen des Jubiläums hat M. Braig Bischof Dr. Fürst gebeten, nach Ehingen zu kommen. Der entspricht der Bitte; er wird am 9. Januar um 9 Uhr einen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche leiten und um 10.30 Uhr in der Lindenhalle über das Thema “Bioethik – Verantwortung, Menschenwürde, christlicher Glaube” sprechen und mit den Frauen diskutieren. – Um 14 Uhr befasst sich Pastoralreferentin Barbara Janz-Spaeth aus Göppingen ebenfalls mit einem ethischen Problem. – M. Braig schätzt, dass sie Mitte der 70er Jahre erstmals zu einem solchen Landfrauentag nach Ehingen kam; kurz zuvor war ein katholischer Frauenbund in Rißtissen gegründet worden.Die Heimatzeitung fragt: War jemand bei der ersten solchen Veranstaltung oder einer der ersten in Ehingen dabei, erinnert sich noch ein wenig und erzählt uns davon?

09.01.2001 | Unerwartete Begegnung mit Jakob Locher

(vf) – Man freut sich, wenn man jemand an einem Ort trifft, an dem man ihn nicht erwartet hat. So erging es gerade dem Zeitungsmacher vf mit dem Ehinger Schriftsteller Jakob Locher, der um die Wende des 16. Jahrhunderts unter anderem Schauspieltexte verfasste. Gemeinhin ist dieser Mann tot, töter geht’s nicht. Und wo wird er nun erwähnt und – beinah – gewürdigt? – In einem neuen Kultbuch für Bücher-Narren, in Albert Manguels „Eine Geschichte des Lesens”, 1996 erstmals erschienen in Kanada, seit zwei Jahren auf Deutsch erhältlich, seit Dezember auch als Taschenbuch (bei Rowohlt).

Der Name „Jakob Locher“ taucht auf im Kapitel „Büchernarr”, im Zusammenhang mit Hinweisen auf die ausgewalzte Moral-Epistel „Das Narrenschiff” von Sebastian Brant, die Locher bekanntlich ins Lateinische übersetzte und der er damit den europäischen Buchmarkt öffnete.

Weil Manguel seinen Hinweis auf Locher aus einer französisch verfassten elsässischen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts bezog, erhält unser Landsmann den unerwarteten Vornamen Jacques statt Jakob oder, latinisiert, Jacobus. Hinweise jüngeren Datums auf Locher und einen weiteren gebildeten und produktiven Ehinger finden sich auch im Begleitbuch zur großen Rottenburger / Freiburger Vorderösterreich-Ausstellung von 1999. Hier wird im Zusammenhang mit der „vorderösterreichischen Universität Freiburg” neben Locher auch ein anderer Ehinger erwähnt, Kaspar Ruf, der im 18. Jahrhundert Ideen der katholischen Aufklärung vertrat und den die Ehinger SZ vor Jahren in einem größeren Beitrag würdigte.

04.01.2001 | Unbekannter schmückt Gräber russischer Kriegsgefangener und schreibt Verse

EHINGEN (bur) – Ein Unbekannter schmückte in den letzten Tagen auf dem Ehinger Friedhof das Gräberfeld, in dem verstorbene russische Soldaten des Zweiten Weltkriegs bestattet sind, mit bunten Sternen und Holzkreuzchen, an denen Tannenzapfen angeklebt sind. Dem eigenwilligen Schmuck war ein gereimter Bericht über einen Toten-Transport beigefügt; man kann annehmen, dass der Verfasser als junger Soldat in Ehingen das Hinaustransportieren eines russischen Kriegsgefangenen auf den Friedhof und das Verscharren miterlebte. Wir geben das „Gedicht” in Auszügen wieder:

„Seit 1942 ruhst Du hier, mein lehmig-brauner Kamerad!
Du wurdest aus dem Osten zu uns geschickt, als junger Soldat.
Im gleichen Jahr marschierte ich als Feldgrauer auf Deinem Pfad,
nur in umgekehrter Richtung, wie das Gesetz es befahl.

Wir sind uns in. Deinem kurzen Leben nie begegnet,
unbekannt geblieben und nie miteinander geredet,
jeder war der Meinung, er habe seine Pflicht getan,
keiner durchblickte, was geschah durch Größenwahn!

Nur, Deinen Leichenzug hab’ ich durch Zufall gesehen,
als wir, mein Freund und ich, kamen vom Spazierengehen!
Abends trat aus Eurem Lager durch ein unbenutztes Tor
still und heimlich ein ganz kleiner Trupp hervor.

Um das heikle Geschehen fertig zu bringen,
sollte es möglichst ohne Zuschauer gelingen!
Die Spitze bildete ein unauffälliger Mann,
dem war die Örtlichkeit wohl gut bekannt.

Er vergewisserte sich mit Aug’ und Ohr,
dass keiner von ihnen die Fassung verlor!
Es folgte ein Karren, von Russen geschoben,
beide erschüttert, die Köpfe geneigt zu Boden!

Dem Ganzen schritt ein feldgrauer Wachmann hinterher,
lässig geschultert trug er ein Infanteriegewehr!
Bei „Miehles” ging der Trupp auf die Durchgangsstraße,
es herrschte kein Verkehr, Glück in hohem Maße!

Nach der Kreuzung war der Führer zufrieden sehr,
der ganze Weg war praktisch menschenleer!
Der toten Friedhofsmauer entlang ging’s bis zu ihrem Ende,
dann machten sie Halt und nach rechts eine Wende,
jetzt kam der unvergessene Augenblick,
als wir erreichten das gleiche Wegestück.

Sichtbar war das Erschrecken auf der anderen Seite:
„Das darf nicht wahr sein, am Ende noch eine Pleite!”
Inzwischen haben wir, mein Freund und ich, die Lage erkannt,
dass es etwas so Schreckliches gab, war uns nicht bekannt!
Auf der Straße zu gehen, war für jedermann frei,
eng war sie, und man kam ohne Halt nicht vorbei.
Uns hat es die Sprache verschlagen,
dem Anführer gelang es wenigstens,
den Abendgruß zu sagen!

Kein Sarg, ein verschnürtes Bündel, ganz unbedeckt
war es auf der Pritsche des Karrens hingelegt.
Eingewickelt wie Lazarus auf dem bekannten Bibel-Bild,
aber nicht mit feinem Leinen und kostbaren Spezereien umhüllt,
sondern mit Packpapierbahnen laufend umgeben nur
und verknotet mit billiger, gelber Sisalschnur.
In diesem Gebinde kann kein normaler Mensch sein,
das kann höchstens ein Rest sein von Haut und Gebein!
Eine solche Quittung in Deinen jungen Jahren
kann nur der Hungermörder ausgestellt haben.
Nach Entlassung aus meiner Gefangenschaft
fand ich Eure „Friedhofsgemeinde” sehr vergrößert,
aber gepflegt, nicht behandelt wie Feinde.
Die Markierungssteine sind geordnet, nicht wie damals anonym,
und die Namen fein säuberlich auf dem Obelisk eingraviert.
Eingegrenzt sind auch die damals offenen Räume,
blühende Hecken umgeben sie als lebende Zäune!
Daheim in Deiner Mutters Nähe würdest Du mit Blumen bedacht,
ich habe mich an ihrer Stelle bemüht um wenigstens ein bisschen Ersatz.

Mein Wunsch gilt nicht nur Dir vor allem,
sondern auch Deinen Kameraden und Brüdern gar allen.
Unser Herrgott gebe, uns seinen Segen,
damit wir unsere Freundschaft pflegen
und friedlich in aller Welt in Liebe zusammenleben.

Bild: Bunte Sterne und aus dünnen Ästen gebastelte Holzkreuzchen, an denen Tannenzapfen angeklebt wurden: So schmückte der Unbekannte die Gräber russischer Kriegsgefangener auf dem Ehinger Friedhof (Foto: bur)

Des Weiteren schildert der Unbekannte, wie es ihm selbst in der Kriegsgefangenschaft erging. Auch er litt Hunger. Der Unbekannte gibt seiner pazifistischen Gesinnung Ausdruck und prangert die Kriegsführer wegen ihrer Unmenschlichkeit an. Die Ehinger SZ berichtete vor Jahren über das Kriegsgefangenen Lazarett im ehemaligen Konvikt. Zahlreiche Insassen starben an Unterernährung. Die russischen Kriegsgefangenen wurden weit schlechter behandelt als die Gefangenen aus anderen Ländern. Die Toten wurden auf einem Gräberfeld des Friedhofs bestattet.

03.01.2001 | Schmiechener Narren empört über Schultes

SCHMIECHEN / SCHELKLINGEN (vf) – Schmiechener Schalmeienbläser und Narren sind verärgert. Schon im Frühjahr letzten Jahres hatten sie sich darum bemüht, dass die Narrengäste von weitum vor dem großen Narrensprung am 11. Februar in Schmiechen die Nacht durchfeiern dürfen. Nun hat der Schelklinger Schultes im November seine Zusage zurückgenommen. Gefeiert werden darf nun nur bis nachts 3 Uhr, dann soll Schluss sein. – Nachdem ein Vorstoß von Ortschaftsrat und Schalmeien-Chef im Schelklinger Rathaus nichts hatten, machen die Umzugsplaner ihren Ärger jetzt öffentlich.

Norbert Reiber betont im Gespräch mit der Ehinger SZ-Redaktion, dass am Auftakt des zweitägigen Narrenfestes ein von Pfarrer Stoll, Schelklingen, geleiteter Narrengottesdienst steht. Er bringt auch vor, dass die Schmiechener Bürger – wenn überhaupt – mehr Lärm von der Narrennacht mitkriegen, wenn die Narren ihren Brauchtumsabend nachts um 3 Uhr beenden müssen, statt überhaupt nicht.

Gegen die Befürchtung von Bürgermeister Knapp, Sonntagsgottesdienstbesucher könnten sich durch nach der langen Freinacht heimkehrende Narren belästigt fühlen, führt Schalmeien-Vorsitzender Reiber an, dass am Sonntagmorgen in Schmiechen gar kein Gottesdienst stattfindet. Reiber führt auch an, dass in Dornstadt jedes Jahr e°i°n°e fastnächtliche Freinacht von der Gemeindeverwaltung genehmigt wird – „ohne Nachteile für andere Bürger“.

Reiber verweist auch darauf, dass die Aufgaben der Schmiechener Ortspolizei laut Eingemeindungsvertrag bei der Schmiechener Ortsverwaltung bleiben und dass sich der Ortschaftsrat für den Wunsch der Schmiechener Narren nach einer Freinacht aussprach.

 Die Schmiechener Narren fühlen sich geradezu gemobbt, weil sie erfahren haben, dass die Stadt Schelklingen sogar die Haftpflichtversicherung für den Hemdglonker-Umzug in Schelklingen übernimmt, sinngemäß: dass die Stadtverwaltung die  Narretei in der Kernstadt fördert und die in Schmiechen benachteiligt. „

Mir der Vorbereitung des Narrentreffens der Alb-Donau-Region haben sich die „Burrenhexen“ „unter Vorstand Karlheinz Mannhart und die Schalmeienbläser viel Mühe gemacht; die Freinacht wäre nach Narrenmesse, Brauchtumsabend und Narrensprung am 11. Februar das i-Dipfele ihres Fests. An ihrem Umzug erwarten die Veranstalter 98 Gruppen mit insgesamt viertausend Hasträgern.

Das Zelt für den Brauchtumsabend und für die Bewirtung der Narren, soweit diese nicht die örtlichen Gasthäuser besuchen wollen oder von fliegenden Händlern bedient werden, wird an der Fabrikstraße aufgebaut, im Süden der Gemeinde. Ursprünglich hatte man an einen Standort auf dem traditionellen Festgelände gedacht, Richtung Schmiechener See. Aber dann müssten Narren in größerer Zahl die Bundesstraße und die Eisenbahn-Gleise überqueren, und diese Gefahrenquelle wollte man umgehen. Die Ehinger SZ hat dem Bürgermeister von Schelklingen die Gelegenheit zur Stellungnahme angeboten. BM Knapp stellte uns den Brief zur Verfügung, den er im November an den Vorsitzenden der Schalmeiengruppe richtete, er schreibt darin unter anderem: „Bei unserem Gespräch im Frühjahr habe ich Ihnen zugesagt, dass ich Ihrem Anliegen, in der Nacht vom 10. auf 11. 2. 2001 eine Freinacht zu genehmigen, wohlwollend gegenüberstehe. In der Zwischenzeit habe ich mich bei einigen Gemeinden in unserem Landkreis erkundigt, welche Erfahrungen diesbezüglich in der Vergangenheit gemacht worden sind. Diese Erkundigungen haben ergeben, dass die meisten Gemeinden und Städte es für ausreichend ansehen, bei derartigen Veranstaltungen eine Sperrzeitverkürzung vorzunehmen. Da bei solchen Veranstaltungen der Alkoholkonsum erfahrungsgemäß nicht gerade niedrig ist, befürchte ich, dass bei einer Freinacht für die Bevölkerung, die sich dem fastnächtlichen Treiben nicht anschließt, nicht unerhebliche Beeinträchtigungen entstehen. Deswegen bin ich der Auffassung, dass es ein großes Entgegenkommen der Stadt darstellt, wenn bis 3.00 Uhr morgens eine Sperrzeitverkürzung erfolgt.“